[1] Säumniszuschläge können regelmäßig auch rückwirkend festgesetzt werden (BSG, Urteil vom 17.5.2001, B 12 KR 32/00 R, USK 2001-21). Sie dürfen nach § 24 Abs. 2 SGB IV gegenüber dem Arbeitgeber dann nicht rückwirkend erhoben werden, wenn die Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird und der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Für die Frage, ob unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG zumindest auf bedingten Vorsatz abzustellen (BSG, Urteil vom 12.12.2018, B 12 R 15/18 R, USK 2018-82). Selbst grob fahrlässige Unkenntnis von der Zahlungspflicht genügt danach nicht (mehr) den Anforderungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen auf Beitragsnachforderungen. Das bedeutet: Die Erhebung von Säumniszuschlägen bei der Nacherhebung von Beiträgen verlangt entweder, dass der Arbeitgeber oder sonstige Beitragsschuldner Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte, oder – falls eine solche Kenntnis nicht vorliegt – er die Unkenntnis verschuldet hat.

[2] In der Praxis wirkt sich die Rechtsprechung zum Verschuldensmaßstab bei Erhebung von Säumniszuschlägen auf Beitragsnachforderungen insbesondere bei den von den Rentenversicherungsträgern durchzuführenden turnusmäßigen Betriebsprüfungen aus. Der Anwendungsbereich des § 24 Abs. 2 SGB IV ist allerdings nicht allein auf Beitragsnachforderungen aus Betriebsprüfungen durch die Träger der Rentenversicherung beschränkt. Auch im Falle rückwirkender Statusfeststellungen (durch die DRV Bund im optionalen Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV oder durch die Einzugsstelle im Einzugsstellenverfahren nach § 28h Abs. 2 SGB IV) hat die Einzugsstelle bei Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Rahmen der Geltendmachung des Beitragsanspruchs die Erhebung von Säumniszuschlägen nach Maßgabe des § 24 Abs. 2 SGB IV zu prüfen. Im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Erwerbstätigenstatus sind Säumniszuschläge auf die ab Beginn der Versicherungspflicht (nach)zu zahlenden Beiträge im Regelfall nicht zu erheben. Hiervon ausgenommen sind beispielsweise Sachverhalte, in denen der Arbeitgeber Beanstandungen aus früheren Betriebsprüfungen nicht berücksichtigt hat oder der Arbeitgeber eine bestehende Beschäftigung abgemeldet hat, obwohl der Arbeitnehmer die bisherige Tätigkeit im Wesentlichen unverändert ausübt bzw. ausübte.

[3] Einer entsprechenden Anwendung des § 24 Abs. 2 SGB IV steht ferner nicht entgegen, dass abweichend vom Wortlaut der Vorschrift die Beitragsforderung für die Vergangenheit nicht "durch Bescheid festgestellt" wird, sondern vom Arbeitgeber selbst ermittelt und durch die Zahlung dokumentiert wird (BSG, Urteil vom 12.2.2004, B 13 RJ 28/03 R, NZS 2005 S. 153). Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn im Zuge rückwirkender Statusfeststellungen durch die DRV Bund für Zeiten ab dem 1.4.2022 lediglich das Vorliegen einer Beschäftigung festgestellt wird und der Arbeitgeber daraufhin nach Prüfung der (Arbeitnehmer-)Versicherungspflicht seine Beitragszahlungspflichten erfüllt.

[4] In Sachverhalten, bei denen Arbeitgeber eigenständig versicherungs- oder beitragsrechtliche Fehlbeurteilungen für in der Vergangenheit liegende Zeiträume gegenüber der Einzugsstelle anzeigen und daraufhin Beiträge nachzuentrichten sind, entscheidet die Einzugsstelle, ob im Einzelfall Säumniszuschläge auf die nachgezahlten Beiträge zu erheben sind. Dazu hat der Arbeitgeber auf Verlangen der Einzugsstelle gegenüber dieser die Gründe für die Korrektur(en) darzulegen.

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