Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändbarkeit einer tariflichen Sonderzahlung
Leitsatz (amtlich)
Eine einmal jährlich zu gewährende tarifliche Sonderzahlung, die sowohl die Gegenleistung für geleistete Dienste bildet als auch Betriebstreue honoriert und eine Stichtagsklausel enthält, ist im Fall der Lohnpfändung bei Ermittlung des nach § 850c ZPO pfändbaren Einkommens in dem Monat (im vollen Umfang) zu berücksichtigen, in dem sie zur Auszahlung gelangt.
Normenkette
ZPO § 850c
Verfahrensgang
ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 21.09.2016; Aktenzeichen 11 Ca 218/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21.09.2016 - 11 Ca 218/16 - teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 599,62 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 70%, der Kläger trägt 30% der Kosten des Rechtsstreits.
IV. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche; insbesondere darüber, ob die Beklagte den der Pfändung unterliegenden Anteil der dem Kläger für den Monat November 2015 zustehenden Arbeitsvergütung korrekt berechnet hat.
Der Kläger ist seit 11.03.1991 bei der Beklagten als Straßenbahnfahrer tätig. Er ist seiner Ehefrau sowie zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig.
Auf die Rechtsbeziehung der Parteien findet u.a. der Spartentarifvertrag Nahverkehr Sachsen-Anhalt (TV-N LSA) Anwendung, der in § 17 die Gewährung einer Jahressonderzahlung (JSZ) unter Verweis auf den TV Zuwendung Ang-O/Arb-O vorsieht. Bei der Beklagten liegt ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Bank betreffend die Arbeitsvergütung des Klägers vor.
Für den Monat November 2015 (Abrechnung Bl. 36, 37 d.A.) ermittelte die Beklagte ein Gesamtbruttogehalt des Klägers von 4.237,84 EUR, wovon 1.448,06 EUR brutto auf den in jenem Monat zur Auszahlung gelangenden Anteil der JSZ entfielen. Die Beklagte hat von dem sich ergebenden Nettobetrag insgesamt 867,11 EUR aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Bank abgeführt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe den pfändbaren Betrag der Arbeitsvergütung November 2015 fehlerhaft berechnet. Bei der JSZ handele es sich um nicht der Pfändung unterliegendes Urlaubsgeld gemäß § 850a Nr. 2 ZPO, da die Höhe der JSZ auf Basis des tariflichen Urlaubsentgelts ermittelt werde. Die Beklagte habe - Rechenwerk des Klägers im Schriftsatz vom 16.08.206 (Bl. 151 d.A.) - daher 851,62 EUR netto zu Unrecht an die Bank abgeführt und habe diesen Betrag an den Kläger auszuzahlen. Jedenfalls bestehe für den im November zur Auszahlung gelangenden Teil der JSZ Pfändungsschutz nach § 850c ZPO. Bei Anwendung dieser Bestimmung wäre ein Betrag von 267,49 EUR der Pfändung unterworfen gewesen (Rechenwerk des Klägers im Schriftsatz vom 19.09.2016 - Bl. 160 d.A.).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilten, an den Kläger 851,62 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die JSZ unterfalle nicht dem Pfändungsschutz nach § 850a Nr. 2 oder Nr. 4 ZPO, da es sich bei dieser Leistung um zusätzliche Arbeitsvergütung handele. Auch im Übrigen bestehe für diesen Vergütungsbestandteil kein Pfändungsschutz. Unter Beachtung dieser Vorgaben ergebe sich ein pfändbarer Anteil an der Arbeitsvergütung des Klägers für den Monat November 2015 in Höhe von 867,11 EUR (Rechenwerk der Beklagten im Schriftsatz vom 22.04.2016, S. 4, 5 - Bl. 47, 48 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.09.2016 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Auszahlung weiterer Arbeitsvergütung betreffend den Monat November 2015 zu. Die Beklagte habe - wie sich aus ihrem Rechenwerk ergebe - den pfändbaren Anteil an der Arbeitsvergütung korrekt ermittelt. Entgegen der Auffassung des Klägers unterfalle die JSZ nicht dem Pfändungsschutz nach § 850a ZPO, weil es sich hierbei weder um Urlaubs- noch um Weihnachtsgeld i.S.d. § 850a Nr. 2 und Nr. 4 ZPO handele. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 169 - 179 d.A. verwiesen.
Der Kläger hat gegen dieses, ihm am 27.09.2016 zugestellte Urteil am 19.10.2016 Berufung eingelegt und jene am 21.11.2016 begründet.
Mit seinem Rechtsmittel hält er an seinem erstinstanzlichen Klageziel fest. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die JSZ nicht als Urlaubsgeld i.S.d. § 850a Nr. 2 ZPO bewertet. Ungeachtet dessen hätte das Arbeitsgericht jedenfalls diesen Teil der Arbeitsvergütung dem Pfändungsschutz nach § 850c ZPO unterwerfen müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21.09.2016 - 11 Ca 218/16...