Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des deutschen Arbeitsgerichts für Klage des Entwicklungshelfers gegen Träger des Entwicklungsdienstes. Zuständigkeit deutscher Gerichtsbarkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 KSchG, § 19 Abs. 1 EhfG sowie nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a KSchG. Entwicklungshelfer als Arbeitnehmer ohne das typische Risiko eines Selbständigen
Leitsatz (amtlich)
Einzelfall zur Arbeitnehmereigenschaft einer für eine NGO tätige Ortskraft in einem Entwicklungsland (hier bejaht).
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 5 Abs. 1; EhfG § 19 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 4 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 26.08.2021; Aktenzeichen 14 Ca 8383/19) |
Tenor
I.
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen verneinende Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 26.08.2021 - 14 Ca 8383/19 - teilweise aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für die Anträge zu 2 und 3 zulässig.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Gründe
I.
Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, der sich ua. den Wiederaufbau der medizinischen Infrastruktur und der Versorgungsmöglichkeiten in S zum Ziel gesetzt hat. Er unterstützt ua. das O Hospital (O H) in F , indem er die Lieferung von Medikamenten und medizinischen Geräten sowie die Errichtung und Instandsetzung von Gebäuden und der Infrastruktur des Krankenhauses organisiert und finanziert. Zudem entsendet er medizinisches Personal.
Der Kläger war für den Beklagten in verschiedenen Ländern, zuletzt in S , tätig. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger als Arbeitnehmer oder als selbstständiger Unternehmer für den Beklagten gearbeitet hat.
In einem von dem Managing Director des Beklagten, Herrn B G , am 11.09.2014 ausgestellten "Letter of authorization - valid for the construction of the Isolation Center for the O Hospital in F /S " heißt es:
"H Ba is an official representative of the NGO Cap Anamur / German Emergency Doctors. He ist authorized to act for our NGO in all affairs of our relief actions in S ."
Der Beklagte stellte ferner englisch- und französischsprachige Ausweise aus, wonach der Kläger "member of the committee" / "membre du comité" war.
In den Monaten Januar bis August 2016 überwies der Beklagte unter dem Betreff "Monatslohn" jeweils EUR auf ein deutsches Konto des Klägers. Ferner unterhielt der Beklagte für den Kläger seit 2006 eine Unfallversicherung mit einer Deckungssumme von 50.000 EUR.
Mit E-Mail-Schreiben des Herrn G vom 30.08.2016 wandte sich der Beklagte wie folgt an den Kläger:
"Dear H ,
I'm very sorry, but we have to make some changes. As there is not a lot of work for you in we decided to terminate the monthly payment for you. We can offer a job like a consultant for a day or week whatever is requested in the situation, if D or the Team in M needs assistant, they can ask and we pay you on a daily base. We stop also from now the rent fort he car, the assistance for water, food and internet to you."
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 17.10.2019 forderte der Kläger von dem Beklagten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges iHv. 85.100 EUR netto. Auch kündigte der Kläger ein Darlehen, das der Kläger dem Beklagten nach dem zwischen den Parteien streitigen Vortrag im Jahr 2014 iHv. 10.000 EUR gewährt habe, und forderte den Beklagten zur Rückzahlung auf.
Der Kläger ist der Ansicht, seit 1989 in einem Arbeitsverhältnis nach deutschem Recht zum Beklagten zu stehen. Den Arbeitsvertrag habe er - so seine Behauptung -mit Herrn I J als Vertreter des Beklagten geschlossen. Spätestens aber durch die Aufnahme und den faktischen Vollzug über Jahre hinweg sei ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet worden. Mit der E-Mail vom 30.08.2016 habe der Beklagte dieses Arbeitsverhältnis nicht wirksam kündigen können. Es fehle bereits an der erforderlichen Schriftform. Jedenfalls sei ein neues Arbeitsverhältnis dadurch begründet worden, dass er wieder auf Bitten des Beklagten tätig geworden sei. Der Kläger vertritt die Auffassung, der Beklagte befinde sich hinsichtlich seiner Arbeitsleistung seit Oktober 2017 im Annahmeverzug.
Die mit Schreiben vom 17.10.2019 geltend gemachten Ansprüche verfolgt der Kläger mit seiner am 20.12.2019 bei dem Arbeitsgericht Köln anhängig gemachten und dem Beklagten am 09.01.2020 zugestellten Klage weiter.
Er begehrt
1. die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die E-Mail vom 30.08.2016 beendet wurde, sondern unbefristet und ungekündigt fortbesteht;
2. die Zahlung von 85.100 EUR netto nebst Zinsen;
3. Auskunft darüber, ob für ihn Sozialabgaben abgeführt wurden und ob eine betriebliche Altersversorgung für ihn besteht;
4. die verzinste Rückzahlung der Darlehenssumme über 10.000 EUR .
Der Beklagte rügt die fehlende Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen. Er bestreitet, dass der Kläger seit Ende der achtziger Jahre ununterbrochen für ihn Tätigkeiten ausgeübt habe. Ein Arbeit...