Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsübertragung bei Arbeitsfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.09.2009 – C-277/08 Vicente Pereda –, RIW 2010, 162 ff., ist § 7 Abs. 3 BUrlG im Licht der Richtlinie 2003/88/EG unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass der gesetzliche Anspruch auf vierwöchigen Erholungsurlaub weder auf das Ende des Kalenderjahres noch auf das Ende des Übertragungszeitraums befristet ist. Der Anspruch besteht demzufolge auch im Falle der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers fort (in diesem Sinne schon LAG Baden-Württemberg 12.04.1967, BB 1967, 757); gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist dann der Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer nicht mehr gewährt werden kann, auszuzahlen.
Normenkette
Richtlinie 2003/88/EG Art. 7; BUrlG §§ 1, 7, 13
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Urteil vom 11.11.2009; Aktenzeichen 4 Ca 2087/08) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 11.11.2009 wird kostenfällig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltung. Der Kläger hatte während des Anstellungsverhältnisses, das von September 2002 bis Ende August 2008 dauerte, keinen Erholungsurlaub in Anspruch genommen und verlangt von dem Beklagten nunmehr den Betrag von EUR 129.686,00 brutto als Abgeltung der offenen Urlaubstage. Der Beklagte wendet im Wesentlichen ein, dass weder eine gesetzliche noch vertragliche Übertragung des jeweiligen Jahresurlaubs stattgefunden habe.
Der am 31.08.1938 geborene Kläger hatte seit 1995 für die G. AG, einer Tochtergesellschaft der Schuldnerin, Führungsaufgaben in indischen Tochtergesellschaften der Schuldnerin wahrgenommen. Anfang 2002 bot ihm die Schuldnerin, um sich seiner Dienste über das Erreichen des Renteneintrittsalters hinaus zu vergewissern, einen bis zum 31.08.2007 befristeten Anstellungsvertrag an. Dabei ging sie davon aus, dass der Kläger entweder unter Verlängerung des Arbeitsverhältnisses den aufgelaufenen Urlaub bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres nehmen oder für die aufgelaufenen Urlaubstage mit der hälftigen Vergütung abgefunden werde. Am 25.04.2002 kam daraufhin zwischen dem Kläger und der C. Verwaltungsdienste GmbH ein Anstellungsvertrag zustande, aufgrund dessen der Kläger für zwei indische Tochtergesellschaften der Schuldnerin zur weiteren Wahrnehmung der dortigen Funktion des Geschäftsführers sowie für leitende Aufgaben in anderen ausländischen Konzernunternehmen abgestellt wurde. In § 8 des Anstellungsvertrages vom 25.04.2002 ist wörtlich bestimmt:
„Herr L. hat Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub von dreißig Arbeitstagen, der in Abstimmung mit den übrigen Geschäftsführern der indischen Gesellschaften und dem für die Gesellschaften zuständigen Vorstandsmitglied [der Schuldnerin] zeitlich so festzulegen ist, dass die Belange der Gesellschaft nicht beeinträchtigt werden.
Eine Übertragung von Resturlaub auf Folgejahre ist möglich. Falls am Tage der Beendigung des Vertrages noch Resturlaub vorhanden ist, wird dieser mit 50 % vergütet.”
Bevor die insolvente C. Verwaltungsdienste GmbH zum 30.06.2003 ihre Geschäftstätigkeit einstellte, kamen der Kläger und die Schuldnerin, über deren Vermögen am 01.09.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, am 20./24.03.2003 überein, miteinander das (bis zum 31.08.2007 befristete) Arbeitsverhältnis „zu den bisherigen vertraglichen Bedingungen” fortzusetzen. Unter dem 20.07/17.08.2007 vereinbarten der Kläger und der Beklagte als Insolvenzverwalter der Schuldnerin „aufgrund der notwendigen Abwicklungs- arbeiten die Verlängerung des Anstellungsverhältnisses bis zum 31.08.2008”. Wörtlich heißt es in der Vereinbarung noch:
„Daneben verpflichten Sie sich, bis zum 31.08.2008 mindestens 30 Tage Urlaub zu nehmen”.
Dem Kläger wurde bis zum 31.08.2008 kein Urlaub erteilt. In den Gehaltsabrechnungen war – bis auf zehn unberücksichtigt gebliebene Urlaubstage – jeweils der (offene) Resturlaub einschließlich bereits bei der G. AG erworbener Urlaubstage ausgewiesen worden.
Mit der Ende November 2008 vor dem Arbeitsgericht Oberhausen erhobenen Klage hat der Kläger den Beklagten auf Urlaubsabgeltung in Anspruch genommen und unter Zugrundelegung seiner durchschnittlichen Monatsbezüge von EUR 23.031,65 brutto den Abgeltungsbetrag auf insgesamt EUR 129.686,00 brutto beziffert.
Der Beklagte hält dem – der Höhe nach unstreitigen – Verlangen auf Urlaubsabgeltung entgegen, dass § 8 des Anstellungsvertrages den Zeitraum für die Urlaubsübertragung lediglich auf den 31.12. des jeweiligen Folgejahres ausdehne und es zudem bei den nach § 7 Abs. 3 BUrlG für die Übertragung vorausgesetzten dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen belasse. Der Kläger habe das Vorliegen eines Übertragungstatbestandes nicht dargelegt, im Übrigen auch zu keiner Zeit Urlaubsanträge eingereicht.
Das Arbeits...