Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 20 Nr. 3 des sog. Artisten-Tarifvertrages vom 1.7.1972, nach der der Arbeitgeber im Falle einer Erkrankung während des Engagements innerhalb von 24 Stunden von dem Arbeitnehmer verlangen kann, daß er sich einer Untersuchung durch einen vom Arbeitgeber genannten Arzt unterzieht und von diesem ein Attest vorlegt, umfaßt nicht das Recht des Arbeitgebers, eine Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch seinen Haus- oder Vertrauensarzt zu fordern.
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Urteil vom 12.05.1976; Aktenzeichen 2 Ca 1216/75) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Mai 1976 verkündete Urteil der 2. Kamer des Arbeitsgerichts Paderborn – 2 Ca 1416/75 – wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen daß hinsichtlich des ersten Rechtszuges die durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten von der Klägerin allein zu tragen sind.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.800,72 DM festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit der Klage wird im Berufungsverfahren lediglich noch restliche Gage gefordert, während Gegenstand der Widerklage die Zahlung einer Vertragsstrafe ist.
Die am 27.9.1952 geborene Klägerin ist seit einigen Jahren mit einem Glasreiniger verheiratet. Sie hat ein Kind im Alter von 2–3 Jahren.
Die Beklagte ist seit 1972 in L. Inhaberin des Nachtlokals „M.”, in dem auch Striptease-Aufführungen stattfinden. Sie beschäftigt regelmäßig 8–12 Arbeitnehmer.
Durch Vermittlung der Agentur B., D., schlossen die Parteien unter dem 9.1.1975 einen schriftlichen Engagements-Vertrag (vgl. Hülle Bl. 5). Hierin verpflichtete sich die Klägerin, in der Zeit vom 1.3.–31.3.1975 in dem Lokal der Beklagten als Universalartistin mit 4 Striptease-Vorführungen zwischen 22 und 4 Uhr aufzutreten. Die Beklagte garantierte 26 Spieltage und sagte eine Tages-Pauschalgage von 150,– DM nebst 10,– DM Urlaubsgeld pro Spieltag zu. Für den Fall, daß eine der Parteien schuldhaft gegen Vorschriften des Tarif- oder Engagementsvertrages verstoßen sollte, wurde eine Konventionalstrafe in Höhe der Gesamtgage vereinbart. Diese Abrede bezog sich auf den dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegenden „Tarifvertrag zwischen dem Internationalen Varieté-Theater und Circus-Direktoren-Verband in der Bundesrepublik Deutschland, dem Verband Deutscher Theater- u. verwandten Unternehmungen und der Internationalen Artistenloge” vom 1.7.1972, der seit diesem Tage in Kraft ist.
Die unter dem Künstlernamen R. M. auftretende Klägerin trat ihr Engagement bei der Beklagten fristgerecht an. Diese überließ ihr ein über dem Lokal liegendes Zimmer als Unterkunft, wofür ein Mietpreis von 100,– DM zu zahlen war. Die Beklagte hatte im März 1975 4 Künstlerinnen engagiert, davon 2 weitere Tänzerinnen.
Nach ihrer Darstellung verspürte die Klägerin am Montag, dem 24.3.1975, Schmerzen am Knie, glaubte jedoch, diese wurden sich legen, so daß sie am nächsten Tag wieder auftreten könne. Da die Schmerzen am Nachmittag des nächsten Tages angeblich aber verstärkt vorhanden waren, begab sie sich gegen 17 Uhr in die Praxis des Facharztes für innere Krankheiten Dr. H., L., M.. Der Arzt stellte ihr eine Bescheinigung aus, nach der sie voraussichtlich bis zum 15.4. 1975 arbeitsunfähig krank war (vgl. Bl. 5 d.A.).
Die Klägerin, die an diesem Abend um 23 Uhr erstmals auftreten sollte, legte der Beklagten kurz vorher das Attest vor und berief sich darauf, wegen Krankheit nicht tätig werden zu können. Es kam deswegen zu einer Auseinandersetzung der Parteien, an der der Ehemann der Klägerin und der Ehemann der Beklagten zeitweise teilnahmen und bei der die Beklagte die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bezweifelte. Verlauf und Inhalt dieses Gesprächs sind strittig.
Im Zuge der Unterredung forderte die Klägerin von der Beklagten weitere Gage. Sie hatte bis dahin lediglich 1.700,– DM erhalten, nämlich 900,– DM am 8. März und 800,– DM am 16. März. Eine Zahlung unterblieb indes.
Die Klägerin packte schließlich ihre Sachen und verließ L. in einem Auto in Begleitung ihres Ehemannes und ihres Kindes.
Mit der am 2.6.1975 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingereichten Klage hat die Klägerin die Zahlung von 6.620,– DM brutto gefordert. Diese Summe setzt sich aus 2.460,– DM Restgage (26 × 160,– DM = 4.160,– DM – 1.700,– DM) und 4.160,– DM Konventionalstrafe zusammen.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat sich durch Beschluß vom 8.10.1975 (8 Ca 2792/75) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Paderborn verwiesen.
Die Beklagte hatte schon mit Schriftsatz vom 24.6.1975 Widerklage auf Zahlung von 3.340,72 DM erhoben. Hierbei handelt es sich um die mit 4.150,– DM errechnete Konventionalstrafe abzüglich restlicher Netto-Gage von 809,28 DM.
Die Klägerin hat zur Begründung ihres Zahlungsanspruchs vorgetragen:
Der von ihr aufgesuchte Dr. H. sei ihr von einem Mitarbeiter der Beklagten genannt worden. Sie habe sich in der Praxis bis etwa 19 Uhr...