Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzutreten weiterer Umstände bei einem abstrakten oder deklaratorischen Schuldanerkenntnis von Fortbildungskosten. Pflicht zur Differenzierung nach Gründen für Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Rückzahlungsklausel. Rückzahlungsklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung. Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers in vertraglicher Rückzahlungsklausel für Fortbildungskosten
Leitsatz (amtlich)
Die im Kündigungsschreiben des Arbeitnehmers geäußerte Bitte um Erstellung einer Rechnung über Fortbildungskosten, die der Arbeitgeber verauslagt hat, stellt auch in Verbindung mit der Erklärung des Arbeitnehmers, es sei ihm bewusst, dass durch die Weiterbildung und die Vertragsvereinbarung noch Kosten offen seien, ohne Hinzutreten weiterer Umstände kein selbständiges Schuldversprechen oder abstraktes Schuldanerkenntnis i.S.d. §§ 780, 781 BGB dar.
Ist der Arbeitnehmer aus personenbedingten Gründen bis zum Ablauf der Bleibefrist nicht mehr in der Lage, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, hat er es auch nicht mehr in der Hand, den berechtigten Erwartungen des Arbeitgebers zu entsprechen, die in die Fortbildung getätigten Investitionen nutzen zu können. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer trotzdem an das Arbeitsverhältnis zu binden, lässt sich nicht an seinem Interesse an einer möglichst langfristigen Nutzung der einmal getätigten Investition festmachen.
Eine Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung muss, um nicht unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB zu sein, deshalb u.a. vorsehen, dass die Rückzahlungsverpflichtung auch dann entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis aus nicht vom Arbeitnehmer zu vertretenden personenbedingten Gründen, die bis zum Ablauf der Bleibedauer anhalten, vom Arbeitnehmer durch Ausspruch einer Kündigung oder aufgrund einer aus diesen Gründen geschlossenen Auflösungsvereinbarung beendet wird.
Normenkette
BGB §§ 780-781, 307 Abs. 1, §§ 157, 133; ZPO § 259; SGB IX § 71; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 23.06.2020; Aktenzeichen 2 Ca 242/20) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 23.06.2020 - 2 Ca 242/20 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Kosten der Fort- und Ausbildung.
Die klagende Arbeitgeberin betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Der Beklagte war bei ihr vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2019 beschäftigt, zuletzt als Fachbereichsleiter zu einer Bruttostundenvergütung von 17,20 €.
Im August 2017 meldete die Klägerin den Beklagten zur Teilnahme an einer Weiterbildung an. Am 29.09.2017 schlossen die Parteien eine "Vereinbarung zur Weiterbildungsförderung" (im Folgenden: Weiterbildungsvereinbarung) auf der Grundlage eines Vertragsmusters, das die Klägerin auch für die Vereinbarung mit einem weiteren Arbeitnehmer nutze. Danach sollte der mit einem Abschluss als examinierter Altenpfleger bei der Klägerin tätige Beklagte zur "verantwortlichen Pflegefachkraft gem. § 71 SGB IX (ehemals WBL) / Pflegedienstleitung" während der Zeit vom 04.10.2017 bis zum 05.07.2019 ausgebildet werden. In der Weiterbildungsvereinbarung ist u.a. Folgendes geregelt:
"§ 2 Freistellung
(1) Der Mitarbeiter wird für ins. 63 Tage von der Arbeit freigestellt. Die Parteien sind sich einig, dass es sich bei dieser Freistellung nicht um Urlaub handelt.
(2) Der Mitarbeiter erhält während der Dauer der Freistellung seine arbeitsvertragliche Vergütung weiterbezahlt. Die Vergütung wird ohne Zulage berechnet.
§ 3 Kosten der Weiterbildung
(1) Die Gesellschaft trägt ab dem 04.10.2017 die Kosten der Weiterbildung, d.h.
- Weiterbildungsgebühren insgesamt 3.790,00 Euro
- Freistellung 63 Tage à 120,00 EUR (brutto) 7.560,00 Euro
Gesamtbetrag 11.350,00 Euro
, soweit sie beim Mitarbeiter tatsächlich anfallen.
(...)
§ 4 Rückzahlung
(1) Endet das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Mitarbeiters aus einem nicht durch die Gesellschaft zu vertretenden Grund oder durch Kündigung der Gesellschaft oder durch sonstige Vereinbarung aus einem Grund, den der Mitarbeiter zu vertreten hat, ist der Mitarbeiter verpflichtet, der Gesellschaft die nach § 2 gezahlte Vergütung und die nach § 3 dieser Vereinbarung von der Gesellschaft übernommenen Studienkosten zurückzuerstatten.
(2) Die Höhe des voraussichtlich zurückzuerstattenden Beitrages nach Abs. (1) wird sich voraussichtlich auf ca. 11.350,00 Euro (in Worten: elftausenddreihundertfünfzig Euro) belaufen. Die Rückzahlung dieser Kosten erfolgt in monatlichen Raten bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Die Zahlung beginnt mit dem Kalendermonat, der auf den Monat folgt, in welchem das die Rückzahlung auslösende Ereignis lag.
(3) Der vom Mitarbeiter zurückerstattende Gesamtbetrag kürzt sich für jeden Monat, währenddessen er nach Abschluss der Fortbildung bei der Gesellschaft in einem Arbeitsverhältnis stand, um ein 24-stel.
(...)
§ 5 Wohlverhalten, Rückzahlung bei schul...