Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Antragspflichtversicherung. Selbstständiger. Beratung durch Krankenkasse. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Wendet sich ein bisher abhängig Beschäftigter an die AOK mit der Bitte um Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einer von ihm beabsichtigten selbstständigen Tätigkeit, muss die AOK auch auf mögliche Konsequenzen im Rentenversicherungsrecht hinweisen.
2. Der zuständige Rentenversicherungsträger muss sich ein Fehlverhalten der AOK im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch dann zurechnen lassen, wenn die AOK im konkreten Fall nicht unmittelbar in das Beitragsverfahren des Rentenversicherungsträgers für selbstständige Versicherungspflichtige eingebunden ist.
Orientierungssatz
Eine dem zuständigen Leistungsträger zurechenbare Beratungspflicht einer anderen Behörde ist auch dann anzunehmen, wenn die Zuständigkeitsbereiche beider Stellen materiell-rechtlich eng miteinander verknüpft sind, die andere Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund eines bestehenden Kontaktes der aktuelle "Ansprechpartner" der Versicherten ist und die Behörde aufgrund der ihr bekannten Umstände erkennen kann, dass bei der Versicherten im Hinblick auf das andere sozialrechtliche Gebiet ein dringender Beratungsbedarf in einer gewichtigen Frage besteht (vgl BSG vom 22.10.1996 - 13 RJ 69/95 = SozR 3-1200 § 14 Nr 22).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen Erwerbs-, hilfsweise Berufsunfähigkeit und über die Zulassung der Klägerin zur Antragspflichtversicherung als Selbstständige.
Die im Jahre 1950 im heutigen Polen geborene Klägerin lebt seit November 1984 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war zuletzt bis Mai 1997 als Altenpflegehelferin versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 22.9.1997 betrieb sie zusammen mit ihrer Schwägerin, der Zeugin G , einen Waschsalon mit Heißmangel. Seit Februar 1999 arbeitete sie im Betrieb nicht mehr selbst mit, sondern war nur noch Teilhaberin. Von September 1999 bis Februar 2000 war sie geringfügig beschäftigt. Vom 1.3.2000 bis zum 18.10.2000 sind auf ihrem Versicherungskonto Pflichtbeiträge auf Grund von Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz verbucht.
Am 23.11.1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Versichertenrente. Mit Bescheid vom 15.2.2000 lehnte diese den Rentenantrag ab. Zwar lägen bei der Klägerin deutliche Aufbraucherscheinungen der unteren lumbalen Wirbelsäule, eine leichte Fehlstatik der Wirbelsäule, der Verdacht auf einen beginnenden Diabetes mellitus Typ II, eine Stoffwechselstörung, eine ganz erhebliche Übergewichtigkeit, eine Bauchdeckenschwäche, Bluthochdruck, der nicht medikamentös voll korrigiert werden könne, vor, jedoch sei sie noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig zu sein. Sie habe daher keinen Rentenanspruch.
Mit Bescheid vom 1.12.2000 wies die Beklagte auch den Widerspruch zurück. Sie stütze sich dazu auf ein allgemeinärztliches Gutachten des Dr. K in A vom 6.1.2002. Dieser hatte eine erhebliche Übergewichtigkeit, eine Bauchdeckenschwäche, Bluthochdruck (medikamentös nicht voll korrigiert), deutliche Aufbraucherscheinung der unteren lumbalen Wirbelsäule, eine leichte Fehlstatik der Wirbelsäule, den Verdacht auf beginnenden Diabetes mellitus Typ II und eine Stoffwechselstörung festgestellt. Abschließend war er zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin könne als Altenpflegehelferin nur noch untervollschichtig arbeiten, sei jedoch noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig, da sie sich als Ungelernte auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen müsse.
Während des sich anschließenden Klageverfahrens hat die Beklagte der Klägerin eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der M -Klinik B S in B vom 27.3. bis zum 30.4.2001 gewährt. Im Entlassungsbericht der Klinik vom 10.5.2001 ist ausgeführt, bei der Klägerin sei es im Anschluss an die arthroskopische Knie-Operation links im November 2000 zu einem guten Rehabilitationsergebnis gekommen. Nach Abschluss der regulären Rekonvaleszenz und vorbehaltlich des orthopädischen Statutes könne die Klägerin voraussichtlich in vier bis sechs Wochen wieder körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel - auch vollschichtig - verrichten. Sie werde zunächst als arbeitsunfähig in die weitere hausärztliche Betreuung entlassen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Orthopäden Dr. A in N vom 10.8.2001 beigezogen. Die Klägerin hat ein Attest des Allgemeinmediziners Dr. C vom 30.8.2001 und ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in A vom 12.11.2001 vorgelegt. In Letzterem wird ausgeführt, die Klägerin sei derzeit (Begutachtungszeitpunkt...