Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers aufgrund betriebsbedingter Kündigung wegen der Weigerung des Tragens einer roten Arbeitsschutzhose
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitgeber eines Produktionsbetriebes ist kraft seines Direktionsrechts aus § 106 GewO berechtigt, die Arbeitnehmer der Produktion und der produktionsnahen Bereiche anzuweisen, eine von ihm gestellte Arbeitsschutzhose in roter Farbe zu tragen, wenn die Farbwahl neben dem Umstand, dass der Firmenschriftzug gleichfalls seit jeher in roter Farbe geführt wird (Argument der "Corporate Identity"), zusätzlich dadurch begründet ist, dass die Signalfarbe Rot bewusst zur Verbesserung der Arbeitssicherheit im Hinblick auf die Risiken durch Gabelstaplerverkehr in den Produktionsbereichen gewählt wurde.
2. In einer solchen Anordnung liegt zwar ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Arbeitnehmers. Dieses wird jedoch nur im Bereich der Sozialsphäre betroffen. Lehnt der Arbeitnehmer das Tragen einer Arbeitsschutzhose der Farbe Rot ohne jede nähere Begründung und letztlich somit "aus Prinzip" ab, die er zuvor jahrelang unbeanstandet getragen hat, setzt sich in der im Rahmen der Billigkeitsprüfung vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung das Interesse des Arbeitgebers an einer Verbesserung der Arbeitssicherheit und der Schaffung einer Corporate Identity durch.
3. Verweigert der Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der somit wirksamen Anordnung trotz mehrerer Personalgespräche und zweier Abmahnungen unverändert das Tragen einer roten Arbeitsschutzhose, rechtfertigt dies zumindest die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2; GewO § 106; BGB §§ 314-315, 618
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 30.11.2020; Aktenzeichen 6 Ca 4687/20) |
ArbG Solingen (Aktenzeichen 1 Ca 1749/23) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 15.03.2024 – Az.: 1 Ca 1749/23 – wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Anweisung zum Tragen einer roten Arbeitsschutzhose, die Berechtigung des Klägers, sich der Anweisung zu verweigern sowie daraus resultierenden Abmahnungen vom 03. und 23.11.2023, über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die dann ausgesprochene arbeitgeberseitige, ordentliche Kündigung vom 27.11.2023 zum 29.02.2024 und über den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.
Der Kläger war seit dem 01.06.2014 bei der Beklagten, die in ihrem R. Betrieb regelmäßig etwas mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt und bei der kein Betriebsrat besteht, als Mitarbeiter im Produktionsbereich gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.800,00 € tätig. Er war im Bereich Produktion/Montage – zuletzt in der Abteilung Produktion Betriebsmittel/Produktionstechnik – beschäftigt. Zu seinen Aufgaben zählten insbesondere die Verarbeitung von Aluminium-Konstruktionsprofilen zu Betriebsmitteln, das Arbeiten mit Kappsägen und Akkubohrern zur Montage und zum Zuschneiden der Profile sowie kniende Arbeiten auf dem Boden, vor allem bei der Montage. Nach der Einlassung des Klägers in der mündlichen Berufungsverhandlung wirkte er als Mitarbeiter der Instandhaltung in den letzten Monaten vor der Kündigung im Keller an der Neukonstruktion einer Maschine mit. Er hatte Zugang zu und bewegte sich je nach Einsatz und Notwendigkeit in allen Hallenbereichen und damit auch in solchen, in denen Gabelstapler fahren.
Bei der Beklagten gilt eine Hausordnung. Im September 2023 machte sie eine Neufassung der Hausordnung mit Wirkung ab 01.10.2023 bekannt, wegen deren Inhalts auf die Anlage vangard 1 (Blatt 65 ff. der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen wird. Diese enthielt unter anderem unter Ziffer 7 auszugsweise wörtlich folgende Regelungen:
„7. Arbeitskleidung
7.1 Funktionskleidung
Jede Mitarbeiterin bzw. jeder Mitarbeiter repräsentiert item und soll unmittelbar so wahrgenommen werden.
Für alle betrieblichen Tätigkeiten in Montage, Produktion und Logistik stellt item funktionelle Arbeitskleidung nach den Vorgaben des item Corporate Designs zur Verfügung. Diese Kleidung ist bei den o.g. Tätigkeiten aus Gründen der Funktionalität und der Arbeitssicherheit zu tragen. Dies gilt auch für die produktionsnahen Aufgaben der Instandhaltung, des Gebäudemanagements sowie der Qualitätssicherung.
Diese Arbeitskleidung wird den Mitarbeitenden einschließlich der Teamleitungen zum Tätigkeitsbeginn nach den unten aufgelisteten Modalitäten gestellt. Sie ist bei der Ausübung der Arbeit zu tragen und wird zentral bestellt und geliefert. [...]
7.1.1 Betriebliche Kleidung
Die Grundausstattung besteht aus:
2 Hosen, Grundfarbe rot
2 Sweatshirts, grau
5 Oberteilen (wahlweise T-Shirts oder Polohemden), grau
[...]“
Rote Arbeitshosen sind bei der Beklagten nicht erst seit dieser Neufassung der Hausordnung im Einsat...