Rz. 27
Eine Ausgleichszahlung kann nur insoweit eine Entschädigung sein, als die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Anspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht; anderenfalls liegt kein "Ersatz" für entgangene oder entgehende Einnahmen vor. Nachträgliche Erfüllungsleistungen fallen deshalb nicht unter den Tatbestand des § 24 Nr. 1 EStG.
Im Rahmen eines entgeltlichen Austauschvertrags erhaltene Gegenleistungen für die freiwillige Aufgabe einer werthaltigen Position sind keine Entschädigungen für entgangene Einnahmen i. S. v. § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG.
Das Erfordernis der neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage wird vom BFH seit der o. a. Entscheidung nicht zeitlich, sondern funktional verstanden: Da Erfüllungsleistungen von Entschädigungen getrennt werden sollen, ist die neue Rechtsgrundlage im Sinn einer "anderen" Grundlage zu verstehen. Somit ist unschädlich, wenn ein Ausgleichsanspruch für den Fall der betriebsbedingten Kündigung oder Nichtverlängerung eines Dienstvertrags bereits bei Beginn des Dienstverhältnisses vereinbart war, da der nur unter der Voraussetzung einer Kündigung entstehende Ersatzanspruch auf einem anderen Rechtsgrund beruht als die Gehaltsforderungen.
Rz. 28
Keine Entschädigung, sondern Erfüllung ist dagegen anzunehmen, solange das Vertragsverhältnis fortbesteht, weil in diesem Zeitraum die vertraglich geschuldete Gegenleistung erbracht wird. Der Auflösungszeitpunkt ist dabei nach dem maßgeblichen bürgerlichen Recht zu bestimmen. Der BFH ist bei Arbeitsverhältnissen insofern großzügig, als er für die Abgrenzung zwischen arbeitsvertraglichen Erfüllungsleistungen und Entschädigungen auf den im Aufhebungsvertrag vereinbarten Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt. Dadurch wird Gestaltungsspielraum eröffnet. Die Entscheidung ist auf andere Dauerschuldverhältnisse zu übertragen, vertragliche (Erfüllungs-)Ansprüche können von dem Zeitpunkt an nicht mehr auf der alten Rechtsgrundlage entstehen, zu dem die Parteien den Vertrag bürgerlich-rechtlich wirksam beendet haben. Die Beurlaubung bis zum Beginn des Altersrentenbezugs beendet jedoch das Rechtsverhältnis nicht.
Rz. 29
Aufgrund der funktionalen Betrachtung ist nicht in jedem neuen Vertrag auch eine neue Rechtsgrundlage zu sehen, die auf eine Entschädigung schließen lässt. Zahlungen aufgrund einer die bisherige vertragliche Vereinbarung ersetzenden Rechtsgrundlage sind nur dann eine Entschädigung, wenn nach dem ursprünglichen Schuldverhältnis nicht bestehende Rechte und Pflichten begründet werden, nicht aber, wenn sie sich bürgerlich-rechtlich als Erfüllungsleistungen aus dem beendeten Rechtsverhältnis darstellen..
Werden in einer Abfindungsvereinbarung also neben Entschädigungen für künftig entgehende Einnahmen auch Zahlungen einbezogen, die dem Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses zustanden, so sind diese, selbst wenn sie noch nicht fällig sein sollten, von den Entschädigungen zu trennen..
Wird ein unwirksamer Vertrag durch einen neuen ersetzt, ein Anschlussvertrag oder ein Vergleich betr. Abfindung für wettbewerbsrechtlich zweifelhafte Lizenzverträge) über einen streitigen vertraglichen Anspruch geschlossen, so werden Erfüllungspflichten aus dem bisherigen Rechtsverhältnis geregelt und nicht ein Ersatz für weggefallene Einnahmen vereinbart. Die freiwillige Ausübung eines bereits bestehenden Kapitalisierungswahlrechts für wiederkehrende Bezüge oder die bloße Modifizierung vertraglicher Ansprüche führt nicht zu einer steuerbegünstigten Abfindung.
Rz. 30
Erhält ein Stpfl. dagegen Schadensersatz wegen einer vom ehemaligen Arbeitgeber schuldhaft verzögerten Wiedereinstellung, so stellt diese mangels Dienstvertrags für den Zeitraum des Verzugs und folglich fehlender vertraglicher Vergütungsansprüche keine nachträgliche Entlohnung, sondern eine Entschädigung dar, die bei geballtem Zufluss tarifbegünstigt versteuert werden kann.
Rz. 30a
Ob die erhaltenen Zahlungen für die Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen zu nachträglichen Einkünften führen, ist nicht geklärt. Nach Ansicht des FG Nürnberg stellen die Einräumung des Nießbrauchs und die später erfolgte Ablöse unterschiedliche Rechtsvorgänge dar. Bei der anstelle der bisherigen Einnahmen tretenden Ersatzleistung handelt es sich um eine neue Rechtsgrundlage. Demnach lägen nachträgliche Einkünfte vor. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn die Ausschüttungen der GmbH dem Nießbraucher zuzurechnen sind, weil er i. S. d. § 20 Abs. 5 S. 3 EStG als Anteilseigner gilt.
Ist der Nießbraucher hingegen nicht als Anteilseigner i. S. d. § 20 Abs. 5 S. 3 EStG zu sehen (weil ihm z. B. lediglich ein Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil eingeräumt wurde, ohne dass er auch wesentliche Verwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, ausüben oder im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann), so ist...