Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Antragspflichtversicherung. Selbstständiger. Beratungsfehler der Krankenkasse. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (amtlich)
Die Krankenkasse verletzt ihre gegenüber dem Bürger obliegenden Hinweispflichten, wenn sie einen Auskunft- und Ratsuchenden nicht an den Rentenversicherungsträger verweist, obwohl sich im Gespräch ein dringender rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf ergibt. In einem solchen Fall muss sich der Rentenversicherungsträger den Fehler der Krankenkasse zurechnen zu lassen.
Normenkette
SGB VI § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1999-03-24, § 241 Abs. 2 S. 1, § 4 Abs. 2, § 197; SGB I §§ 14-15; SGB X § 27
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. November 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch deren außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin rückwirkend zur Antragspflichtversicherung und Nachzahlung von Beiträgen zuzulassen und ihr vorbehaltlich entsprechender Beitragszahlungen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren ist.
Die Klägerin ist 1950 im heutigen Polen geboren und lebt seit November 1984 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war zuletzt bis Mai 1997 als Altenpflegerin versicherungspflichtig beschäftigt und betrieb ab 22. September 1997 zusammen mit ihrer Schwägerin einen Waschsalon mit Heißmangel. Seit Februar 1999 arbeitete sie nicht mehr im Betrieb mit, sondern war nur noch Teilhaberin. Von September 1999 bis Februar 2000 war sie geringfügig beschäftigt. Vom 1. März bis 18. Oktober 2000 sind auf ihrem Versicherungskonto Pflichtbeiträge auf Grund von Leistungen nach dem Arbeitsförderungsrecht verbucht.
Den im November 1999 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2000 ab, weil die Klägerin zwar als Altenpflegerin nur noch untervollschichtig arbeiten könne, aber noch in der Lage sei, körperlich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) nach weiterer medizinischer Sachverhaltsaufklärung mit Urteil vom 16. Juli 2002 abgewiesen. Es hat ausgeführt, bei der Klägerin sei Erwerbsunfähigkeit ab 29. November 2000 gegeben; bezogen auf diesen Zeitpunkt habe sie jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin vorgetragen, sie sei nach Ende ihrer Tätigkeit als Altenpflegerin 1997 vorübergehend arbeitslos gemeldet gewesen und habe Arbeitslosengeld bezogen. Auf Grund ihrer gesundheitlichen Probleme und ihres Alters habe ihr jedoch keine Arbeitsstelle vermittelt werden können. Sie habe sich daraufhin entschlossen, zusammen mit ihrer Schwägerin einen Waschsalon zu eröffnen. Sie habe das Arbeitsamt davon unterrichtet und sich ua über die Möglichkeit der Zahlung von Überbrückungsgeld erkundigt. Dies sei im Hinblick darauf, dass das der Arbeitsverwaltung dafür zur Verfügung stehende Budget bereits für 1997 und 1998 ausgeschöpft gewesen sei, abgelehnt worden. Bezüglich der rentenrechtlichen Fragen habe man sie an die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) verwiesen. Sie habe sich daraufhin zunächst telefonisch an die AOK gewandt. Wenige Tage nach Eröffnung der Wäscherei seien sie und ihre Schwägerin von der Mitarbeiterin der AOK N…, Frau S…, aufgesucht worden. Man habe von ihr darüber informiert werden wollen, welche Versicherungen jetzt benötigt würden. Frau S… habe die Höhe der Beiträge bei der AOK mitgeteilt und ein Formular ausgefüllt, das unterschrieben worden sei. Sie, die Klägerin, habe geglaubt, damit seien alle versicherungsrechtlichen Fragen erledigt. Bezüglich der Rentenversicherung seien keine Hinweise erfolgt; es sei nicht einmal darauf hingewiesen worden, dass man sich diesbezüglich mit dem Rentenversicherungsträger in Verbindung setzen solle. In diesem Sachverhalt liege ein Verstoß gegen Beratungspflichten, den sich die Beklagte zurechnen und deswegen eine Nachzahlung von Beiträgen zur Pflichtversicherung als Selbstständige zulassen müsse. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klägerin persönlich angehört und ihre Schwägerin sowie Frau S… als Zeuginnen vernommen und Steuerbescheide des Finanzamts N… sowie Unterlagen der AOK beigezogen. Mit Urteil vom 19. November 2003 hat es das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen zur Antragspflichtversicherung für die Zeit vom 22. September 1997 bis zum 31. Januar 1999 zuzulassen und ihr vorbehaltlich der Beitragszahlung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Dezember 2000 zu gewähren. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, die Erkrankungen ihres linken Kniegelenks erlaubten nicht mehr, Wegstrecken von mehr als 50 bis 100 Meter zurückzulegen. Seit wann sich ihr Gesundheitszustand in dieser Weise verschlechtert habe, lasse sich nicht mehr definitiv feststellen; jedoch lägen die beschriebenen Einschränkungen sicher ab dem Zeitpunkt der bei ihr durchgeführten Arthroskopie, dem 29. November 2000, vor. Da die Klägerin auch nicht über einen Führerschein und ein Kraftfahrzeug verfüge, habe sie keine Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen; sie sei iS des hier einschlägigen § 44 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung erwerbsunfähig. Ausgehend vom Eintritt des Versicherungsfalls am 29. November 2000 erfülle die Klägerin die Wartezeit, und unter der Bedingung, dass sie die Beiträge als antragspflichtversicherte Selbstständige für die Zeit vom 22. September 1997 bis zum 31. Januar 1999 nachzahle, auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Nr 2 SGB VI. Auf ihrem Versicherungskonto seien in der Zeit vom 29. November 1995 bis 28. November 2000 bereits 32 Monate Pflichtbeiträge verbucht. Darüber hinaus sei sie nach § 4 Abs 2 SGB VI idF vom 15. Dezember 1995 (gültig vom 1. Januar 1996 bis zum 6. April 2001) versicherungspflichtig. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die selbstständige Tätigkeit in der Zeit vom 22. September 1997 bis zum 31. Januar 1999 nur geringfügig gewesen sei. Die Klägerin habe zwar im September 1997 keinen Antrag auf Zulassung zur Pflichtversicherung als Selbstständige gestellt, sie sei jedoch nach den Grundsätzen des so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nachträglich zur Antragspflichtversicherung zuzulassen. Dass sie 1997 nicht direkt bei der Beklagten um Beratung nachgesucht habe, sei ohne Bedeutung; ein Herstellungsanspruch könne auch auf Fehlern anderer Behörden beruhen, wenn diese es versäumt hätten, jemanden, der sich in einer Sozialrechtsangelegenheit an sie gewandt habe, auf sich aufdrängende Nachteile in anderen Rechtsbereichen zumindest hinzuweisen. Einer anderen als der zur Entscheidung über die begehrte Leistung befugten Behörde könne eine Beratungspflicht, deren Verletzung zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch führe, dann obliegen, wenn die andere Behörde vom Gesetzgeber im Sinne einer Funktionseinheit “arbeitsteilig” in das Verfahren eingeschaltet sei; ferner sei eine dem zuständigen Leistungsträger zurechenbare Beratungspflicht einer anderen Behörde anzunehmen, wenn die Zuständigkeitsbereiche beider Stellen materiell-rechtlich eng miteinander verknüpft seien, die andere Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt auf Grund eines bestehenden Kontakts der aktuelle “Ansprechpartner” des Versicherten sei und die Behörde auf Grund der ihr bekannten Umstände erkennen könne, dass bei dem Versicherten im Hinblick auf das andere sozialrechtliche Gebiet ein dringender Beratungsbedarf bestehe. Eine solche Fallkonstellation liege hier vor; denn die Klägerin habe sich auf Anraten des Arbeitsamts auch hinsichtlich der rentenversicherungsrechtlichen Fragen an die Mitarbeiterin der AOK gewandt. Die Anhörung der Klägerin und die Einvernahme der Zeuginnen habe ergeben, dass es der Klägerin bei dem Gespräch mit Frau S… nicht nur um den Abschluss einer Krankenversicherung gegangen sei, sondern allgemein um die Klärung der versicherungsrechtlichen Fragen in Zusammenhang mit der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Sie habe sich an die AOK gewandt, weil sie davon ausgegangen sei, dass sie dort allgemein in versicherungsrechtlichen Fragen beraten werde. Weder die Klägerin noch ihre Schwägerin hätten Frau S… speziell nach ihren Absicherungsmöglichkeiten im Bereich der Rentenversicherung gefragt, jedoch sei das Beratungsbedürfnis der Klägerin in allen versicherungsrechtlichen Fragen klar zu Tage getreten und hätte zu einer spontanen Beratung auch hinsichtlich versicherungsrechtlicher Aspekte in der gesetzlichen Rentenversicherung veranlassen müssen, wenigstens zu dem Hinweis, dass auch in dieser Hinsicht etwas unternommen werden und die Klägerin sich deswegen an den Rentenversicherungsträger wenden solle. Dies umso mehr, als Frau S… die Klägerin bereits vor dem Gespräch gekannt und gewusst habe, dass diese ihre Tätigkeit als Altenpflegerin aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben gehabt habe, und somit schlechterdings nicht davon habe ausgehen können, dass bei der Klägerin der Eintritt einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung erst in ferner Zukunft zu erwarten sei. Vielmehr habe es sich ihr aufdrängen müssen, dass die Klägerin auch im Hinblick auf einen in naher Zukunft durchaus möglichen Eintritt von Erwerbsunfähigkeit im Bereich der Rentenversicherung der Absicherung bedürfe. Der Beratungsfehler der AOK sei auch ursächlich dafür, dass die Klägerin nicht bereits zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit einen Antrag nach § 4 Abs 2 SGB VI gestellt habe. Die Klägerin habe nicht bewusst auf ihr Antragsrecht verzichtet. Es sei glaubhaft und nachvollziehbar und entspreche auch durchaus allgemeiner Lebenserfahrung, dass die Klägerin, nachdem zuvor ausführlich mit Frau S… gesprochen worden sei, das ihr zur Unterschrift vorgelegte Formular nicht mehr durchgelesen und in der ihr Mitte Oktober 1997 zugegangenen Anmeldebestätigung der AOK wahrscheinlich nur die Bestätigung ihres Antrags und dessen, was damals vereinbart worden sei, gesehen habe. Es sei auch davon auszugehen, dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung in der Lage gewesen wäre, Beiträge als Selbstständige zu entrichten; zwar habe sie selbst 1997 ein negatives Einkommen gehabt, die Beiträge hätten jedoch aus dem positiven Einkommen ihres Ehemanns aufgebracht werden können.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung und von § 4 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB VI. Zur Begründung trägt sie vor, entgegen der Auffassung des LSG könne die Klägerin nicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nachträglich zur Antragspflichtversicherung zugelassen werden. Es fehle bereits an der Verletzung einer Beratungspflicht. Das LSG verkenne den Umfang der sich aus § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ergebenden behördlichen Beratungspflicht. Diese beschränke sich auf solche Gestaltungsmöglichkeiten, deren Wahrnehmung offensichtlich und so zweckmäßig sei, dass jeder verständige Sozialleistungsberechtigte sie mutmaßlich nutzen werde. Derartige Feststellungen habe das LSG hinsichtlich der Antragspflichtversicherung nicht getroffen. Da diese den Versicherten mit erheblichen Nachteilen und Risiken belaste – im Unterschied zur freiwilligen Versicherung könne er das Versicherungsverhältnis nicht nach freiem Belieben beenden und habe auch hinsichtlich der Höhe des Beitrags nur eine eingeschränkte Wahlmöglichkeit – könne nicht unterstellt werden, dass jeder verständige Versicherte eine derartige Gestaltungsmöglichkeit nutzen werde. Insoweit sei daher der Sachverhalt weiter aufzuklären. Auch sei zu beachten, dass die Klägerin nicht durch einen zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung beraten worden sei. Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) davon auszugehen, dass sich die behördliche Beratungspflicht nach § 14 Abs 1 SGB I grundsätzlich nicht nur auf den eigenen Zuständigkeitsbereich beschränke, sondern auch angrenzende Rechtsgebiete erfasse; eine zuständigkeitsüberschreitende Beratungspflicht könne aber nur für solche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, die so gebräuchlich seien, dass sie einem Mitarbeiter des Zuständigkeitsbereichs bekannt sein könnten. Dies könne im Verhältnis der Krankenversicherung zur Rentenversicherung nur hinsichtlich der Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung angenommen werden. Die Antragspflichtversicherung stelle eine derart selten genutzte Gestaltungsmöglichkeit dar, dass von einem Mitarbeiter einer Krankenkasse deren Kenntnis ohne fachspezifische Ausbildung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erwartet werden könne. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen seien auch keine hinreichende Grundlage für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem aus seiner Sicht vorliegenden Beratungsfehler und der unterbliebenen Beantragung einer Antragspflichtversicherung durch die Klägerin. Es habe nur festgestellt, die Klägerin sei dazu in der Lage gewesen, die erforderlichen Beiträge aufzubringen. Der Frage, ob die Klägerin sich auch in Kenntnis der damit verbundenen Nachteile und Risiken für die Antragspflichtversicherung entschieden hätte, sei das LSG nicht nachgegangen. Auch insoweit sei eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich. Entgegen der Auffassung des LSG sei der Beratungsfehler der AOK ihr – der Beklagten – aber auch nicht zuzurechnen. Bis zum Urteil seines 13. Senats vom 22. Oktober 1996 (13 RJ 69/95 – SozR 3-1200 § 14 Nr 22) habe das BSG die Auffassung vertreten, dass ein Sozialleistungsträger nur dann für den Beratungsfehler eines anderen Sozialleistungsträgers einstehen müsse, wenn der andere Sozialleistungsträger durch den Gesetzgeber im Sinne einer Funktionseinheit arbeitsteilig in das Verwaltungsverfahren eingeschaltet gewesen sei; eine derartige Funktionseinheit sei hier zweifellos nicht gegeben. Der Auffassung des 13. Senats, dass ein Sozialleistungsträger bereits dann für den Beratungsfehler eines anderen Sozialleistungsträgers in Haftung genommen werden könne, wenn die Zuständigkeitsbereiche beider Sozialleistungsträger materiell-rechtlich eng verknüpft seien, sei nicht zuzustimmen. In Anbetracht des Umstands, dass die Zuständigkeitsbereiche aller Sozialversicherungsträger materiell-rechtlich eng miteinander verknüpft seien, führe diese Rechtsprechung zu einer unbegrenzten wechselseitigen Einstandspflicht der Sozialversicherungsträger für Beratungsfehler. Die Zurechnung des Verhaltens eines Dritten, auf dessen Verhalten diejenige Person, der das Verhalten zugerechnet werden solle, keinerlei Einfluss habe, sei aber in einer rechtsstaatlichen Ordnung grundsätzlich ein Fremdkörper und mit der einfachgesetzlichen Grundentscheidung für ein gegliedertes Sozialversicherungssystem nicht vereinbar. Schließlich stehe einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entgegen, dass die Klägerin den ihr entstandenen Schaden grob fahrlässig mitverursacht habe, indem sie die Anmeldung zur Krankenversicherung ohne vorheriges Durchlesen unterschrieben habe. Denn damit habe sie die im rechtsgeschäftlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt. Ob die Annahme des Berufungsgerichts zutreffe, dass es allgemeiner Lebenserfahrung entspreche, dass Formulare ohne vorheriges Durchlesen unterschrieben würden, könne daher dahin stehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. November 2003 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 16. Juli 2002 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und trägt ergänzend vor: Maßstab für die Beurteilung der Beratungspflicht sei hier § 15 SGB I, der eine konkrete Auskunftsverpflichtung insbesondere der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung über alle sozialen Angelegenheiten nach diesem Gesetzbuch normiere. Die Auskunftspflicht erstrecke sich nach § 15 Abs 2 SGB I auf alle Sach- und Rechtsfragen, die für die Auskunftsuchenden von Bedeutung sein könnten und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle im Stande sei. Das Berufungsgericht habe auch hinreichende Feststellungen für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Beratungsfehler und der unterbliebenen Beantragung einer Pflichtversicherung getroffen. Nach der Mitteilung der Zeugin S… bei ihrer Vernehmung enthielten zwischenzeitlich die Bearbeitungsformulare der AOK einen damals noch nicht üblichen entsprechenden Verweis an den Rentenversicherungsträger; dies sei allerdings im Protokoll über die Vernehmung der Zeugin nicht festgehalten. Aus diesem Grund habe das LSG auf Antrag/Anregung des Prozessvertreters der Beklagten die Antragsformulare und Akten der AOK beigezogen. Da sie – die Klägerin – auf Grund ihres Alters und angegriffenen Gesundheitszustands nicht damit gerechnet habe, eine Arbeitsstelle vermittelt zu bekommen, habe sie damals die so genannte “Ich-AG” vorweggenommen und als Alternative zur Arbeitslosigkeit die Selbstständigkeit als Inhaberin einer Wäscherei gewählt. Sie habe aber keinesfalls ihre sozialversicherungsrechtliche Absicherung, insbesondere in rentenversicherungsrechtlicher Hinsicht, schmälern wollen. So wie sie auf Hinweis des Arbeitsamts die Beratung der AOK in Anspruch genommen habe, wäre sie bei einem entsprechenden Hinweis auch der Beratung und Empfehlung der Beklagten gefolgt, zumal sie finanziell mit Hilfe ihres Ehemanns dazu in der Lage gewesen wäre. Dass ein Herstellungsanspruch gegen die zur Entscheidung berufene Behörde auch gegeben sein könne, wenn die rechtswidrige Handlung oder Unterlassung, die zu Nachteilen für den Versicherten geführt habe, einer anderen Behörde zuzurechnen sei, habe auch nicht nur der 13. Senat des BSG anerkannt. Diese Rechtsprechung führe schon deshalb nicht zu der von der Beklagten befürchteten praktisch unbegrenzten wechselseitigen Einstandspflicht der Sozialversicherungsträger für Beratungsfehler, weil nur die Krankenkassen gemäß § 15 SGB I die besondere Auskunftsverpflichtung neben den nach Landesrecht zuständigen Stellen und den zuständigen Leistungsträgern zu erfüllen hätten. Hinzu komme im vorliegenden Fall, dass die AOK-Mitarbeiterin trotz ihrer Kenntnisse der sozialversicherungsrechtlich relevanten Verhältnisse – nämlich die 1984 erfolgte Übersiedlung aus Polen, die versicherungspflichtige Beschäftigung bis 1997, häufige Arbeitsunfähigkeit und schließlich Arbeitslosigkeit – nur eine freiwillige Krankenversicherung verkauft habe, ohne auf die nahe liegenden rentenversicherungsrechtlichen Fragen zumindest durch Verweis an den Rentenversicherungsträger hinzuweisen. Aus diesem Grunde könne bei ihr – der Klägerin – auch kein grob fahrlässiges Verhalten und keine Mitverursachung angenommen werden; sie habe sich auf ihre bekannte AOK-Sachbearbeiterin “blind” verlassen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Dezember 2000, wenn sie Pflichtbeiträge für die Zeit ihrer selbstständigen Tätigkeit nachzahlt, weil sie für die Dauer ihrer selbstständigen Tätigkeit im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als Antragspflichtversicherte zu behandeln und zur Nachzahlung von Pflichtbeiträgen für diese Zeit zuzulassen ist.
1. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, richtet sich der Rentenanspruch der Klägerin nach § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung des SGB VI (§ 300 Abs 1 iVm Abs 2 SGB VI). Nach § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie erwerbsunfähig sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit verlängert sich nach § 44 Abs 4 iVm § 43 Abs 3 SGB VI um 1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, soweit während dieser Zeiten eine selbstständige Tätigkeit nicht ausgeübt worden ist, die mehr als geringfügig war, und 3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nr 1 oder 2 liegt; für alle genannten Zeiten gilt, dass sie nicht auch Pflichtbeitragszeiten sein dürfen. Nach der Sonderregelung in § 241 Abs 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt oder wenn die Erwerbsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Ergänzend dazu bestimmt § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI, dass für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich ist.
a) Von den Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB VI hat die Klägerin nur die nach Nr 1 und 3 erfüllt. Nach den Feststellungen, die das LSG zum Leistungsvermögen und zum Versicherungsverlauf der Klägerin getroffen hat, ist diese seit dem 29. November 2000 erwerbsunfähig und hat auch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB VI) erfüllt, jedoch in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nur 32 Monate mit Pflichtbeiträgen. Diese Feststellungen sind nicht – auch nicht in Form von Gegenrügen der Klägerin – mit Verfahrensrügen angegriffen und damit nach § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für das BSG bindend. Nach den Feststellungen des LSG lässt sich der Fünf-Jahres-Zeitraum vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit auch nicht durch Zeiten iS des § 43 Abs 3 SGB VI so erweitern, dass er vier weitere Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit umfassen würde. Auch ist die Erwerbsunfähigkeit nicht auf Grund eines Tatbestandes eingetreten, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig als erfüllt gilt (§ 44 Abs 4, § 43 Abs 4, § 53 SGB VI).
b) Die Voraussetzungen des § 241 Abs 2 Satz 1 SGB VI sind ebenfalls nicht erfüllt. Das LSG hat diesen Sondertatbestand zwar nicht geprüft. Aus dem Versicherungsverlauf der Klägerin, als Anlage 2 dem Bescheid vom 15. Februar 2000 (Bl 191 ff der Verwaltungsakten der Beklagten) beigefügt sowie unter dem 14. August 2003 aktualisiert und dem LSG vorgelegt (Bl 298 ff LSG-Akten), ergibt sich jedoch, dass in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Oktober 2000 nicht jeder Kalendermonat mit Zeiten belegt ist, die als Anwartschaftserhaltungszeiten nach § 240 Abs 2 Nr 1 bis 6 SGB VI in Betracht kommen. Lücken sind auch nicht erst für die Zeit der hier in Rede stehenden selbstständigen Tätigkeit vorhanden, sondern auch schon vom 1. Januar bis 30. November 1984 und vom 1. August 1985 bis 30. April 1991. § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI hilft nicht weiter. Die Fristen für eine wirksame Entrichtung freiwilliger Beiträge (gemäß § 1418 Abs 1 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ bis zum Ablauf des Jahres, für das sie gelten sollen, bzw gemäß § 197 Abs 2 SGB VI bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen) waren zum Zeitpunkt des Rentenantrags im November 1999 sämtlich abgelaufen. Dass die Aufrechterhaltung der Rentenanwartschaft durch freiwillige Beiträge vor dem hier streitigen Zeitraum infolge eines Beratungsfehlers unterblieben sein könnte, ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich; demzufolge sind die Voraussetzungen des § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI auch in Verbindung mit einem Herstellungsanspruch (vgl dazu Senatsurteil vom 24. März 1994 – 5 RJ 20/93 – SozR 3-2600 § 241 Nr 1 sowie BSG Urteil vom 16. Juni 1994 – 13 RJ 67/93 – SozR 3-2600 § 240 Nr 2) nicht gegeben.
2. Es kommt daher hier allein darauf an, ob die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI dadurch erfüllen kann, dass sie noch Pflichtbeiträge nachzahlt. Dies setzt an sich voraus, dass in der Zeit, für die die Pflichtbeiträge gezahlt werden sollen, Versicherungspflicht bestanden hat, was hier nicht der Fall war.
Es besteht keinerlei Anhalt dafür, dass bei der Klägerin während ihrer selbstständigen Tätigkeit einer der Tatbestände des § 2 SGB VI erfüllt gewesen sein könnte; Versicherungspflicht kam für sie daher in dieser Zeit nur in Form der Pflichtversicherung auf Antrag nach § 4 Abs 2 SGB VI in Betracht. Danach sind Personen, die nicht nur vorübergehend selbstständig tätig sind, versicherungspflichtig, wenn sie die Versicherungspflicht innerhalb von fünf Jahren nach der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit oder dem Ende einer Versicherungspflicht auf Grund dieser Tätigkeit beantragen.
Wie sich aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG ergibt und von den Beteiligten auch unbestritten ist, waren bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine Antragspflichtversicherung gemäß § 4 Abs 2 SGB VI an sich gegeben; jedoch hat sie den erforderlichen Antrag nicht gestellt. Der Antrag kann nicht mehr nachgeholt werden; denn er ist für diese Art von Versicherung konstitutiv: Nach § 4 Abs 4 SGB VI beginnt die Versicherungspflicht auf Antrag mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt, frühestens jedoch mit dem Tag, an dem die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 SGB VI eingetreten sind. Ein erst nach Beendigung der selbstständigen Tätigkeit gestellter Antrag kann mithin nicht mehr zu einer Versicherungspflicht für die selbstständige Tätigkeit führen.
Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist für eine im September 1997 oder zu einem späteren Zeitpunkt vor Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit beginnende Antragspflichtversicherung scheidet aus. Zwar erfasst die Regelung des § 27 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch materiell-rechtliche Fristen, wie das bei der Frist zur Begründung einer Antragspflichtversicherung der Fall ist. Nach § 27 Abs 5 SGB X ist eine Wiedereinsetzung jedoch nicht zu gewähren, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen sein soll.
Es kann hier dahinstehen, ob mit der wohl herrschenden Auffassung, zu der auch der Senat neigt, von einem Ausschluss der Wiedereinsetzung für die in § 4 Abs 2 SGB VI genannte Antragsfrist auszugehen ist (Verbandskomm, § 27 SGB X RdNr 10, Stand Januar 1987; Gürtner in Kasseler Komm, § 4 SGB VI, Anm 6, Stand August 2001; Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB VI-Komm, K § 4 RdNr 61, Stand März 2004; ebenso BSG Urteile vom 8. März 1979 – 12 RK 27/77 – SozR 2200 § 1227 Nr 25, S 60 f ≪zur Antragspflichtversicherung für Selbstständige nach § 2 Abs 1 Nr 11 iVm Art 2 § 1a AnVNG≫ und vom 25. August 1993 – 13 RJ 43/92 – SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 7, S 30; erwogen in BSG Urteil vom 11. Mai 2000 – B 13 RJ 85/98 R – BSGE 86, 153, 162 = SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 18, S 66, offen gelassen in BSG Urteil vom 17. Mai 2001 – B 12 RJ 1/01 R – SozR 3-2600 § 197 Nr 2, S 7). Selbst wenn die Wiedereinsetzung nicht ausgeschlossen sein sollte, wären ihre Voraussetzungen hier nicht gegeben.
Die Gewährung von Wiedereinsetzung setzt einen entsprechenden Antrag voraus bzw, dass die versäumte Handlung innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt ist. Wiedereinsetzung kann ferner nicht mehr beantragt und die versäumte Handlung kann nicht mehr nachgeholt werden, wenn seit Ablauf der Antragsfrist mehr als ein Jahr vergangen ist, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt nicht möglich (§ 27 Abs 3 SGB X) war. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung bzw auf Pflichtversicherung hat hier erst mit der Berufungsbegründung im März 2003 vorgelegen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere Jahre seit Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin vergangen. Höhere Gewalt iS des § 27 Abs 3 SGB X bedeutet ein objektives, unverschuldetes Zahlungshindernis bei vorhandenem Zahlungswillen und ist gegeben bei außergewöhnlichen Ereignissen, die nach den Umständen des Einzelfalls auch bei größter, vernünftigerweise zumutbarer Sorgfalt nicht abgewendet werden konnten; jedes eigene Verschulden schließt höhere Gewalt aus (zum Ganzen BSG Urteile vom 11. Mai 2000 – B 13 RJ 85/98 R – BSGE 86, 153, 161 = SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 18, S 65 mwN und vom 10. Dezember 2003 – B 9 VJ 2/02 R – BSGE 92, 34 = SozR 4-3100 § 60 Nr 1, jeweils RdNr 23). War aber die Klägerin, wie sie selbst vorträgt, im Glauben, dass sie mit ihren Beitragszahlungen an die Krankenkasse auch in der Rentenversicherung versichert war, so scheidet eine Wiedereinsetzung wegen höherer Gewalt bereits wegen eines fehlenden Zahlungswillens aus. Im Übrigen traf sie an der Fehleinschätzung hinsichtlich der rentenversicherungsrechtlichen Absicherung ihrer selbstständigen Tätigkeit auch ein Mitverschulden. Bei Durchlesen des ihr von der Sachbearbeiterin der AOK vorgelegten Antragsformulars und der Anmeldebestätigung der AOK über eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung hätte sich ihr zumindest die Notwendigkeit einer Nachfrage aufdrängen müssen, warum dabei die Rentenversicherung nicht erwähnt sei.
3. Die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin nachträglich zur Antragspflichtversicherung zuzulassen, ergibt sich jedoch auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dieses von der Rechtsprechung des BSG ergänzend zu den vorhandenen Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsinstitut tritt – iS des öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs – ein, wenn ein Leistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Rechtsfolgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können (stRspr vgl Senatsurteil vom 5. April 2000 – B 5 RJ 50/98 R – SozR 3-1200 § 14 Nr 29, S 95 mwN; BSG Urteil vom 17. August 2000 – B 13 RJ 87/98 R – veröffentlicht in JURIS). Demgemäß ist ein Herstellungsanspruch von der Rechtsprechung des BSG bejaht worden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: (1) Vorliegen einer Pflichtverletzung, die sich der Sozialleistungsträger im Verhältnis zum Berechtigten zurechnen lassen muss, (2) Eintritt eines rechtlichen Schadens beim Berechtigten, (3) Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt und (4) Möglichkeit der Herstellung des Zustands, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre (stRspr – vgl mwN BSG Urteile vom 26. Januar 2000 – B 13 RJ 37/98 R – SozR 3-5910 § 91a Nr 7, S 37, vom 15. August 2000 – B 9 VG 1/99 R – SozR 3-3100 § 60 Nr 3, S 6 und vom 1. April 2004 – B 7 AL 52/03 R – BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 jeweils RdNr 31).
Dass eine Antragspflichtversicherung im Wege des Herstellungsanspruchs herbeigeführt werden kann, ist durch die Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl BSG Urteil vom 16. Juni 1994 – 13 RJ 25/93 – SozR 3-1200 § 14 Nr 15) und wird von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen. Aber auch die übrigen Voraussetzungen des Herstellungsanspruchs sind hier auf Grund des vom LSG festgestellten Sachverhalts gegeben.
a) Die Pflichtverletzung ist mit dem LSG darin zu sehen, dass die Klägerin durch die von ihr wegen der Absicherung ihrer selbstständigen Tätigkeit in der Kranken- und der Rechtenversicherung angegangene AOK nicht wenigstens darauf hingewiesen wurde, dass sie sich wegen der Fortführung ihres rentenversicherungsrechtlichen Schutzes an die Beklagte wenden solle.
Die Beratungspflicht nach § 14 SGB I bezieht sich auf die Rechte und Pflichten des Bürgers nach dem SGB, wobei der Gegenstand der Beratung durch die Zuständigkeit des Leistungsträgers begrenzt ist. Speziell bei den Krankenkassen ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass ihre gesetzlichen Aufgaben nach dem SGB nicht auf die Durchführung der Krankenversicherung beschränkt sind. Nach § 28h Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sind sie Einzugsstellen für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und haben als solche auch die Aufgabe, über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Arbeitsförderungsrecht zu entscheiden und die Beitragszahlungen zu überwachen. Diese Aufgabe besteht zwar nur bei kraft Gesetzes in der Kranken- oder Rentenversicherung versicherten Beschäftigten und Hausgewerbetreibenden, da nur bei diesen die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung nach § 28d Abs 1 Satz 1 SGB IV als Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt werden. Der Beitragseinzug durch die Krankenkasse bewirkt zugleich, dass sich Versicherte während einer abhängigen Beschäftigung nicht um ihren Versicherungsschutz in der Rentenversicherung kümmern müssen und insofern die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit eine bedeutsame Veränderung mit sich bringt. Des Weiteren sind die Krankenkassen nach § 15 Abs 1 SGB I Auskunftsstellen über alle sozialen Angelegenheiten nach dem SGB. Als solche sind sie verpflichtet, mit den anderen Auskunftsstellen und den anderen Leistungsträgern mit dem Ziel zusammenzuarbeiten, eine möglichst umfassende Auskunftserteilung durch eine Stelle sicherzustellen (§ 15 Abs 3 SGB I). Im Verhältnis zum Auskunftsuchenden erstreckt sich die Auskunftspflicht nach § 15 Abs 2 SGB I auf die Benennung der für die Sozialleistungen zuständigen Leistungsträger sowie auf alle Sach- und Rechtsfragen, die für die Auskunftsuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die um Auskunft angegangene Krankenkasse im Stande ist. Die Auskunftspflicht der Krankenkassen erfasst damit auch Fragen anderer Sozialleistungsbereiche. Insofern kann ein Versicherter, wenn er, wie hier die Klägerin, vom Arbeitsamt wegen rentenversicherungsrechtlicher Fragen an die Krankenkasse verwiesen wird, auch davon ausgehen, dass er dort Antwort auf diese Fragen bekommt.
Auskunft iS des § 15 SGB I bedeutet zwar allgemein nur die Information auf eine gezielte Frage. Bei Erteilung der Auskunft darf sich die Auskunftsstelle aber nicht auf diese formale Position zurückziehen; sie muss sich vielmehr darum bemühen, die Fragen des Auskunftsuchenden unter Berücksichtigung von dessen aktueller Situation zu präzisieren. Ergibt sich dabei ein Beratungsbedarf, tritt neben ihre Auskunftspflicht ihre Beratungspflicht nach § 14 SGB I. Handelt es sich um einen Beratungsbedarf, dem sie nicht entsprechen muss oder kann, so hat sie den Ratsuchenden an den zuständigen Träger zu verweisen (BSG Urteile vom 22. September 1988 – 12 RK 55/86 – SozR 1200 § 14 Nr 29 S 82 und vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 64/93 – SozR 3-2600 § 58 Nr 2 S 6 f). Dabei kann dahinstehen, ob sich diese Pflicht bereits unmittelbar aus dem Gebot möglichst weit gehender Rechtsverwirklichung nach § 2 Abs 2 Halbsatz 2 iVm § 17 Abs 1 SGB I ergibt (so Hauck, SGB I-Komm, K § 14 RdNr 15, Stand Februar 1997) oder aus der allgemeinen Fürsorgepflicht eines jeden Leistungsträgers folgt, die ihm anvertrauten Interessen des Versicherten behutsam zu wahren und dem zu betreuenden Bürger zu den Rechten zu verhelfen, die ihm nach den Gesetzen zustehen (dazu Senatsurteil vom 25. April 1978 – 5 RJ 18/77 – BSGE 46, 124, 126 = SozR 2200 § 1290 Nr 11, S 14 ≪zur Verpflichtung des RV-Trägers zur Aufklärung über die Beanspruchung von flexiblem Altersruhegeld≫ sowie BSG Urteil vom 30. Oktober 2001 – B 3 KR 27/01 R – BSGE 89, 50, 53 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1, S 5 f ≪zur fehlerhaften Beratung durch die Krankenkasse über die Behandlungspflege≫). Die konkreten Pflichten aus §§ 14 bis 17 SGB I sind Ausdruck dieser allgemeinen Pflicht (BSG Urteil vom 26. Oktober 1982 – 12 RK 37/81 – SozR 1200 § 14 Nr 13, S 22 f; Hauck, SGB I-Komm, K § 14 RdNr 3, 4, Schellhorn in Kretschmer/von Maydell/Schellhorn, Gemeinschafts-Komm-SGB I, 3. Aufl 1996, § 14 RdNr 66). Letztere besteht auch in einem Sozialrechtsverhältnis, das gegebenenfalls erst durch das Beratungsersuchen begründet wird (vgl dazu Seewald in Kasseler Komm, § 14 SGB I RdNr 5, Stand März 1995).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist in dem Gespräch, das die Sachbearbeiterin der AOK mit der Klägerin und deren Schwägerin geführt hat, das Beratungsbedürfnis der Klägerin in allen Fragen ihrer versicherungsrechtlichen Absicherung während ihrer selbstständigen Tätigkeit klar zu Tage getreten, auch wenn die Sachbearbeiterin nicht gezielt zu den Möglichkeiten im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung gefragt wurde. Ferner hat die Sachbearbeiterin der AOK um gesundheitliche Probleme der Klägerin gewusst. Sie hat aber von sich aus das Gespräch nicht auf Fragen der weiteren Absicherung in der Rentenversicherung für den Fall der verminderten Erwerbsfähigkeit gebracht; sie hat lediglich einen Formularantrag für eine freiwillige Versicherung in der Krankenversicherung ausgefüllt und von der Klägerin unterschreiben lassen. Auf Grund dieser tatsächlichen Feststellungen, die von der Revision nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen und daher bindend sind, hat das LSG zu Recht einen Verwaltungsfehler der AOK bejaht. Das LSG hat zwar keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Sachbearbeiterin auch wusste, dass für die Klägerin zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in der Rentenversicherung nur eine Antragspflichtversicherung in Betracht kam. Für eine fehlerhafte Verletzung der Auskunfts- und Beratungspflicht reicht indes aus, dass überhaupt nicht auf den erkennbaren Beratungsbedarf der Klägerin auch hinsichtlich deren weiterer Absicherung in der Rentenversicherung eingegangen und der Hinweis unterlassen wurde, dass auch insoweit etwas unternommen werden müsse.
Ohne dass es daher darauf ankäme, ist allerdings der Vortrag der Beklagten, eine Antragspflichtversicherung sei eine so selten genutzte Gestaltungsmöglichkeit, dass sie einem Mitarbeiter der Krankenkasse nicht bekannt sein könne, wenig überzeugend. Die Krankenkassen sind vom Gesetzgeber nicht zuletzt deswegen zu Auskunftsstellen bestimmt worden, weil ihre Mitarbeiter auf Grund ihrer Ausbildung Kenntnisse auch in anderen Sozialleistungsbereichen haben (vgl BT-Drucks 7/868, S 25); die Kenntnis von den ab 1. Januar 1984 eingeführten besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit dürften dazu gehören und auch, dass in diesem Zusammenhang die bereits seit 1972 bestehende Möglichkeit der Antragspflichtversicherung für Selbstständige besondere Bedeutung haben kann, besonders bei Frauen, die häufig keine durchgehenden Erwerbsbiografien und Versicherungsverläufe haben. Kenntnisse über das Vorliegen von Versicherungspflicht und -freiheit, über die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit und den Wegfall der Zuständigkeit für den Einzug der Beiträge für die Rentenversicherung beim Wechsel von einer abhängigen Beschäftigung in eine selbstständige Tätigkeit werden bereits für die Erfüllung der eigenen Aufgaben der Krankenkassen benötigt. Mehr als zehn Jahre nach Einführung des erschwerten Zugangs zur Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit konnte erwartet werden, dass Versicherte, die zunächst beschäftigt sind und sich dann selbstständig machen und dies dem Arbeitsamt und ihrer Krankenkasse mitteilen, von Amts wegen und ohne gezielte Nachfrage Informationen über die Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung des Rentenanwartschaftsrechts erhalten, wie dies nach dem Vortrag der Klägerin offenbar inzwischen der Fall ist.
b) Den Verwaltungsfehler der Krankenkasse muss sich die Beklagte auch zurechnen lassen.
Der Herstellungsanspruch richtet sich zwar grundsätzlich gegen den Leistungsträger, der den falschen Rat erteilt hat, und entfällt, wenn dies nicht auch der Leistungsträger ist, der für die Inanspruchnahme und Gewährung der Rechte und Leistungen zuständig ist. Eine an diese formale Zuständigkeit geknüpfte Verantwortlichkeit nur für eigenes Fehlverhalten darf aber nicht dazu führen, dass die Gliederung der Sozialversicherung dem Bürger zum Nachteil gereicht. Die Rechtsprechung des BSG zum Herstellungsanspruch hat daher vom Grundsatz der Verantwortlichkeit nur für die eigenen Fehler eines Sozialleistungsträgers Ausnahmen für Fallgestaltungen zugelassen, bei denen der fehlerhaft handelnde Leistungsträger mit dem zur Leistung verpflichteten Träger zur gemeinsamen Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe verbunden ist, bei denen eine Mitwirkung und Zusammenarbeit erfordernde Verknüpfung verschiedener Leistungsbereiche oder eine arbeitsteilige Aufteilung einer Aufgabenerfüllung auf mehrere Verwaltungsträger im Sinne einer Funktionseinheit gegeben ist oder bei denen sich aus einem konkreten Verwaltungskontakt zwischen dem Bürger und einem Leistungsträger ein Beratungsbedarf für einen Leistungsbereich außerhalb der Zuständigkeit dieses Leistungsträgers ergibt (BSG Urteile vom 17. Dezember 1980 – 12 RK 34/80 – BSGE 51, 89 = SozR 2200 § 381 Nr 44 und vom 26. Oktober 1982 – 12 RK 37/81 – SozR 1200 § 14 Nr 13 ≪bei unterbliebener Belehrung eines Rentners über die Mitgliedschaft bzw die Befreiungsmöglichkeit in der Krankenversicherung durch den Rentenversicherungsträger≫, vom 24. Juli 1985 – 10 RKg 5/84 – SozR 1200 § 14 Nr 19 ≪bei unterbliebener Aufklärung über einen Kindergeldanspruch durch den Rentenversicherungsträger≫, vom 24. März 1988 – 5/5b RJ 84/86 – SozR 1200 § 14 Nr 28 ≪bei unzureichender Beratung des Arbeitsamts über die Folgen eines Verzichts auf Arbeitslosengeld in der Renten- und Krankenversicherung≫, vom 9. August 1990 – 11 RAr 141/88 – SozR 3-4100 § 105a Nr 2 ≪bei unzureichender Beratung durch den Träger der Renten- oder Krankenversicherung über Nachteile durch Verlust der Anwartschaft für Arbeitslosengeld≫, vom 25. August 1993 – 13 RJ 27/92 – SozR 3-1200 § 14 Nr 9, vom 22. Oktober 1996 – 13 RJ 69/95 – SozR 3-1200 § 14 Nr 22 und vom 17. Mai 2001 – B 12 RJ 1/01 R – SozR 3-2600 § 197 Nr 2 ≪bei unterbliebenem Hinweis auf Verlust bzw notwendige Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit durch das Arbeitsamt≫, vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 64/93 – SozR 3-2600 § 58 Nr 2, S 7 ≪bei unterbliebener zwingend notwendiger Beratung eines anderen Sozialleistungsträgers über Nachteile in der Rentenversicherung≫, vom 26. Januar 2000 – B 13 RJ 37/98 R – SozR 3-5910 § 91a Nr 7 ≪bei verzögerter Weiterleitung eines Rentenantrags durch das Versicherungsamt≫ und vom 30. Oktober 2001 – B 3 KR 27/01 R – BSGE 89, 50, 53 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 ≪bei unterbliebener Beratung durch die Krankenkasse über die Behandlungspflege≫; vgl auch die Darstellungen bei Jung in Festschrift für Gitter, 417, 422 ff und Gagel in SGb 2000, 517, 520 f).
Nach dieser Rechtsprechung ist dem Rentenversicherungsträger der Beratungsfehler eines anderen Sozialleistungsträgers (“Dritten”) jedenfalls dann zurechenbar, wenn sich beim Kontakt des Bürgers mit dem “Dritten” ein rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf zwingend ergibt (BSG Urteil vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 64/93 – SozR 3-2600 § 58 Nr 2, S 7, in dem der 4. Senat für diesen Fall dem Urteil des 13. Senats vom 25. August 1993 ≪13 RJ 27/92 – BSGE 73, 56 = SozR 3-1200 § 14 Nr 9≫ ausdrücklich zugestimmt hat). Ein solcher Ausnahmefall war hier gegeben. Zum einen hatte sich die Klägerin auf Anraten des Arbeitsamts wegen der rentenversicherungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der erstmaligen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit an die Krankenkasse gewandt. Zum anderen war im Hinblick auf die der Sachbearbeiterin der Krankenkasse bekannten gesundheitlichen Probleme der Klägerin auch deren dringendes Interesse offensichtlich, ihre Anwartschaft in der Rentenversicherung für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auch als Selbstständige aufrechtzuerhalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt in einem solchen Fall die Antragspflichtversicherung keineswegs fern. Dass davon möglicherweise nur selten Gebrauch gemacht wird, enthebt die Krankenkasse nicht von der Pflicht, Ratsuchende jedenfalls bei Unkenntnis des genauen Versicherungsverlaufs an die Rentenversicherung zu verweisen, denn unter Umständen kann die Antragspflichtversicherung die einzige Möglichkeit darstellen, weiterhin rentenversichert zu bleiben. Die Seltenheit dieser Form der Versicherung steht schließlich auch nicht dem Anspruch des Ratsuchenden entgegen, darüber informiert zu werden, wenn er sich auf Anraten der Krankenkasse an den Rentenversicherungsträger wendet.
Der Senat lässt dahinstehen, ob nicht auch eine arbeitsteilige Aufgabenerfüllung zwischen Krankenkasse und Rentenversicherungsträger im Hinblick auf das Rentenversicherungsverhältnis vorliegt, bei der die Krankenkasse den Versicherten von sich aus darauf hinweisen muss, dass er für seinen Versicherungsschutz sowohl in der Kranken- als auch in der Rentenversicherung nunmehr allein sorgen muss und welche Möglichkeiten er dazu hat, wenn sie – die Krankenkasse – nicht nur die Abmeldung durch den Arbeitgeber des Versicherten erhält (diese allein begründet noch keine Beratungspflicht – vgl BSG Urteil vom 16. Juni 1994 – 13 RJ 25/93 – SozR 3-1200 § 14 Nr 15, S 42 mwN), sondern zusätzlich Kenntnis vom Wechsel eines von ihr bislang betreuten Versicherten von einer abhängigen Beschäftigung in eine selbstständige Tätigkeit hat. Die Aufgaben von Renten- und Krankenversicherung sind allerdings wesentlich enger miteinander verzahnt als etwa die Aufgaben von Rentenversicherung und Versorgungsverwaltung, bei der das BSG die Frage verneint hat, ob dem Versorgungsträger der unterbliebene Hinweis auf eine mögliche Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz anlässlich der Antragstellung auf Hinterbliebenenrente bei der Rentenversicherung zuzurechnen sei (BSG Urteil vom 15. August 2000 – B 9 VG 1/99 R – SozR 3-3100 § 60 Nr 3).
c) Die Kausalität muss beim Herstellungsanspruch nach der im Sozialrecht herrschenden Kausaltheorie der wesentlichen Bedingung unter Abwägung der vom Sozialleistungsträger und dem Versicherten selbst gesetzten Ursachen geprüft werden (BSG Urteile vom 5. Mai 1988 – 12 RK 44/86 – veröffentlicht in JURIS – und vom 6. März 2003 – B 4 RA 38/02 R – BSGE 91, 1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1, jeweils RdNr 16 und 61). Bei Beachtung dieser rechtlichen Vorgabe begegnet auch die Feststellung des LSG, dass der Anwartschaftsverlust der Klägerin auf dem Beratungsfehler der AOK beruht, keinen durchgreifenden Bedenken.
Ob die Klägerin bei Aufklärung über die Notwendigkeit einer Antragspflichtversicherung zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in der Rentenversicherung die Pflichtversicherung auch beantragt hätte, ist im Wesentlichen eine Frage der von der Tatsacheninstanz zu beurteilenden Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Aussagen, hier der Klägerin und der Zeugin. Diesen hat das LSG entnommen, dass die Klägerin während ihrer selbstständigen Tätigkeit ihren Versicherungsschutz auch in der Rentenversicherung aufrechterhalten und keinesfalls auf ihr Recht auf Antragspflichtversicherung verzichten wollte.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das LSG für den der Klägerin entstandenen Schaden dem Verhalten der Sachbearbeiterin der AOK das größere Gewicht gegenüber dem Verhalten der Klägerin beigemessen hat. Zwar ist es generell vorwerfbar, wenn nach einem Beratungsgespräch ein zur Unterschrift vorgelegtes Antragsformular ohne es durchzulesen unterschrieben und ebenso wie eine danach eingehende Anmeldebestätigung nicht daraufhin überprüft wird, ob sein Inhalt dem Gewollten entspricht. Wie schwer dieser Vorwurf für sich genommen und im Verhältnis zum Fehler der Verwaltung wiegt, hängt jedoch von der konkreten Situation ab. Neben dem Gesprächsverlauf kommt es dabei auf die Fähigkeit der Klägerin an, die Bedeutung des Besprochenen zu erfassen, und auf ihr Vertrauen in die Gesprächspartnerin, dass sie das vorgebrachte Anliegen richtig verstanden und berücksichtigt hat, aber auch auf die an die Sachbearbeiterin der AOK zu stellenden Anforderungen, der Klägerin in der konkreten Situation gerecht zu werden. Dies zu beurteilen, ist Aufgabe der Tatsacheninstanz und auch auf entsprechende Verfahrensrüge vom Revisionsgericht nur begrenzt daraufhin nachprüfbar, ob die Bedeutung der verwendeten Begriffe verkannt, ob Rechtsvorschriften verletzt, gegen allgemeine Bewertungsmaßstäbe oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen worden ist (vgl jeweils mwH BSG Urteile vom 28. November 1978 – 4 RJ 130/77 – BSGE 47, 180 = SozR 2200 § 1301 Nr 8 und vom 18. April 2001 – B 9 VG 3/00 R – BSGE 88, 96, 100 = SozR 3-3800 § 2 Nr 10, S 47 sowie Beschlüsse vom 20. Dezember 2000 – B 11 AL 215/00 B – und vom 27. Februar 2001 – B 7 AL 184/00 B –, jeweils veröffentlicht in JURIS). Die Beklagte hat aber insoweit keine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Das gilt auch, soweit sie vorträgt, das LSG hätte den Sachverhalt hinsichtlich des mutmaßlichen Verhaltens der Klägerin bei vorheriger Beratung weiter aufklären müssen.
Bei einer Rüge von Verfahrensmängeln müssen die Tatsachen, die den Mangel ergeben, bezeichnet werden (§ 164 Abs 2 SGG). Wird eine mangelnde Sachverhaltsaufklärung gerügt, ist darzulegen, warum die Vorinstanz sich zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen, in welche Richtung die Ermittlungen hätten vorgenommen werden müssen und zu welchen Ergebnissen die Ermittlungen geführt hätten, dh welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage 2002, Kap IX RdNr 330; Lüdtke in Binder/Bolay/Castendiek ua, Handkomm-SGG, § 164 RdNr 14, 16 mwN). Dies ist nicht geschehen. An Umständen, die geeignet sein könnten, Zweifel an der Glaubwürdigkeit zu begründen, hat die Beklagte nur allgemeine Gesichtspunkte der mit einer Antragspflichtversicherung verbundenen Risiken und Belastungen in Gestalt der Einschränkungen hinsichtlich der Beendigung der Pflichtversicherung und hinsichtlich der Wahlmöglichkeit bei der Höhe der Beiträge benannt. Selbst wenn diese Umstände seinerzeit allgemein die Bereitschaft zur Antragspflichtversicherung negativ beeinflusst haben sollten, so kommt es doch für den Kausalzusammenhang im vorliegenden Fall allein darauf an, ob sie auch die Klägerin davon abgehalten hätten, die ihr einzig verbliebene Möglichkeit zu nutzen, ihren Versicherungsschutz für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Insoweit hat das LSG geprüft, ob die Klägerin nach ihrer finanziellen Situation in der Lage gewesen wäre, die erforderlichen Pflichtbeiträge zu bezahlen, und hat dies auf Grund der Einkommensverhältnisse der Klägerin und ihres Ehemannes bejaht. Weiteren Ermittlungsbedarf vermag auch der Senat insoweit nicht zu sehen, zumal im Jahr 1997 in der Pflichtversicherung für Selbstständige den Einkommensverhältnissen angepasste Beiträge gezahlt werden konnten (§ 165 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Satz 2 SGB VI in der bis 31. März 1999 geltenden Fassung des Rentenreformgesetzes 1992).
d) Die Begründung der Antragspflichtversicherung im Wege des Herstellungsanspruchs hat zur Folge, dass die Beiträge für die gesamte Zeit vom 22. September 1997 bis 31. Januar 1999 nachgezahlt werden können. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 197 Abs 1 SGB VI Pflichtbeiträge wirksam nur gezahlt werden können, solange die Beitragsforderungen noch nicht verjährt sind, und dass nach Ablauf der genannten Frist die Zahlung der Beiträge nach § 197 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB VI in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust von Rentenanwartschaften, auf Antrag nur zuzulassen ist, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren und sofern der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt wird. Diese Regelungen beziehen sich auf Fälle, in denen in der Vergangenheit eine Pflichtversicherung tatsächlich bestand und deshalb die rechtlichen Grundvoraussetzungen für eine wirksame Beitragsentrichtung bzw für die Durchsetzung des Nachzahlungsrechts gegeben waren. Durch den Herstellungsanspruch wird jedoch die Versicherungspflicht und damit die rechtliche Basis für die Zahlung von Pflichtbeiträgen überhaupt erst begründet. Dies schließt es aus, dass die Beiträge schon vor Zuerkennung dieses Anspruchs in der Vergangenheit fällig geworden sein und verjähren konnten (vgl auch BSG Urteil vom 16. Juni 1994 – 13 RJ 25/93 – SozR 3-1200 § 14 Nr 15, S 43 f zum Verhältnis des Herstellungsanspruchs zur Nachentrichtungsregelung in § 1418 Abs 2 und 3 RVO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1406647 |
NZS 2006, 251 |
SGb 2005, 338 |