Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Urlaubsanspruch während "Kurzarbeit Null"
Leitsatz (amtlich)
1. Jedenfalls eine vertragliche Vereinbarung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer über "Kurzarbeit Null" führt zu einer quotalen Reduzierung des Jahresurlaubsanspruchs des Arbeitnehmers nach den Berechnungsregeln im Urteil BAG vom 19. März 2019 (9 AZR 315/17).
2. Eine vertragliche Vereinbarung in diesem Sinne ist auch eine wirksame Betriebsvereinbarung über die Einführung von "Kurzarbeit Null".
Normenkette
BUrlG §§ 1, 3; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Villingen-Schwenningen (Entscheidung vom 19.01.2021; Aktenzeichen 3 Ca 194/20) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen vom 19.01.2021, Az.: 3 Ca 194/20 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang des Urlaubsanspruchs des Klägers für das Jahr 2020, insbesondere darüber, ob sich dieser durch Tage mit völligem Arbeitsausfall durch Kurzarbeit (Kurzarbeit Null) auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung verringert hat.
Der Kläger ist auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26.03.2020 als Mitarbeiter in der Dreherei bei der Beklagten beschäftigt. Das monatliche Bruttoentgelt beträgt 3.550,86 EUR. Der Urlaub beträgt derzeit bei 5 Arbeitstagen pro Woche 30 Arbeitstage je Kalenderjahr gemäß § 6 des Arbeitsvertrages.
In der Folgezeit hat die Beklagte den Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2020 im Umfang von 23 Tagen erfüllt. Einen weitergehenden Anspruch hat die Beklagte wegen der Kurzarbeit Null des Klägers als nicht entstanden bestritten. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 2 des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Im Arbeitsvertrag vom 23./26.03.2018 (vom Kläger als Anlage K1 erstinstanzlich vorgelegt) haben die Parteien unter § 3 Arbeitszeit in Absatz 4 vereinbart:
"Der Arbeitgeber ist berechtigt, Kurzarbeit (vgl. derzeit §§ 95ff. SGB III) im Rahmen der tariflichen Bestimmungen einseitig anzuordnen, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist. Dabei ist die Belegschaft mit einer kollektiven Ankündigungsfrist von 3 Wochen zum Wochenschluss über die Durchführung von Kurzarbeit im Betrieb zu informieren. Der Arbeitgeber ist ferner berechtigt, nach Maßgabe anderer gesetzlicher oder tarifvertraglicher Bestimmung eine vorübergehende Absenkung der Arbeitszeit anzuordnen. In den in Ziffer 4 und 5 genannten Fällen vermindern sich Arbeitszeit und Arbeitsentgelt des Beschäftigten entsprechend."
Ferner haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 23./26.03.2018 unter "§ 2 Geltung von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsanweisungen" vereinbart:
"Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Betrieb räumlich und fachlich geltenden mit der IG Metall vereinbarten Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung, sofern der Beschäftigte jeweils unter den persönlichen Anwendungsbereich fällt.
...
Die mit dem Betriebsrat getroffenen Betriebsvereinbarungen sowie alle gültigen Richtlinien und Arbeitsanweisungen sind Bestandteil des Anstellungsvertrages (...)."
Mit Betriebsvereinbarung vom 30.03.2020 haben die Betriebsparteien ab dem 2.4.2020 Kurzarbeit eingeführt. Es wurde in § 1 der BV die Geltung für alle Arbeitnehmer bei der Beklagten vereinbart. Damit ist auch der Kläger vom Geltungsbereich erfasst. Die Betriebsvereinbarung lautet auszugsweise:
"§ 2 Beginn und Umfang der Kurzarbeit, Verteilung der Arbeitszeit
Für die Zeit vom 06. April 2020 bis 31. Mai 2020 wird Kurzarbeit eingeführt
Die Betriebsparteien verständigen sich
- welche Abteilung
- in welchem Umfang
von Kurzarbeit betroffen sein wird,
welche Arbeitnehmer der betroffenen Abteilungen ggf. von der Einbeziehung ausgenommen werden,
- und wie die verringerte Wochenarbeitszeit verteilt wird.
Stichtag der Abrede für die Kurzarbeit Mai (Plan) ist der 22.04.2020.
Die Kurzarbeitspläne sind von den Betriebsparteien zu unterzeichnen und werden Teil dieser Betriebsvereinbarung (Eine Veröffentlichung des Gesamt-Plans findet nicht statt, aber die Verkündung an die jeweils betroffenen im relevanten Umfang).
Die Einführung der Kurzarbeit wird unter die Bedingung gestellt, dass die Agentur für Arbeit das Kurzarbeitergeld zahlt.
§ 3 Veränderung und Beendigung der Kurzarbeit
Verbessert sich die Situation, kann die Kurzarbeit mit Zustimmung des Betriebsrates beendet oder der Umfang der Kurzarbeit geändert werden.
Besteht die Notwendigkeit, die Kurzarbeit zu verlängern, bedarf es der erneuten Vereinbarung mit dem Betriebsrat unter Beachtung der tariflichen Ankündigungsfristen.
Ist in Eil- oder Notfällen oder sonstigen betriebsbedingten Gründen die Überschreitung der Kurzarbeit notwendig, bedarf es hierzu einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat.
Eine Unterbrechung, Ausweitung, Verlängerung oder vorzeitige Bee...