Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 1983 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren noch darum, ob der Kläger während einer Umschulung krankenversicherungspflichtig war.
Der 1950 geborene Kläger war zunächst Postschaffner und dann von Oktober 1969 bis September 1981 Soldat auf Zeit. Im Jahre 1980 – 18 Monate vor Ende der Dienstzeit – bewilligte ihm das Kreiswehrersatzamt (Berufsförderungsdienst) unter Freistellung vom militärischen Dienst eine Fachausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur als berufsfördernde Maßnahme nach dem Soldatenversorgungsgesetz bei der Firma S. (Beigeladene zu 1). Nach einem mit dieser Firma geschlossenen Umschulungsvertrag sollte der Kläger bei einer Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden in einer verkürzten, den besonderen Erfordernissen der beruflichen Erwachsenenbildung entsprechenden Ausbildungszeit den staatlich anerkannten Ausbildungsberuf eines Gas- und Wasserinstallateurs erlernen. Die Umschulung begann am 15. April 1980; sie sollte nach dem Vertrag am 14. Oktober 1982 enden. Der Kläger bestand jedoch schon am 29. Januar 1982 die Gesellenprüfung. Eine Ausbildungsvergütung wurde nicht gezahlt, da – so hieß es im Vertrag – die Beigeladene zu 1) sonst einen Ausbildungsplatz nicht mehr stellen könne.
Durch Bescheid vom 26. Mai 1981 entschied die Beklagte, während der Umschulung habe keine Versicherungs- und Beitragspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung sowie keine Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit bestanden. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1981).
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht (SG) Trier Klage erhoben und beantragt, unter Aufhebung des Bescheides festzustellen, daß während der Umschulung in der Zeit vom 15. April 1980 bis zum 29. Januar 1982 Versicherungs- und Beitragspflicht in den drei genannten Versicherungszweigen bestanden habe. Die Beklagte ist dem entgegengetreten: Wenn, wie beim Kläger, während der Beschäftigung kein Entgelt gezahlt werde, schließe dies nur bei Lehrlingen, dh bei Auszubildenden iS des § 3 Abs. 1 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) vom 14. August 1969 (BGBl I S 1112), die Versicherungspflicht nicht aus; für Umschüler iS des § 47 BBiG gelte dies nicht. Die Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz und die Bundesanstalt für Arbeit, die zunächst beigeladen waren, haben für ihre Versicherungszweige der Auffassung der Beklagten widersprochen. Die Beigeladene zu 1) hat vorgetragen, der Kläger habe ihr bei Abschluß des Umschulungsvertrages gesagt, die Kosten der Sozialversicherung würden von der Bundeswehr bezahlt, so daß ihr (der Arbeitgeberin) keine Kosten entstünden. Demgegenüber hat das Kreiswehrersatzamt ausgeführt, nach dem derzeit geltenden Recht könnten etwaige Beiträge zur Sozialversicherung nicht als Kosten der Fachausbildung anerkannt werden. Das SG hat der Klage durch Urteil vom 25. Mai 1983 stattgegeben.
Gegen das Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt und sie auf die Krankenversicherung beschränkt. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat das Rechtsmittel durch Urteil vom 15. Dezember 1983 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe bei der Beigeladenen zu 1) eine förmliche Ausbildung für das Gas- und Wasser-Installationshandwerk erhalten, wie sie einer Lehrlingsausbildung entspreche. Er sei daher nach § 165 Abs. 1 Nr. 1, § 165 Abs. 2, § 165a Nr. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherungspflichtig gewesen. Diese Vorschriften unterschieden – anders als das BBiG – nicht danach, ob der Betreffende erstmals für einen Beruf ausgebildet oder im Rahmen der Erwachsenenbildung umgeschult werde. Auch im Falle einer Umschulung für einen anerkannten Ausbildungsberuf seien das Ausbildungsberufsbild, der Ausbildungsrahmenplan und die Prüfungsanforderungen einer Erstausbildung – wenn auch in erwachsenengerechter Weise – zugrunde zu legen.
Die Beklagte hat gegen das Urteil die – vom LSG zugelassene – Revision eingelegt: Wenn die Auffassung des LSG zuträfe, wären alle Umschüler Auszubildende iS des § 3 BBiG, es hätte dann des § 47 BBiG nicht bedurft. Anders als in der Rentenversicherung, die neben den Lehrlingen auch Personen kenne, die „sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind”, seien diese in den krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften nicht erwähnt. Es sei auch unbillig, die Solidargemeinschaft der Beitragszahler mit dem Versicherungsschutz für Soldaten auf Zeit zu belasten, die während ihres Dienstverhältnisses Anspruch auf freie Heilfürsorge hätten und sich anschließend nach § 176 Abs. 1 Nr. 4 RVO freiwillig versichern könnten, wie sie, die Beklagte, es dem Kläger erfolglos angeboten habe. § 176 Abs. 1 Nr. 4 RVO wäre nicht notwendig gewesen, wenn in den von der Vorschrift erfaßten Fällen schon Versicherungspflicht bestünde. Auch hätte das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 12. November 1975 – 3/12 RK 10/74 – (SozR 2200 § 172 Nr. 4) anders entschieden, wenn der Umschüler dort nicht ein (die damalige Geringfügigkeitsgrenze überschreitendes) Einkommen gehabt hätte. Zu verweisen sei ferner auf das Urteil des erkennenden Senats vom 17. März 1981 – 12 RK 44/80 – (USK 81 107).
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 1983 und des Sozialgerichts Trier vom 25. Mai 1983 aufzuheben, soweit ihr Bescheid vom 26. Mai 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1981 hinsichtlich der Versicherungs- und Beitragsfreiheit in der Krankenversicherung aufgehoben und in diesen Urteilen Versicherungspflicht für die Zeit vom 15. April 1980 bis zum 29. Januar 1982 in diesem Versicherungszweig festgestellt worden ist, sowie die Klage insofern abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die beigeladene Arbeitgeberin hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert, das Kreiswehrersatzamt hat auf sein Vorbringen in erster Instanz Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß der Kläger vom 15. April 1980 bis zum 29. Januar 1982 in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig war.
Nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO werden Arbeiter für den Fall der Krankheit versichert. Zu ihnen gehören nach § 165a Nr. 2 RVO auch Lehrlinge, soweit sie nicht für einen Angestelltenberuf ausgebildet werden und dann unter § 165b RVO fallen, was beim Kläger nicht zutrifft. Voraussetzung der Versicherung für die in § 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO bezeichneten Personen ist jedoch, daß sie „gegen Entgelt” beschäftigt werden; eine Ausnahme gilt lediglich für „Lehrlinge” (§ 165 Abs. 2 RVO, seit 1. Mai 1984 entspricht ihm § 165 Abs. 2 Satz 1 RVO).
Der Kläger befand sich vom 15. April 1980 bis zum 29. Januar 1982 – gegen Ende seiner zwölfjährigen Dienstzeit als Soldat auf Zeit und darüber hinaus – in einer Fachausbildung, die ihm vom Kreiswehrersatzamt (Berufsförderungsdienst) bewilligt worden war, und zwar aufgrund der §§ 5 und 5a des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) vom 26. Juli 1957 (BGBl I S 785; letzte Neufassung vom 21. April 1983, BGBl I S 457). Eine solche Fachausbildung umfaßt die fachberufliche Ausbildung, Fortbildung und Umschulung der Soldaten auf Zeit (§ 9 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung der §§ 4, 5 und 5a SVG vom 26. Oktober 1965, BGBl I S 1746, idF der Zweiten Verordnung zur Änderung dieser Verordnung vom 22. Oktober 1970, BGBl I S 1448). Die Fachausbildung kann außer in öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen auch in privaten Betrieben durchgeführt werden (§ 9 Abs. 2 Satz 1 VO). So ist es beim Kläger geschehen. Er wurde von der Beigeladenen zu 1), einem privaten Betrieb, aufgrund eines Umschulungsvertrages auf den anerkannten Ausbildungsberuf eines Gas- und Wasserinstallateurs umgeschult. Dabei war er, obwohl er vom Umschulungsbetrieb kein Entgelt erhielt, als „Lehrling” in der Krankenversicherung versicherungspflichtig (§ 165 Abs. 1 Nr. 1 iVm Abs. 2 RVO).
Lehrling iS der §§ 165 Abs. 2 und 165a Nr. 2 RVO ist nach der Rechtsprechung des Senats, der das LSG gefolgt ist, wer in einem geregelten Ausbildungsgang eine umfassende Fachausbildung erhält, die ihn befähigt, den betreffenden Beruf selbst auszuüben; diese Voraussetzung erfüllt zB nicht, wer – wie der Senat in Abgrenzung zu nicht versicherungspflichtigen Praktikanten entschieden hat – nur mit den in einem Beruf verwendeten Materialien, Werkzeugen und Maschinen vertraut gemacht werden soll, um den einschlägigen Vorlesungen auf der Hochschule mit Verständnis folgen zu können (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 53). Das LSG hat für den Kläger festgestellt, daß seine Umschulung bei der Beigeladenen zu 1) nach Dauer, Inhalt und Abschluß (unter gewissen Anpassungen an eine erwachsenengerechte Ausbildung) alle wesentlichen Merkmale einer Lehrlingsausbildung aufwies. Diese nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen sind für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG). Danach war auch der Kläger während seiner Umschulung Lehrling iS von § 165 Abs. 2 RVO. Die hiergegen von der Beklagten vorgebrachten Gründe überzeugen nicht.
Allerdings hat der Gesetzgeber bisher den Wortlaut der §§ 165 Abs. 2, 165a Nr. 2 RVO, in dem weiterhin von „Lehrlingen” die Rede ist (anders dagegen schon § 494 RVO), nicht dem neuen Sprachgebrauch im Recht der beruflichen Bildung angepaßt. Danach wird nunmehr als „Auszubildender” bezeichnet, wer von einem anderen zur Berufsausbildung eingestellt wird (§ 3 Abs. 1 BBiG). Deswegen ist jedoch § 165 Abs. 2 RVO, soweit er sich auf „Lehrlinge” bezieht, nicht gegenstandslos geworden.
Die Berufsausbildung nach dem BBiG stimmt mit der früheren Lehrlingsausbildung nach Inhalt, Dauer und Ziel weitgehend überein. Auch sie hat dem Auszubildenden eine breit angelegte berufliche Grundbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln; sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen (§ 1 Abs. 2 BBiG). Damit unterscheidet sie sich – trotz Änderung der Bezeichnung – in der Sache nicht oder jedenfalls nicht wesentlich von der früheren Lehrlingsausbildung. Auch für Auszubildende des neuen Rechts gilt deshalb, was § 165 Abs. 2 RVO für Lehrlinge vorschreibt, daß sie nämlich ausnahmsweise auch dann versicherungspflichtig sind, wenn sie kein Entgelt erhalten. Dem will offenbar auch die Beklagte nicht entgegentreten. Sie wendet sich lediglich gegen die Anwendung des § 165 Abs. 2 RVO auf Umschüler wie den Kläger, weil für diese das BBiG in § 47 eine besondere Regelung getroffen habe; daraus ergebe sich, daß das BBiG sie nicht zu den Auszubildenden rechne. Dem kann der Senat nicht folgen, soweit eine Umschulung nach Inhalt, Dauer und Abschluß einer Berufsausbildung iS des § 1 Abs. 2 BBiG im wesentlichen entspricht.
Das BBiG unterscheidet zwar bei der Berufsbildung begrifflich zwischen der Berufsausbildung, der beruflichen Fortbildung und der beruflichen Umschulung (§ 1 Abs. 1). Die in § 47 BBiG näher geregelte berufliche Umschulung muß, was Inhalt, Art, Ziel und Dauer sowie den Nachweis der erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen betrifft, den besonderen Erfordernissen der beruflichen Erwachsenenbildung entsprechen (Abs. 1 und 2). Andererseits sind, wenn die Umschulung, wie beim Kläger, für einen anerkannten Ausbildungsberuf erfolgt, auch hier das – für eine Erstausbildung maßgebende – Berufsbild, der insoweit anzuwendende Ausbildungsrahmenplan und die Prüfungsanforderungen zugrunde zu legen, wobei wiederum die besonderen Erfordernisse der beruflichen Erwachsenenbildung zu berücksichtigen sind (§ 47 Abs. 3 BBiG). Erfüllt hiernach eine Umschulung – abgesehen von den genannten Besonderheiten, die vor allem dem Lebensalter der meist schon für einen anderen Beruf ausgebildeten Umschüler Rechnung tragen sollen – im wesentlichen die Merkmale einer Erstausbildung für den betreffenden Beruf, dann ist sie bei Anwendung des § 165 Abs. 2 RVO wie eine solche Erstausbildung zu behandeln, der Umschüler mithin als „Lehrling” anzusehen.
Damit wird, entgegen der Ansicht der Beklagten, der Unterschied zwischen Auszubildenden und Umschülern im Rahmen des § 165 Abs. 2 RVO nicht völlig beseitigt. § 47 BBiG behält vielmehr seine Bedeutung, soweit eine Umschulung nicht auf eine umfassende Fachausbildung iS des § 1 Abs. 2 BBiG ausgerichtet ist, insbesondere nicht für einen anerkannten Ausbildungsberuf erfolgt. Entspricht die Umschulung dagegen nach Inhalt, Ziel und Dauer einer solchen Fachausbildung, wie das LSG für den Kläger festgestellt hat, dann wäre es weder rechtssystematisch noch sozialpolitisch gerechtfertigt, einen Umschüler hinsichtlich seiner Krankenversicherungspflicht anders als einen Lehrling zu behandeln, ihn also, wenn er während der Umschulung kein Entgelt erhält, deswegen von der Pflichtversicherung auszunehmen. Das wäre um so weniger verständlich, als ein Umschüler sich in einer Übergangsphase von einem Beruf zu einem anderen befindet und gerade in dieser Zeit – ebenso wie ein Auszubildender am Beginn seines Berufslebens – eines zuverlässigen Schutzes bedarf; er ist deshalb in besonderem Maße auf die Solidarität der voll im Arbeitsleben stehenden Versicherten angewiesen, um später wieder selbst durch seine Beitragsleistung den eigenen Versicherungsschutz mitzufinanzieren und zugleich zu den Lasten der Versichertengemeinschaft beizutragen. Dieser Gedanke, der den Gesetzgeber bei Schaffung der RVO bewogen hat, auch Lehrlinge (Auszubildende), ohne Rücksicht darauf, ob sie mit oder ohne Entgelt beschäftigt sind, in die Versicherungspflicht einzubeziehen, gilt auch für Umschüler.
Der Senat befindet sich damit in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 43, 271 = NJW 1984, 941), das den in § 23 Abs. 1 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz enthaltenen Begriff des „Lehrlings” ebenfalls unter Beachtung der neueren Gesetzgebung zum Berufsbildungsrecht auslegt. Danach seien als „Lehrlinge” iS dieser Vorschrift außer den Auszubildenden im Sinne des BBiG auch Umschüler anzusehen, jedenfalls wenn sie im Rahmen eines mehrjährigen Vertragsverhältnisses (dort von zwei Jahren) zu einem anerkannten Ausbildungsberuf ausgebildet würden.
Daß die Stellung eines solchen Umschülers im übrigen nicht mit der eines Praktikanten vergleichbar ist, bedarf nach dem schon genannten Urteil des Senats zur Versicherungsfreiheit von Praktikanten (SozR 2200 § 165 Nr. 53) keiner weiteren Begründung. Auf dieses Urteil kann sich deshalb die Beklagte für ihre Rechtsauffassung nicht berufen; das gilt auch für das andere von ihr zitierte Urteil vom 17. März 1981 (12 RK 44/80, USK 81 107).
Die Beklagte kann ferner nicht mit Erfolg geltend machen, ein Umschüler wie der Kläger bedürfe eines Schutzes durch die gesetzliche Krankenversicherung nicht, weil er während seines Dienstverhältnisses als Soldat auf Zeit Anspruch auf freie Heilfürsorge habe und sich nach Ende des Dienstverhältnisses freiwillig versichern könne (§ 176 Abs. 1 Nr. 4 RVO). Das BSG hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Versicherungspflicht bei abhängiger Beschäftigung nicht für erheblich gehalten, ob ein Beschäftigter, der die rechtlichen Voraussetzungen der Versicherungspflicht erfüllt, des Versicherungsschutzes auch bedarf oder, etwa wegen anderweitiger Absicherung, darauf verzichten kann. Das BSG hat vielmehr, insbesondere bei gleichzeitigem Bestehen eines Beamtenverhältnisses, entschieden, daß Beamte – als Ausnahme von dem Grundsatz, daß entgeltliche Beschäftigungsverhältnisse versicherungspflichtig sind –, nur im Beamtenverhältnis selbst nicht der Versicherungspflicht unterlägen. Diese – mehr formale – Begründung werde bestätigt durch den das Recht der Sozialversicherung beherrschenden Grundsatz der Solidarität aller Beschäftigten, der es ausschließe, die Versicherungspflicht über die gesetzlich geregelten Freistellungstatbestände hinaus von einem individuellen Schutzbedürfnis abhängig zu machen, zumal dieses Schutzbedürfnis sich im Laufe der Zeit wandeln könne und, wenn die Versicherungspflicht solchen Wandlungen folgen würde, die Gefahr einer negativen Risikoauslese bestünde. Die Sozialversicherung sei keine nur hilfsweise eintretende Einrichtung für Personen, die während der fraglichen Zeit nicht anderweitig ausreichend geschützt seien. – Mit dieser Begründung ist im Urteil vom 12. November 1975 – 3/12 RK 10/74 – (SozR 2200 § 172 Nr. 4) die Versicherungsfreiheit eines Soldaten auf Zeit nicht auf eine Beschäftigung im Rahmen der Berufsförderung nach dem SVG erstreckt worden, die während der Wehrdienstzeit ausgeübt worden war. Entsprechend hat der Senat im Urteil vom 14. September 1978 – 12 RK 57/76 – (BSGE 47, 60 = SozR 2200 § 169 Nr. 6) Versicherungsfreiheit für ein privatrechtliches Ausbildungsverhältnis im Rahmen der Berufsförderung nach dem Bundespolizeibeamtengesetz verneint, wenn die Ausbildung während des Dienstverhältnisses bei Belassung der vollen Dienstbezüge stattfindet.
Die Beklagte meint, in dem erstgenannten dieser Urteile wäre das BSG zu einem anderen Ergebnis gelangt, wenn der Umschüler dort kein die damalige Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Entgelt erhalten hätte. Das ist unzutreffend. Allerdings waren in den beiden genannten Urteilen die Umschüler gegen Entgelt beschäftigt gewesen. Aus keinem der Urteile ergibt sich aber, daß der Senat den Bezug von Entgelt als unerläßliche Voraussetzung der Versicherungspflicht angesehen hat. Wenn vielmehr, wie im Urteil vom 12. November 1975 unter Hinweis auf § 165a Nr. 2 RVO (SozR 2200 § 172 Nr. 4 S 17 oben) ausgeführt ist, das Ausbildungsverhältnis einem Beschäftigungsverhältnis gleichsteht, so gibt es im Hinblick auf § 165 Abs. 2 RVO, der von dem Erfordernis des Entgelts bei Lehrlingen und den ihnen gleichzustellenden Auszubildenden und Umschülern absieht, keinen Grund, Versicherungsfreiheit anzunehmen, wenn diesem Personenkreis kein Entgelt gezahlt wird. Daß Versicherte wie der Kläger dann, wirtschaftlich gesehen, die Solidargemeinschaft zunächst belasten, ist zutreffend, aber vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden und kann daher nicht dazu führen, sie, wie die Beklagte will, von der Versichertengemeinschaft auszuschließen.
Unzutreffend ist auch das weitere Argument der Beklagten, die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung nach § 176 Abs. 1 Nr. 4 RVO verliere bei der vom Senat vertretenen Auffassung ihren Sinn. Abgesehen davon, daß die Versicherungspflicht (hier: aufgrund eines Ausbildungsverhältnisses) einer Versicherungsberechtigung vorgeht, verbleibt dem § 176 Abs. 1 Nr. 4 RVO ein Anwendungsbereich insoweit, als bei Ende des Dienstverhältnisses ein versicherungspflichtiger Tatbestand nicht vorliegt (zB weil die Ausbildung nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern auf einer Schule erfolgt). In derartigen Fällen kann der ausscheidende Soldat auf Zeit Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung vielfach nur über die Versicherungsberechtigung des § 176 Abs. 1 Nr. 4 RVO finden.
Am Ergebnis ändert schließlich der Hinweis der Beklagten nichts, der Gesetzgeber habe in der Rentenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung neben den Lehrlingen auch die sonst zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten in die Versicherungs- und Beitragspflicht einbezogen (§ 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO, § 168 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz), in der Krankenversicherung dies aber bisher nicht getan. Hieraus kann nicht der Umkehrschluß gezogen werden, in der Krankenversicherung unterlägen von den zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nur Lehrlinge der Versicherungspflicht, und diese auch nur insoweit, als sie zugleich Auszubildende iS von § 3 Abs. 1 BBiG sind. Der Mangel an Übereinstimmung zwischen an sich vergleichbaren Regelungen über die Versicherungs- und Beitragspflicht in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung beruht zu einem erheblichen Teil darauf, daß die Rentenversicherung im Jahre 1957 und die Arbeitslosenversicherung im Jahre 1969 neu kodifiziert worden sind. Dabei ist zwischenzeitlichen Erkenntnissen und Entwicklungen Rechnung getragen worden. Demgegenüber sind die Vorschriften der Krankenversicherung seit der RVO von 1911 nicht mehr im ganzen neu gefaßt worden und daher nicht mehr überall zeitgemäß. Der Senat hat schon mehrfach zu entscheiden gehabt, ob im Wortlaut voneinander abweichende, aber inhaltlich vergleichbare Vorschriften im gleichen Sinne anzuwenden sind. Er hat sich dabei gehindert gesehen, divergierende Regelungen bei der Rechtsanwendung dann miteinander in Einklang zu bringen, wenn für die Unterschiede sachliche Gründe zumindest denkbar sind (SozR 2200 § 172 Nr. 17; BSGE 57, 247 = SozR 2200 § 169 Nr. 11). Wenn jedoch derartige Gründe nicht erkennbar waren, hat er sich für befugt gehalten, dem Wortlaut nach unterschiedliche Vorschriften einheitlich auszulegen (SozR 2200 § 169 Nr. 12). Ein solcher Fall liegt auch hier vor. Der Senat kann keinen sachlichen Grund dafür erkennen, daß Umschüler wie der Kläger zwar in der Rentenversicherung versicherungs- und in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig sind, in der Krankenversicherung aber versicherungsfrei sein sollen.
Da sich die Revision der Beklagten hiernach im Ergebnis als unbegründet erweist, hat der Senat sie zurückgewiesen und über die Kosten nach § 193 SGG entschieden.
Fundstellen
Haufe-Index 924003 |
BSGE, 218 |