Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines Widerrufsvorbehaltes für vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeit. Keine Anwendung des § 15 Abs. 5 TzBfG auf bloße Befristung von Arbeitsbedingungen. Widerrufsvorbehalt bei Arbeitsbedingungen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Widerrufsvorbehalt, der sich auf die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit verbunden mit einer Funktionszulage bezieht, ist grundsätzlich wirksam und hält einer AGB-Kontrolle stand. Das Transparenzgebot erfordert es nicht, dass die Gründe, die für einen Widerruf der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit in Betracht kommen, aufgeführt werden. Besteht kein dauerhaftes Bedürfnis für die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit, ist deren Übertragung unter einem Widerrufsvorbehalt auch nicht als unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen.
§ 15 Abs. 5 TzBfG findet keine Anwendung, wenn nicht das Arbeitsverhältnis als solches, sondern nur bestimmte Arbeitsbedingungen befristet waren. Das Gleiche gilt, wenn die Arbeitsbedingungen unter einem Widerrufsvorbehalt standen und der Widerruf schon zu einem früheren Zeitpunkt hätte ausgeübt werden können
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 Sätze 1-2, § 308 Nr. 4, § 310 Abs. 4 S. 2; GewO § 106; TzBfG § 15 Abs. 5; BGB § 611a Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 14.09.2021; Aktenzeichen 4 Ca 321/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 14. September 2021 – 4 Ca 321/20 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Zulage.
Der Kläger ist bei dem Beklagten seit dem 1. August 2001 als pädagogischer Mitarbeiter zur Begleitung und Betreuung der von dem Beklagten durchgeführten Berufsvorbereitungs- und Ausbildungsprojekten beschäftigt. Der Beklagte ist ein eingetragener Verein, der Bildungsangebote in Hessen im Bereich der hessischen Wirtschaft anbietet. Zuletzt galt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 24. Juni/30. Juni 2003. Das Bruttomonatsgehalt betrug ohne Zulagen zuletzt ca. 3.230 Euro. Der Kläger ist seit 2018 Betriebsratsmitglied und wurde im März 2021 erneut in den Betriebsrat gewählt.
Auf das Arbeitsverhältnis findet der kraft Rechtsverordnung nach § 7 AEntG verbindlich erklärte Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 i.d.F. des Änderungstarifvertrags Nr. 5 vom 6. Februar 2019 (BAnz AT 29. März 2019 V1; kurz: PädMindLohnTV 2019) Anwendung.
Bei dem Beklagten war der Regionalleiter A beschäftigt. Aus gesundheitlichen Gründen bat er um eine Entlastung. Vor diesem Hintergrund teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Oktober 2019 Folgendes mit:
„Sehr geehrter Herr B, Ab dem 1. Oktober 2019 erhalten Sie bis auf Widerruf für die Übernahme von Regionalleiter-Assistenz-Aufgaben eine monatliche Funktionszulage in Höhe von 294 Euro…“
Bereits zuvor war dem Kläger mit Schreiben vom 6. Juli 2018 befristet für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis 30. September 2019 wegen dessen Tätigkeit in dem Projekt „AlphaGrund II“ sowie der Übernahme von Regionalleiter-Assistenzaufgaben eine Funktionszulage von insgesamt 580 Euro zugesagt worden (Bl. 151 der Akte).Mit Schreiben vom 18. Oktober 2019 (Bl. 39 der Akte) ist dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis 28. Februar 2021 für die Tätigkeit in dem Projekt „AlphaGrund II“ eine Funktionszulage von 286 Euro zugesagt worden.
Ab dem 1. Januar 2020 wurde Herr C eingestellt, der als Nachfolger von Herrn A vorgesehen war. Am 31. März 2020 schied Herr A aus.
Mit E-Mail vom 27. März 2020 (Bl. 40 der Akte) teilte der Kläger folgendes mit:
„Hallo C, durch das Ausscheiden von A als Regionalleiter und das nun folgende Ende der Übergangsphase an Dich sehe ich die mit A getroffene Vereinbarung zu den Regionalleiter-Assistenzaufgaben vom 20.07.2018 (siehe Anhang) zum 31.03.2020 als beendet an. Entsprechend weise ich darauf hin, dass damit auch die hierfür gewährte Funktionszulage endet. Sollte ich Aufgaben, die bisher über das da oben genannte Papier abgedeckt wurden, auch zukünftig begleiten, bin ich gerne für ein Gespräch mit Dir bereit.“
Die Parteien verhandelten nach dem 31. März 2020 über eine eventuelle Nachfolgevereinbarung. In dieser Zeit zahlte der Beklagte die Zulage an den Kläger zunächst fort. Am 14. Oktober 2020 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und Herrn C über infrage kommende Zusatzaufgaben statt. Mit E-Mail vom 23. Oktober ist dem Kläger ein konkretes Angebot gemacht worden, wie seine Aufgaben zukünftig aussehen könnten. Ende Oktober 2020 sind diese Gespräche gescheitert. Mit E-Mail vom 30. Oktober 2020 teilte Herr C dem Kläger mit, dass die Zusatzaufgaben und die Zulage zum 1. November 2020 enden würden (Bl. 41 der Akte) .
Mit Schreiben vom 12. November 2020 erklärte der Beklagte den Widerruf der gezahlten Zulage (Bl. 45 der Akte).
Am 16. Dezember 2020 hat der Kläger bei dem Arbeitsgericht Da...