Rz. 13
In Abs. 1 Satz 1 wird der Unfallversicherungsträger verpflichtet, mit allen geeigneten Mitteln der Gefahr entgegenzuwirken. Insoweit ist kein Ermessen eingeräumt. Die Auswahl der Mittel steht jedoch im pflichtgemäßen Ermessen (Auswahlermessen). Dabei hat der Unfallversicherungsträger insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Dies bedeutet, dass unter Beachtung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen das geeignete Mittel zu ergreifen ist. Ferner gibt die Gesetzesbegründung (BR-Drs. 642/97) vor, dass die Verpflichtung des Trägers "auf das bei vernünftiger Auslegung Erreichbare" begrenzt ist. Der Regelungszusammenhang von Abs. 1 Satz 1 und 2 macht eine Abstufung deutlich, wonach der Träger zunächst der Gefahr entgegenzuwirken hat (Satz 1). Nur dann, wenn dies nicht zum Erfolg führt, hat er auf das Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit hinzuwirken (Satz 2).
Rz. 14
Grundsätze zum Arbeitsschutz und zur Prävention sind nicht nur im SGB VII (vgl. dazu §§ 14 bis 25), sondern in weiteren Gesetzen (Arbeitssicherheitsgesetz – ASiG, Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG, Geräte- und Produktsicherheitsgesetz – GPSG) und in einer Vielzahl von Verordnungen (Arbeitsstättenverordnung, Baustellenverordnung, Betriebssicherheitsverordnung, Bildschirmarbeitsverordnung, Biostoffverordnung, Druckluftverordnung, Gefahrstoffverordnung, Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung, Lastenhandhabungsverordnung, Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge, Maschinenverordnung, PSA-Benutzungsverordnung, Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz) durchnormiert. Hinzu kommen EG-Richtlinien (Baustellen-Richtlinie 92/57 EWG und Maschinenrichtlinie 2006/42 EG) sowie Technische Regeln (für Arbeitsstätten – ASR, für Gefahrstoffe – TRGS, für Betriebssicherheit – TRBS und zum Arbeitsschutz auf Baustellen – RAB) und die vom BMAS herausgegebene Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm). Die Unfallversicherungsträger haben diese Regeln konkretisiert in BG-Vorschriften, BG-Regeln, BG-Grundsätzen und Sicherheitsmerkblättern (vgl. z. B. unter www.bgbau-medien.de).
Rz. 15
In der Literatur (Becker, § 9 SGB VII Rz. 404 bis 408; Mehrtens/Perlebach, § 3 BKV Anm. 3.3 bis 3.6; Koch, in: Lauterbach § 9 SGB VII Anh. III § 3 BKV Rz. 65 bis 71; Römer, in: Hauck/Noftz § 3 BKV Rz. 30 bis 34; Benz, BG 1995 S. 367) werden im Einzelnen folgende Gruppen von Maßnahmen genannt:
- Technische Maßnahmen, z. B. Absaugeinrichtungen zum Schutz vor Dämpfen, Schutzvorrichtungen gegenüber Hitze, Staub, ionisierender Strahlung usw., Ersatz gefährlicher Arbeitsstoffe durch ungefährliche Ersatzstoffe, usw.,
- Organisatorische Maßnahmen, z. B. Änderung von Arbeitsabläufen bzw. des Produktionsverfahrens, Begrenzung der Arbeitszeit,
- Persönliche Schutzmaßnahmen, z. B. Schutzhandschuhe, Schutzkleidung, Atem- und Staubschutzmasken, Gehörschutz, Vollschutz-Einmalkleidung, Hautschutz- und Hautpflegemittel,
- Medizinische Maßnahmen, z. B. Rückentraining, vorbeugende Heilbehandlung, wobei Versicherungsschutz nach § 11 SGB VII besteht.