Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlungsgrundsatz nach Betriebsübernahme. allgemeine Lohnerhöhung
Leitsatz (redaktionell)
Bestehen nach einem Betriebsübergang aufgrund des Bestandsschutzes nach § 613 Abs. 1 BGB verschiedene Vergütungssysteme im Betrieb, ist kein Anspruch auf Lohnanpassung oder -erhöhung nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gegeben, da die unterschiedliche Vergütung sachlich gerechtfertigt ist.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, § 613a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 17.02.2005; Aktenzeichen 4 Ca 11787/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 17.02.2005, Az. 4 Ca 11787/04, teilweise abgeändert:
Die Klage wird auch im Übrigen abgewiesen.
Auf die Widerklage der Beklagten wird festgestellt, dass dem Kläger ab Februar 2005 kein Anspruch auf die allgemeine Vergütungserhöhung des Jahres 2004 in Höhe von 35,00 EUR zusteht.
2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
4. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Gehaltserhöhung ab Februar 2004. Wegen des Parteivortrages und der Sachanträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 17.02.2005 (Blatt 84 ff. der Akte) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Widerklage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung Anspruch auf eine Gehaltserhöhung. Die Beklagte verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung dadurch, dass sie Arbeitnehmer ohne „XX-Standardvertrag” wie den Kläger und solche Beschäftigte, die diesen Arbeitsvertrag hätten, unterschiedlich behandle. Sinn der Gehaltserhöhung sei der Ausgleich der inflationsbedingten Teuerungsrate. Da die Beklagte nach einem generalisierenden Prinzip diesen Kaufkraftausgleich gewähre, müsse der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt werden. Die „unterschiedlichen Welten” der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer mit und ohne Standard-Arbeitsvertrag seien kein sachliches Differenzierungskriterium. Zwar könnten sich die Arbeitnehmer bei abgeschlossenen Regelungskomplexen nicht jeweils unter Berufung auf das Gleichbehandlungsgebot „die Rosinen herauspicken”. Bei jährlichen generellen Gehaltserhöhungen sei aber der Gleichbehandlungsgrundsatz anzuwenden. Allein der Betriebsübergang und die dadurch entstandene Vielfalt von Arbeitsbedingungen entbinde den Arbeitgeber nicht von der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer bei generellen Maßnahmen. Lediglich wenn die Vergütung des Klägers bereits eine Regelung zum Kaufkraftausgleich enthalte, könne eine Differenzierung zulässig sein. Das sei aber nicht der Fall. Das Arbeitsgericht meint, der Schutzzweck des § 613 a BGB werde in sein Gegenteil verkehrt, wenn die zulässige Berufung des Klägers auf seine alten Arbeitsbedingungen dazu führe, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz bei allgemeinen Lohnerhöhungen deshalb für ihn beseitigt werde. Ob die Betriebsvereinbarung zur allgemeinen Lohnerhöhung wirksam sei, sei unerheblich, da auch die Betriebspartner den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten müssten und der Kläger unabhängig von der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung die Gleichbehandlung mit den Kollegen, die einen Teuerungsausgleich erhielten, verlangen könne. Allerdings stehe ihm die allgemeine Erhöhung (35,00 EUR monatlich) nur zeitanteilig entsprechend seiner wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden (im Vergleich zu den 38 Stunden arbeitenden Arbeitnehmern mit „Standard Arbeitsvertrag”) zu. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Widerklage sei unbegründet, da der Kläger einen Anspruch auf Lohnerhöhung habe.
Das Urteil ist beiden Parteien am 13.05.2005 zugestellt worden. Mit der am 12.05.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und am 07.07.2005 ausgeführten Berufung rügt die Beklagte, der Arbeitgeber dürfe unterschiedliche Arbeitnehmergruppen auch beim Vergütungssystem unterschiedlich behandeln. Einschlägig sei hier das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.11.2003 (AP Nr. 15 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung), wonach unterschiedliche Vergütungssysteme angewandt werden dürften, wenn die Gruppenbildung auf sachlichen Gründen beruht. Auch die weitere Entwicklung solcher Systeme sei nicht Gegenstand der Überprüfung innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit. Lediglich die sachfremde Gruppenbildung und willkürliche Schlechterstellung innerhalb einer Gruppe sei verboten, nicht aber eine Ungleichbehandlung der Gruppen. Tatsächlich behandle die Beklagte den Kläger nicht ungleich. Sie habe dem Kläger eine Tariflohnerhöhung zum 01.06.2003 gewährt und ihm nach Ablauf der Jahresfrist (01.11.2003) den XX-Standardvertrag angeboten. Im Grunde handele es sich vorliegend um eine Stichtagsregelung, da alle Mitarbeiter, die den XX-Standardvertrag angenommen hätten, ab 01.11.2003 wie die bisherigen Mitarbeiter der Bek...