Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse. Nationale Rechtsvorschriften, die die Anwendung dieser Maßnahmen im Tätigkeitsbereich der Stiftungen für Oper und Orchester ausschließen
Normenkette
Richtlinie 1999/70/EG; EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge Paragraf 5
Beteiligte
Fondazione Teatro dell'Opera di Roma |
Tenor
Paragraf 5 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der die allgemeinen Vorschriften über Arbeitsverhältnisse, mit denen durch die automatische Umwandlung des befristeten Vertrags in einen unbefristeten der missbräuchliche Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge geahndet werden soll, wenn das Arbeitsverhältnis über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus andauert, auf den Tätigkeitsbereich der Stiftungen für Oper und Orchester nicht anwendbar sind, wenn es in der innerstaatlichen Rechtsordnung keine andere wirksame Maßnahme gibt, mit der die in dieser Branche festgestellten Missbräuche geahndet werden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte d'appello di Roma (Berufungsgericht Rom, Italien) mit Entscheidung vom 15. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Juni 2017, in dem Verfahren
Martina Sciotto
gegen
Fondazione Teatro dell'Opera di Roma
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zehnten Kammer sowie der Richter F. Biltgen (Berichterstatter) und E. Levits,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Sciotto, vertreten durch F. Andretta, M. Speranza, V. De Michele und S. Galleano, avvocati,
- der Fondazione Teatro dell'Opera di Roma, vertreten durch D. De Feo, M. Marazza und M. Marazza, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und G. Gattinara als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 5 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Martina Sciotto und der Fondazione Teatro dell'Opera di Roma (Stiftung Opernhaus Rom) über das Begehren von Frau Sciotto, dass ihre aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträge, die für zwischen 2007 und 2011 erbrachte Leistungen geschlossen wurden, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt werden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Nach Art. 1 der Richtlinie 1999/70 soll mit ihr „die zwischen den allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen (EGB, UNICE und CEEP) geschlossene Rahmenvereinbarung … durchgeführt werden”.
Rz. 4
In den Abs. 2 und 3 der Präambel der Rahmenvereinbarung heißt es:
„Die Unterzeichnerparteien dieser Vereinbarung erkennen an, dass unbefristete Verträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darstellen und weiter darstellen werden. Sie erkennen auch an, dass befristete Beschäftigungsverträge unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entsprechen.
Die Vereinbarung legt die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge in der Erkenntnis nieder, dass bei ihrer genauen Anwendung die besonderen Gegebenheiten der jeweiligen nationalen, sektoralen und saisonalen Situation berücksichtigt werden müssen. Sie macht den Willen der Sozialpartner deutlich, einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichert und die Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge auf einer für Arbeitgeber und Arbeitnehmer akzeptablen Grundlage ermöglicht.”
Rz. 5
Die Nrn. 6 bis 8 und 10 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung lauten:
„6. Unbefristete Arbeitsverträge sind die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses. Sie tragen zur Lebensquali...