[1] Digitale Gesundheitsanwendungen umfassen Software und andere auf digitale Technologien basierende Medizinprodukte mit gesundheitsbezogener Zweckbestimmung.
[2] Eine gesundheitsbezogene Zweckbestimmung liegt dann vor, wenn bei den Versicherten oder in der Versorgung der Versicherten durch Leistungserbringer
- die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder
- die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen
unterstützt wird.
[3] Die in § 33a Abs. 1 Satz 1 SGB V vorgenommene Definition der gesundheitsbezogenen Zweckbestimmung orientiert sich an dem zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens noch gültigen § 3 [korr.] Nr. 1 Buchst. a und Nr. 1 Buchst. b MPG, umfasst aber nicht die Verhütung von Krankheiten im Sinne von Prävention. Hintergrund hierfür ist, dass es sich bei digitalen Gesundheitsanwendungen nach § 33a SGB V um Maßnahmen der Krankenbehandlung handelt (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB V). Die Erweiterung des Anspruchs auf digitale Gesundheitsanwendungen in der Schwangerschaft (vgl. § 24e SGB V) ändert dies dem Grunde nach nicht. So werden auch in diesem Zusammenhang keine digitalen Angebote erfasst, die ausschließlich zum Zwecke der Prävention eingesetzt werden können bzw. zur Unterstützung einer normal verlaufenden Schwangerschaft dienen. Eine Leistungsgewährung präventiver digitaler Gesundheitsanwendungen auf der Grundlage anderer Vorschriften im SGB V ist hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen (vgl. Abschnitt 8).
[4] Voraussetzung einer digitalen Gesundheitsanwendung im Sinne des Gesetzes ist weiterhin, dass bei ihrem Einsatz durch die Versicherten, bei der Interaktion des oder der Versicherten mit Leistungserbringern oder der Interaktion mit weiteren Medizinprodukten die Hauptfunktion des Medizinproduktes durch digitale Technologien umgesetzt sein muss und diese nicht lediglich der Ergänzung oder Steuerung anderer Medizinprodukte dienen darf. Dabei gelten als Medizinprodukte niedriger Risikoklasse gemäß § 33a Abs. 2 SGB V solche, die der
- Risikoklasse I oder
- Risikoklasse IIa
nach der VO (EU) Nr. 2017/745 oder, im Rahmen der Übergangsvorschriften, nach der Richtlinie 93/42/EWG zugeordnet und in Verkehr gebracht sind. Durch die Zuordnung der jeweiligen digitalen Gesundheitsanwendung in eine der beiden Risikoklassen soll sichergestellt werden, dass diese direkt oder indirekt keine ernsten Gesundheitsstörungen verursacht oder zur unmittelbaren Gefahr für die Versicherten werden könnte.
[5] Medizinprodukte mit höherer Risikoklasse sind solche, die der Risikoklasse IIb nach Artikel 51 i.V.m. Anhang VIII der VO (EU) Nr. 2017/745 zugeordnet sind.
[6] Unabhängig von der Klassifizierung nach Maßgabe der medizinproduktrechtlichen Vorschriften ist es weiterhin erforderlich, dass die digitale Gesundheitsanwendung in Verkehr gebracht ist und der Hersteller diese allgemein zugänglich anbietet.
[7] Zu den digitalen Gesundheitsanwendungen können unter den genannten Voraussetzungen medizinische Apps und Software (Desktop- oder Browseranwendungen) gehören, die wiederum auch Hardware (z.B. Sensoren, Wearables) umfassen können, sofern diese wesentlich auf digitalen Technologien beruhen, die z.B. darauf ausgerichtet sind, einen medizinischen Nutzen im engeren Sinn einer therapeutischen Verbesserung durch positive Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte wie der Lebensqualität zu erzielen. Zielsetzung einer digitalen Gesundheitsanwendung niedriger Risikoklasse kann neben dem medizinischen Nutzen beispielweise auch die Struktur- und Verfahrensverbesserung in der gesundheitlichen Versorgung, in Bezug auf eine sachgerechte Inanspruchnahme ärztlicher und anderer Leistungserbringer, eine bessere Koordinierung der Versorgungsabläufe, die Förderung der Patienteninformation und Patientensouveränität oder die Bewältigung krankheitsbedingter praktischer Schwierigkeiten sein. Durch Medizinprodukte höherer Risikoklasse sollen zudem weitergehende Versorgungsmöglichkeiten durch personalisierte Handlungsempfehlungen ermöglicht werden. Ebenfalls soll hierdurch die Umsetzung technischer Verfahren zum datengestützten zeitnahen Management von Krankheiten über eine räumliche Distanz (telemedizinisches Monitoring) ermöglicht werden. Der vorgelegte Nachweis eines positiven Versorgungseffektes bei digitalen Medizinprodukten höherer Risikoklasse muss daher immer auch geeignet sein, einen medizinischen Nutzennachweis zu erbringen.
[8] Nicht vom Anspruch umfasst sind Medizinprodukte, die der Steuerung von aktiven therapeutischen Produkten dienen (unselbstständige Software), digitale Gesundheitsanwendungen, die zur Verwendung mit einem bestimmten Hilfs- oder Arzneimittel bestimmt sind sowie allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens.