Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der anteiligen Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit "Null". Kürzung des Urlaubsanspruchs bei konjunktureller Kurzarbeit zulässig. Keine Vergleichbarkeit von Kurzarbeit und Annahmeverzug
Leitsatz (amtlich)
Für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer aufgrund konjunktureller Kurzarbeit "Null" keine Arbeitspflicht haben, ist der jährliche Urlaubsanspruch anteilig zu kürzen.
Normenkette
RL 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1; BUrlG §§ 1, 3, 11 Abs. 1 S. 3; SGB III § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2; ZPO §§ 128a, 97 Abs. 1, § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Urlaub der Klägerin für das Jahr 2020 wegen Kurzarbeit gekürzt werden durfte.
Die Klägerin ist seit dem 01.03.2011 bei der Beklagten als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten gegen eine Vergütung in Höhe von 9,35 € brutto pro Stunde beschäftigt. Vereinbart ist eine Arbeitszeit von drei Tagen pro Woche.
Arbeitsvertraglich steht ihr ein jährlicher Urlaubsanspruch von 28 Werktagen zu.
Als Folge der Covid-19- Pandemie musste im Betrieb der Beklagten Kurzarbeit eingeführt werden. Diese wurde mit den jeweiligen Mitarbeiter/innen - u.a. der Klägerin - vereinbart. In den Monaten April und Mai 2020 wurde der Klägerin zunächst bestehender Resturlaub aus Vorjahren gewährt. Anschließend befand sie sich - in den Monaten Juni und Juli 2020 durchgehend - in Kurzarbeit "Null". In der Zeit vom 01.08. bis zum 08.08.2020 und vom 01.09.2020 bis zum 18.09.2020 erhielt sie Urlaub. Für die Urlaubszeit ist die Klägerin einvernehmlich aus der Kurzarbeit herausgenommen worden. Im gesamten Monat Oktober 2020 galt vereinbarungsgemäß wiederum durchgehend Kurzarbeit "Null". Im November und Dezember 2020 hat sie an insgesamt fünf Tagen gearbeitet.
Mit ihrer der Beklagten am 14.09.2020 zugestellten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr stünde für das Jahr 2020 ein ungekürzter Urlaubsanspruch im Umfang von 28 Werktagen zu, was umgerechnet auf die vereinbarte 3-Tage-Woche 14 Urlaubstage ergebe. Die Kurzarbeit könne nicht zu einer Reduzierung des Urlaubsanspruchs führen. Hierfür fehle es an einer Rechtsgrundlage. Es gebe weder einen einschlägigen Tarifvertrag noch eine Betriebsvereinbarung, der eine solche Kürzung vorsehe. Nach dem Bundesurlaubsgesetz sei für die Entstehung des Urlaubsanspruchs allein auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses abzustellen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass ihr aus dem Jahr 2020 ein restlicher Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen (28 Werktagen) gegen die Beklagte zusteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Urlaubsanspruch könne für Zeiten einer Kurzarbeit "Null" gekürzt werden. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit sei eine Kürzung um 1/12 vorzunehmen, was monatlich 2,33 Werktagen entspreche. Zur Begründung hat die Beklagte auf einschlägige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs verwiesen. Kurzarbeiter seien mit Teilzeitbeschäftigten vergleichbar. Die Leistungspflichten während der Kurzarbeit seien suspendiert; bei fehlender Arbeitspflicht entstünden keine Urlaubsansprüche.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.10.2020 - AZ: 1 Ca 2155/20 - abgewiesen. Nach dem Recht der Europäischen Union erwerbe ein Arbeitnehmer Urlaubsansprüche nur für Zeiten, in denen er tatsächlich gearbeitet habe. Das Bundesurlaubsgesetz enthalte keine für die Arbeitnehmer günstigeren Regelungen.
Gegen dieses Urteil, welches der Klägerin am 29.10.2020 zugestellt worden ist, hat sie mit einem am 26.11.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 29.12.2020 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin rügt, das Arbeitsgericht habe die Rechtslage falsch beurteilt. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Kürzung des Urlaubsanspruchs. Ein solches Recht ergebe sich weder aus § 3 BurlG noch aus Europäischem Recht. Soweit der EuGH in Entscheidungen vom 08.11.2012 - C-229/11 und C-230/11 - entschieden habe, dass eine Urlaubskürzung bei Kurzarbeit zulässig sei, habe dies ausschließlich für den Fall gegolten, dass eine entsprechende kollektivrechtliche Regelung bestehe. Außerdem habe es sich um einen Fall der Transfer-Kurzarbeit, nicht wie vorliegend um konjunkturelle Kurzarbeit gehandelt. Jedenfalls für konjunkturelle Kurzarbeit scheide eine Kürzungsmöglichkeit aus. So habe ein Arbeitnehmer während der konjunkturellen Kurzarbeit keine den Erholungszwecken dienende Freizeit. Die Zeit während Kurzarbeit "Null" sei nicht planbar, da der Arbeitnehmer jederzeit mit einer Wiederaufnahme der Arbeit rechnen müsse. Auch unterliege der Arbeitnehmer wäh...