Entscheidungsstichwort (Thema)
Zutritt der Gewerkschaft zum Betrieb zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl. Versagung des Zutrittsrechts einer bestimmten Gewerkschaftssekretärin bei beleidigender Presseerklärung
Leitsatz (redaktionell)
1. In einem Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, in dem bislang kein Betriebsrat errichtet ist, und in dem nach der Betriebsgröße gemäß § 1 Abs. 1 BetrVG ein Betriebsrat errichtet werden kann, ist nach § 17 Abs. 3 BetrVG die Wahl eines Betriebsrats auch durch Einberufung einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes vorzubereiten; zu dieser Betriebsversammlung darf auch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen, da die Einladung zu einer solchen Betriebsversammlung zu einer im Betriebsverfassungsgesetz genannten Aufgabe oder Befugnis einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 BetrVG gehört.
2. Gemäß § 2 Abs. 2 BetrVG scheidet eine Zutrittsgewährung nur dann aus, wenn dem Zutritt unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen; die Versagungsgründe sind bereits dem Wortlaut des Gesetzes nach eng begrenzt und so gefasst, dass sich daraus in der Regel eine generelle Verweigerung nicht ableiten sondern allenfalls eine nähere Bestimmung von Ort und Zeit des Aufenthalts des Gewerkschaftsvertreters im Betrieb seitens des Arbeitgebers herleiten lässt.
3. Liegen persönliche Gründe gegen eine bestimmte Gewerkschaftsvertreterin vor, kann dieser der Zutritt verwehrt werden; das gilt etwa für den Fall, dass die Beauftragte in der Vergangenheit den Betriebsfrieden nachhaltig gestört oder die Arbeitgeberin grob beleidigt hat.
4. Geht der Inhalt eines Zeitungsartikels, wonach alle Beschäftigten des Betriebs der Arbeitgeberin haben unterschreiben müssen, dass sie nicht Mitglied der Gewerkschaft sind, entweder auf die Äußerung einer bestimmten Rechtssekretärin oder auf deren Autorisierung zurück, und wurde dadurch die Arbeitgeberin in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Arbeitgeberin und als Wirtschaftsunternehmen in ihrem Ansehen in der Öffentlichkeit beeinträchtigt, ist der Arbeitgeberin nicht zuzumuten, gerade dieser Beauftragten Zutritt zu gewähren.
Normenkette
BetrVG § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 2, § 17 Abs. 3; ArbGG § 85 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 12.06.2012; Aktenzeichen 3 BVGa 3/12) |
Tenor
1.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 12.06.2012, Az.: 3 BVGa 3/12 teilweise abgeändert und der Tenor zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beteiligte zu 2 wird verpflichtet, dem Gewerkschaftssekretär der Beteiligten zu 1, Herrn W., Zutritt zu den Räumlichkeiten der Beteiligten zu 2, B-Straße nach vorheriger telefonischer Ankündigung zwecks Aushang einer Einladung zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes gem. Betriebsverfassungsrecht zu gewähren und es Herrn W. zu gestatten, die Einladung an der Stechuhr auszuhängen.
2.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt in B-Stadt ein Seniorenzentrum, in welchem ca. 40 Mitarbeiter beschäftigt werden. Die Antragstellerin (im Folgenden: Gewerkschaft) ist die satzungsmäßig für Betriebe dieser Art zuständige Gewerkschaft. Die Beteiligten streiten im Rahmen des vorliegenden Beschlussverfahrens darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, der Gewerkschaftssekretärin Frau Sch. Zutritt zum Betrieb zwecks Aushang einer Einladung zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes für die Wahl eines Betriebsrats zu gewähren und die Einladung hierzu an sichtbarer Stelle auszuhängen.
Die Arbeitgeberin vertrat erstinstanzlich die Auffassung, dass ein Zutrittsrecht deshalb ausscheide, weil die Gewerkschaft nicht ausreichend nachgewiesen habe, dass sie im Betrieb der Arbeitgeberin vertreten sei.
Aufgrund einer notariellen Urkunde vom 11.06.2012 sowie einer Eidesstattlichen Versicherung der genannten Gewerkschaftssekretärin ist das Arbeitsgericht Kaiserslautern mit Beschluss vom 12.06.2012, Az: 3 BVGa 3/12, zum Ergebnis gelangt, dass bei der Arbeitgeberin zumindest ein Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetz beschäftigt und deshalb die Gewerkschaft im Betrieb der Arbeitgeberin vertreten sei. Es hat deshalb die Arbeitgeberin mit dem genannten Beschluss im Einstweiligen Verfügungsverfahren verpflichtet, der Gewerkschaftssekretärin Sch. Zutritt zu den Räumlichkeiten in der B-Straße nach vorheriger telefonischer Ankündigung zwecks Aushängung einer Einladung zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes gemäß dem Betriebsverfassungsrecht zu gewähren und Frau Sch. zu gestatten, die Einladungen am schwarzen Brett und den Eingangstüren der Station und der Küche auszuhängen.
Der genante Beschluss ist der Arbeitgeberin am 19.06.2012 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 12.07.2012 beim Landesarbeitsgericht...