Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Berufungsbegründung
Leitsatz (amtlich)
Unzulässigkeit einer Berufung, die auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt wird, ohne dass Tatsachen vorgetragen werden, die eine Zulassung nach § 67 Abs. 2, 3 ArbGG begründen können.
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Berufungsbegründung, die keine Rechtsverletzung aufzeigt, die für die angefochtene Entscheidung erheblich ist und keinen Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründet, entspricht nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 u. 3 ZPO.
2. Wird die Berufungsbegründung auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO), so muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie derjenigen Tatsachen enthalten, aufgrund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sind. Dabei richtet sich die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 67 ArbGG.
Normenkette
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4; ArbGG § 67; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 09.05.2018; Aktenzeichen 1 Ca 194/18) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 09.05.2018 - 1 Ca 194/18 - wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung der Beklagten beendet ist.
Der 1975 geborene, verheiratete, gegenüber vier Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit 1992 bei der Beklagten als Mitarbeiter in der Galvanik beschäftigt. Er erzielte zuletzt eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung von 2.800,00 Euro.
Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.
Es besteht ein Betriebsrat.
Der Kläger war in den vergangenen Jahren in einem zwischen den Parteien streitigen Umfang arbeitsunfähig krank. Die Beklagte führte mit ihm am 21.05.2015, 10.03.2016, 08.12.2016, 05.04.2017 und 10.11.2017 Gespräche zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, deren Inhalt im Einzelnen streitig ist.
Eine bereits im Jahre 2003 im Hinblick auf den krankheitsbedingten Ausfall des Klägers ausgesprochene Kündigung der Beklagten führte nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Mit Schreiben vom 17.01.2018 (Bl. 19 - 22 d. A.) hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis erneut im Hinblick auf die krankheitsbedingten Ausfälle des Klägers ordentlich kündigen zu wollen. Der Kläger bestreitet den Zugang des Schreibens bei dem Betriebsrat.
Mit Schreiben vom 25.01.2018 (Bl. 10 d. A.), ihm am 26.01.2018 zugegangen, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.08.2018.
Mit seiner am 01.02.2018 bei dem Arbeitsgericht Iserlohn eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung und begehrt die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses. Mit Klageerweiterung vom 26.02.2018 verlangt er seine vorläufige Weiterbeschäftigung.
Er hat die Auffassung vertreten:
Die Beklagte habe ihre Darlegungslast weder zu seinen krankheitsbedingten Ausfällen noch zur Durchführung der Betriebsratsanhörung erfüllt. Für das Jahr 2015 habe sie dem Betriebsrat Arbeitsunfähigkeitstage angegeben, die nicht mit der von ihr vorgelegten Kalenderaufstellung übereinstimmten. Eine negative Gesundheitsprognose sei nicht gegeben.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.01.2018, zugegangen am 26.01.2018, mit Wirkung zum 31.08.2018 aufgelöst worden ist;
ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art, Dauer sowie Führung und Leistung erstreckt;
die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Mitarbeiter in der Oberflächenbearbeitung (Galvanik) zu sonst gleichbleibenden Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Vorlage umfangreicher Anlagen (Bl. 16 - 85 d. A.) vorgetragen:
Die Tatsachen zu den krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers und der daraus folgenden Zukunftsprognose ergäben sich aus ihren Ausführungen im an den Betriebsrat gerichteten Anhörungsschreiben vom 17.01.2018. Aufgrund des Beobachtungszeitraums von fünf Jahren und Ausfallzeiten des Klägers jeweils mit mehr als 30 Tagen pro Kalenderjahr dürfe sie von einer Negativprognose ausgehen.
In diversen BEM-Gesprächen habe er wiederholt darauf hingewiesen, an einer Erkrankung des Halswirbels zu leiden, aber dem Rat seines Hausarztes, das Leiden operativ behandeln zu lassen, nicht folgen zu wollen. Er habe ferner in diesen Gesprächen wieder...