Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Einkommensanrechnung. ehrenamtliche Tätigkeit. Aufwandsentschädigung
Leitsatz (amtlich)
Zur Qualifizierung einer Betätigung als kommunaler Ehrenbeamter (Ortsvorsteher) als Beschäftigung und einer Aufwandsentschädigung als Arbeitsentgelt (Fortführung von BSG vom 22.2.1996 – 12 RK 6/95 = BSGE 78, 34 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5).
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
AFG § 115 Abs. 1, 3, § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 3, § 173a; SGB IV § 14 Abs. 1; BRRG § 115 Abs. 2; GemO RP 1994 § 30 Abs. 1, § 76 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 1997 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf höhere Anschluß-Arbeitslosenhilfe (Alhi); die Klägerin macht geltend, die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) habe Aufwandsentschädigungen aus ehrenamtlicher Betätigung im kommunalen Bereich zu Unrecht auf die Leistung angerechnet.
Die 1936 geborene Klägerin war während des Bezugs von Alhi vom 24. Dezember 1993 bis zum 31. Januar 1996 Stadtratsmitglied in Bad K. … und als Ortsvorsteherin des Stadtteils P. … Ehrenbeamte. Ihre der Steuerpflicht unterliegende Aufwandsentschädigung betrug Ende 1993 554,57 DM monatlich, ab Juli 1994 914,67 DM und ab 1. April 1995 790,00 DM. Außerdem erhielt sie jährliche Aufwandsentschädigungen von 600,00 DM für ein Dienstzimmer und von 252,00 DM für ihren Telefonanschluß. Auf die vom 24. Dezember 1993 bis zum Beginn der Altersrente ab 1. Februar 1996 bewilligte Alhi rechnete die BA für die Zeit vom 24. bis 31. Dezember 1993 aus der steuerpflichtigen Aufwandsentschädigung 128,00 DM, ab 1. Januar 1994 107,57 DM, ab 2. Januar 1995 162,95 DM und ab 1. April 1995 141,84 DM wöchentlich als Einkommen an. Widerspruch, Klage und Berufung, mit denen die Klägerin geltend gemacht hat, auch der der Steuerpflicht unterliegende Teil der Aufwandsentschädigung sei nicht als Einkommen auf die Alhi anzurechnen, blieben erfolglos.
Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, die Klägerin habe für die Zeit vom 24. Dezember 1993 bis zum 31. Januar 1996 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi dem Grunde nach erfüllt. Sie sei insbesondere arbeitslos und für die Arbeitsvermittlung verfügbar gewesen. Ratsmitglieder seien nicht abhängig beschäftigt, vielmehr an Weisungen oder Aufträge nicht gebunden; sie übten ihr Amt nach freier Gewissensüberzeugung aus. Auch als ehrenamtliche Ortsvorsteherin sei die Klägerin nicht iS des § 101 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) beschäftigt gewesen. Ein Beschäftigungsverhältnis, das geeignet sei, Arbeitslosigkeit auszuschließen, müsse den „Charakter eines wirtschaftlichen Austauschverhältnisses” aufweisen. Das Ehrenamt einer Ortsvorsteherin werde „nicht typischerweise gegen Entgelt” verrichtet, so daß „nicht von einer Fremdleistung von wirtschaftlichem Wert gesprochen werden” könne. Die Arbeit der Klägerin habe „vorrangig anderen als Erwerbszwecken” gedient. Ortsvorsteher nähmen Aufgaben des Ortsteils wahr. Ihre Hauptfunktion bestehe darin, die Belange des Ortsteils in der Gemeinde zu wahren. Da die Betätigung als Ortsvorsteherin und Stadtratsmitglied keine entgeltliche Beschäftigung darstelle, komme eine Anrechnung als Arbeitsentgelt nicht in Betracht. Im Rahmen der besonderen Bedürftigkeitsprüfung schließe das Gesetz die Berücksichtigung des steuerfreien Teils der Aufwandsentschädigung ausdrücklich aus. Im übrigen sei die Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Betätigung im kommunalen Bereich nur insoweit zweckgebunden als sie dazu bestimmt sei, bestimmten Aufwand des Empfängers auszugleichen. Gegenüber der pauschalierenden Festlegung steuerfreier Beträge stehe es Empfängern frei, den Nachweis höheren Aufwands für die ehrenamtliche Betätigung zu führen. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin nicht geführt. Den der Steuerpflicht unterliegenden Teil der Aufwandsentschädigung habe die BA zutreffend auf die Alhi angerechnet. Auch die übrigen Berechnungsfaktoren für die Bemessung der Alhi habe die BA zutreffend festgestellt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 138 Abs 3 Nr 3 AFG. Sie meint, die Aufwandsentschädigung sei kein Einkommen iS dieser Vorschrift, denn sie diene dazu, die mit unentgeltlichen Dienstleistungen für die Gemeinschaft verbundenen finanziellen Einbußen sowie „die ideellen, persönlichen und zeitlichen Beschwernisse”, die Ehrenbeamte während ihrer Freizeit auf sich nähmen, zu ersetzen. Zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Aufwandsentschädigungen sei insoweit nicht zu unterscheiden. Der Wortlaut des § 138 Abs 3 Nr 3 AFG sei „offen”, indem er zweckgebundene Leistungen vom Einkommen ausnehme und dabei nicht steuerfreie Aufwandsentschädigungen „insbesondere”) nur beispielhaft erwähne. Auch der der Steuerpflicht unterliegende Teil der Aufwandsentschädigung sei zweckgebunden. Es könne nicht Sinn der Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Betätigung im Kommunalbereich sein, indirekt zu finanziellen Einbußen für Arbeitslose zu führen.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 1997 und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 23. Mai 1996 aufzuheben sowie die Bescheide vom 24. und 27. Januar 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 15. Juni 1994 sowie die Bescheide vom 18. Januar, 12. Februar und 18. April 1995 und vom 17. Januar 1996 zu ändern;
- die Beklagte zu verurteilen, die Alhi für die Zeit vom 24. Dezember 1993 bis 31. Januar 1996 ohne Anrechnung der Aufwandsentschädigung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Die Entscheidung des LSG verletzt § 138 Abs 1 Nr 1 AFG. Für eine abschließende Entscheidung des Senats reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
Das LSG hat den die Steuerpflicht begründenden Teil der Aufwandsentschädigung der Klägerin als Einkommen auf die Alhi angerechnet. Dies ist insoweit nicht zu beanstanden, als unter Einkommen iS der Vorschriften über die Alhi alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu verstehen sind (§ 138 Abs 2 Satz 1 AFG). Allerdings nimmt § 138 Abs 3 AFG im Wege der Fiktion bestimmte Leistungen vom Einkommen aus. Die Privilegierung bestimmter Leistungen erfaßt nach § 138 Abs 3 Nr 3 AFG auch zweckgebundene Leistungen, insbesondere nicht steuerpflichtige Aufwandsentschädigungen. Der Revision ist zwar zuzugeben, daß der Privilegierungstatbestand des § 138 Abs 3 Nr 3 AFG „offen” formuliert ist, so daß Aufwandsentschädigungen bei formaler Betrachtung generell als zweckgebundene Leistungen ohne Rücksicht auf die Steuerpflicht nicht als Einkommen zu behandeln sein könnten. Ein solches Verständnis der Vorschrift wäre aber nicht sachgerecht. Die teilweise Besteuerung von Aufwandsentschädigungen hat nämlich ihren Grund darin, daß sie Verdienstausfall enthalten können oder aber eine Entschädigung für einen Arbeitsaufwand darstellen. Mit der Bezugnahme auf das Steuerrecht geht das Gesetz davon aus, eine der Steuerpflicht unterliegende Aufwandsentschädigung diene dem allgemeinen Lebensunterhalt des Empfängers, so daß eine anderweitige Zweckbindung durch ihre Verwendung zum Lebensunterhalt des Arbeitslosen nicht vereitelt werde (vgl dazu: Gagel/Ebsen, AFG, § 138 RdNrn 86 ff – Stand Januar 1998).
Die Berücksichtigung von Einkommen im Rahmen der speziellen Bedürftigkeitsprüfung nach § 138 AFG kommt aber – wie das LSG auch nicht verkannt hat – nur in Betracht, soweit das Einkommen nicht als Arbeitsentgelt nach § 115 AFG anzurechnen ist. Übt der Arbeitslose während einer Zeit, in der ihm eine Leistung wegen Arbeitslosigkeit zusteht, eine kurzzeitige Beschäftigung aus, so mindert sich die Leistung um die Hälfte des Nettoarbeitsentgelts aus dieser Beschäftigung, soweit es 30 DM übersteigt. Voll berücksichtigt wird das Nettoarbeitsentgelt, wenn es zusammen mit der verbleibenden Leistung 80 vH des Bemessungsentgelts übersteigt (§ 115 Abs 1 Satz 1 und 2 AFG). Das LSG hat die Betätigung der Klägerin als Stadtratsmitglied und Ortsvorsteherin nicht als entgeltliche Beschäftigung iS des § 115 Abs 1 AFG angesehen, weil sie nicht im Rahmen eines „wirtschaftlichen Austauschverhältnisses” verrichtet worden seien, sondern „vorrangig anderen als Erwerbszwecken” gedient hätten. Diese Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand:
Dem LSG ist im Ergebnis nur hinsichtlich der Betätigung als Stadtratsmitglied beizutreten. Aus der kommunalverfassungsrechtlichen Stellung von Stadtratsmitgliedern (hier: § 30 Abs 1 Rheinland-Pfälzische Gemeindeordnung) ergibt sich, daß Ratsmitglieder „unentgeltlich nach freier, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmter Gewissensüberzeugung” tätig werden. Sie stehen damit – wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits für die Verhältnisse in Bayern des Näheren ausgeführt hat (BSGE 53, 242, 245 = SozR 2200 § 1248 Nr 36 mwN) – nicht in einem sozialrechtlichen Beschäftigungsverhältnis. Dieses ist durch persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Beschäftigung gekennzeichnet, die – namentlich bei hochqualifizierten Mitarbeitern – „zur funktionsgerechten dienenden Teilnahme am Arbeitsprozeß verfeinert” sein kann (BSGE 53, 242, 245 = SozR 2200 § 1248 Nr 36 mwN). Diesen Merkmalen entspricht gerade die weisungsfreie und allein dem Gemeinwohl verpflichtete Betätigung eines Stadtratsmitglieds nicht. Da die Handlungen und Entscheidungen von Stadtratsmitgliedern nicht auf individuelles Interesse, sondern ausdrücklich auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind, handelt es sich auch nicht um eine selbständige Tätigkeit, die im Rahmen des § 115 AFG einer Beschäftigung gleichgestellt wäre (§ 115 Abs 3 AFG). Durch die Rechtsprechung des BSG ist geklärt, daß eine Betätigung in kommunalrechtlichen Vertretungskörperschaften „sozialrechtlich irrelevant” ist (BSGE 53, 242, 245 f = SozR 2200 § 1248 Nr 36).
Durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegt das Urteil des LSG jedoch insoweit, als es der Betätigung der Klägerin als Ortsvorsteherin und Ehrenbeamtin die Merkmale eines sozialrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses allgemein abspricht, weil sie „vorrangig anderen als Erwerbszwecken” diene. Zwar hat das BSG in bestimmten Zusammenhängen ausgesprochen, ein öffentlich-rechtliches Sonderrechtsverhältnis könne durch seine spezielle Zielsetzung und Ausrichtung derart gekennzeichnet sein, daß diesem das sozialrechtliche Beschäftigungsverhältnisse kennzeichnende wirtschaftliche Austauschverhältnis nicht mehr eigen sei (BSG SozR 4100 § 101 Nr 7; BSGE 81, 162, 166 = SozR 3-4100 § 168 Nr 21). Dieser Gesichtspunkt darf aber nicht dahin verallgemeinert werden, daß dem Gemeinwohl verpflichtete Betätigungen unabhängig von ihrer rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung nicht die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses aufweisen und die entsprechenden sozialrechtlichen Rechtsfolgen auslösen könnten. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, daß ein Beamtenverhältnis als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis zugleich die eingangs erörterten Merkmale eines sozialrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses aufweist. Dies gilt für Berufs- und Ehrenbeamte gleichermaßen (BSGE 78, 34, 35 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 mwN). Die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit für Berufsbeamte bestätigen dies; sie wären entbehrlich, wenn nicht ein die Versicherungspflicht grundsätzlich begründendes Beschäftigungsverhältnis bestände.
Auch zu der Frage, inwieweit Ehrenbeamte mit der ihnen zustehenden Aufwandsentschädigung Arbeitsentgelt erhalten, hat das BSG wiederholt Stellung genommen. Der für das Beitragsrecht zuständige 12. Senat des BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, Ehrenbeamte erhielten Entgelt, wenn sie über Repräsentationsfunktionen hinaus dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten (BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 mwN). Allerdings hat die Rechtsprechung bisher keinen Anlaß gehabt, die Merkmale von Repräsentationsfunktionen im Unterschied zu Verwaltungsaufgaben näher zu erläutern (zu diesem vielschichtigen und schwer zu fassenden Begriff statt vieler: Leibholz, „Repräsentation” in: Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl, 1987). Die Unterscheidung geht auf ein Urteil des 3. Senats vom 21. Januar 1969 (Breithaupt 1969, 823) zurück, das als Beispiel für Repräsentationsfunktionen die Rechtsstellung des Bürgermeisters als Ratsvorsitzenden nach der britischen Ratsverfassung genannt hat. Dies deutet darauf hin, unter Repräsentationsfunktionen nur solche Aufgaben zu verstehen, die der Bürgermeister in seiner Rolle als Vorsitzender und Mitglied des Rats wahrzunehmen hat. Auch nach der britischen Ratsverfassung war er im übrigen mit Verwaltungsaufgaben betraut, weil Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, nur in schriftlicher Form gemeinsam vom Ratsvorsitzenden und Gemeindedirektor abgegeben wirksam waren (§ 63 Abs 2 Niedersächsische Gemeindeordnung in der bis 1996 geltenden Fassung). Eine dem Mitglied einer kommunalen Vertretungskörperschaft vergleichbare Rechtsstellung hatte die Klägerin als Ortsvorsteherin nach § 76 Abs 1 Rheinland-Pfälzische Gemeindeordnung nicht. Ortsvorsteher sind nach dieser Vorschrift nicht notwendig Ratsmitglieder. Vielmehr werden sie „vom Ortsbeirat aus den wahlberechtigten Bürgern des Ortsbezirks gewählt”. Die Belange des Ortsbezirks haben sie auch nur intern „gegenüber den Organen der Gemeinde” zu vertreten. Überdies können der Bürgermeister und die zuständigen Beigeordneten dem Ortsvorsteher in Einzelfällen bestimmte Aufträge erteilen. Das dürfte dafür sprechen, die Betätigung einer Ortsvorsteherin als Verwaltungstätigkeit zu qualifizieren. Für die Anwendung des § 115 Abs 1 AFG bedeutet dies, daß die der Klägerin als Ortsvorsteherin gezahlte Aufwandsentschädigung nur insoweit kein Entgelt darstellt, als sie dazu dient, durch das Ehrenamt bedingte tatsächliche Aufwendungen auszugleichen. Sofern die Klägerin nicht höheren Aufwand für ihr Ehrenamt nachweist, wird die Aufwandsentschädigung danach als Arbeitsentgelt anzusehen sein, soweit sie die Steuerpflicht begründet (BSG Breithaupt 1969, 823, 824; BSGE 78, 34, 39 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 mwN).
Der Qualifikation des steuerpflichtigen Teils der Aufwandsentschädigung als Arbeitsentgelt steht das Verbot der Dienstvergütung und Versorgung von Ehrenbeamten (§ 115 Abs 2 Beamtenrechtsrahmengesetz) nicht entgegen. Im Hinblick auf dieses Verbot hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, die an Ehrenbeamte gezahlte Aufwandsentschädigung sei kein Einkommen iS der Ruhensregelung von Versorgungsbezügen (BVerwGE 95, 208, 211). Die Unzulässigkeit der Alimentation und Versorgung von Ehrenbeamten (BSGE 66, 150, 155 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 1; BVerwGE 95, 208, 211) läßt einen zwingenden Schluß auf den mangelnden Entgeltcharakter solcher Aufwandsentschädigungen nicht zu. Für das Sozialrecht enthält § 14 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) eine eigenständige Regelung, die als Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden oder ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden, erfaßt. Diese – unmittelbar nur für die Sozialversicherung geltende – Vorschrift hat das BSG über die auf die Beitragspflicht beschränkte Verweisungsvorschrift des § 173 a AFG hinaus auch auf das Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung entsprechend angewendet, soweit ausdrückliche Regelungen oder die Eigenart dieses Rechtsgebiets dem nicht entgegenstehen (BSGE 63, 149, 151 = SozR 4100 § 112 Nr 38; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 28 mwN). Auch für die Alhi kann nichts anderes gelten. Abgesehen von der allgemeinen Verweisung des § 134 Abs 4 Satz 1 AFG auf die Vorschriften für das Arbeitslosengeld ist gerade der Bezugnahme des § 138 Abs 1 Nr 1 AFG auf die Anrechnungsregelung des § 115 AFG zu entnehmen, daß in diesem Zusammenhang Besonderheiten der Alhi einer entsprechenden Anwendung für das Arbeitslosengeld geltender Regelungen nicht entgegenstehen. Soweit der 4. Senat des BSG es als fernliegend angesehen hat, die Aufwandsentschädigung oder einen Teil hiervon wie Arbeitsentgelt zu behandeln, hat er dies mit Besonderheiten des von ihm zu beurteilenden Sachverhalts und des Zwecks der Hinzuverdienstgrenze für Bezieher des Altersruhegeldes begründet (BSGE 66, 150, 154, 156 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 1). Der Senat ist danach nicht gehindert, der Rechtsprechung des BSG zum Beitrags- und Leistungsrecht zu folgen, die Aufwandsentschädigungen von Ehrenbeamten insoweit als Arbeitsentgelt ansieht, als diese die Steuerpflicht begründen (vgl auch: BSGE 78, 34, 38 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5).
Das LSG hat – nach der von ihm vertretenen Rechtsansicht folgerichtig – Feststellungen zur zeitlichen Inanspruchnahme der Klägerin durch das Ehrenamt und zu einer kurzzeitigen Beschäftigung während des Bemessungszeitraums, die zur Anwendung des § 115 Abs 2 AFG führen könnte, nicht getroffen. Angesichts der vielfältigen Aktivitäten der Klägerin stellt sich unabhängig von ihrer entgeltlichen Beschäftigung die Frage, ob sie während des Leistungszeitraums tatsächlichen oder rechtlichen Bindungen unterlag, die ihre Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung beeinträchtigen oder ausschließen könnten. Auch reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus, um die Ermittlung des Zahlbetrags der Alhi rechtlich zu überprüfen. Da das BSG revisionsrechtlich gehindert ist, die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen zu treffen, ist das Urteil des LSG einschließlich seiner tatsächlichen Feststellungen aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das LSG zurückzuverweisen.
Fundstellen
HFR 2000, 306 |
NVwZ 1999, 455 |
NZS 1999, 151 |
SozR 3-4100 § 138, Nr.11 |