Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrat. Zustimmungsersetzung. Eingruppierung. Änderung. Entlohnungsgrundsätze. Vergütungsstruktur. Absenkung. Eingangsvergütung. Mitbestimmung bei Veränderung der Vergütungsstruktur. prozentual unterschiedliche Absenkung der Eingangsvergütungen
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Betriebsrat steht bei der Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. Das Mitbestimmungsrecht dient vornehmlich der Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges.
2. Ändert der Arbeitgeber eine bestehende Vergütungsordnung ohne Mitwirkung des Betriebsrats derart, dass er die Eingangsvergütungen in prozentual unterschiedlicher Höhe absenkt, kann der Betriebsrat die Zustimmung zur geplanten Eingruppierung verweigern. Die Änderung der abstrakten Mindestdifferenzen zwischen den Gehältern der einzelnen Vergütungsgruppen stellt einen Eingriff in die innerbetriebliche Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit der Vergütungsordnung dar und löst somit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus.
Normenkette
NetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 21.11.2007; Aktenzeichen öD 5 BV 116 b/07) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 21.11.2007, Az.: öD 5 BV 116 b/07, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Antragstellerin begehrt die Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung zweier Mitarbeiterinnen.
Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt drei psychiatrische Einrichtungen in Schleswig-Holstein. Der Antragsgegner ist der bei der Arbeitgeberin gebildete 14-köpfige Betriebsrat. Die Antragsgegnerin beschäftigt an den drei Standorten N., H. und K. insgesamt ca. 1.800 Mitarbeiter. Bis zum 03.01.2005 firmierte die Arbeitgeberin unter dem Namen p.-G. in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Die p.-G. war gemäß § 10 Abs. 1 Fachklinikgesetz zur Anwendung des Bundesangestellten-Tarifvertrags (BAT) in ihren Einrichtungen verpflichtet und gruppierte die Mitarbeiter in die tarifliche Vergütungsgruppenordnung ein. Die Landesverordnung über den Formwechsel und die Veräußerung der p.-Gruppe vom 13.10.2004 (GVOBl. Schl.-Holst., Seite 401) regelte die Umwandlung der Arbeitgeberin in eine gGmbH. Mit Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, die am 04.01.2005 erfolgte, vollzog sich der Formwechsel. Mit Vollzug des Formwechsels entfiel die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Anwendung des BAT auf neu eintretende Beschäftigte gemäß Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Umwandlung psychiatrischer Einrichtungen und Entziehungsanstalten vom 24.09.2004 (GVOBl. Schl.-Holst., Seite 350).
Ab dem 04.01.2005 gruppierte die Arbeitgeberin neu eingestellte Mitarbeiter nicht mehr in die Vergütungssystematik des BAT ein und berief sich darauf, die Gehälter individuell ohne Anlehnung an eine Vergütungsordnung auszuhandeln. In einem vorherigen Beschlussverfahren (ArbG Lübeck: 1 BV 62/05 = LAG Schleswig-Holstein: 4 TaBV 49/05) hatte der Betriebsrat u.a. beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, seine Zustimmung zur Eingruppierung der neu eingestellten Arbeitnehmerinnen D. und P. einzuholen und im Falle der Verweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Mit Beschluss vom 03.11.2006 gab das Arbeitsgericht den Anträgen statt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 18.05.2006 zurück. Das seitens der Arbeitgeberin eingeleitete Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht erklärten die Beteiligten für erledigt, nachdem die Arbeitgeberin eine in ihren Einrichtungen anzuwendende „Mindestentgelttabelle A. P. gGmbH” (im Folgenden: Entgelttabelle, Bl. 9 f. d.GA.) entwickelt hatte und das hier streitgegenständliche Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet hatte.
Die in der Entgelttabelle festgelegten Vergütungsgruppen sowie deren jeweiligen Stufen und Entwicklungsstufen entsprechen der Systematik der Vergütungsordnungen zum TV-L bzw. TVÜ-L. Die Arbeitgeberin senkte indessen die jeweiligen Eingangsstufen der einzelnen Vergütungsgruppen im Verhältnis zur tariflichen Vergütung in prozentual unterschiedlicher Höhe ab. Die Absenkung erfolgte in einem Korridor von ca. 12 % bis ca. 40 %.
Mit Schreiben vom 19.04.2007 (Bl. 18 u. 19 d.GA.) beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Eingruppierung der Pflegeassistentin M. P. in die Entgeltgruppe 3a Stufe 2 der Entgelttabelle und die Eingruppierung der Altenpflegerin C. D. in die Entgeltgruppe 7a Stufe 2 der Entgelttabelle. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zu beiden Eingruppierungsanträgen mit Schreiben vom 24.04.2007 unter Hinweis darauf, dass die Vergütungsstruktur der Entgelttabelle nicht der im Betrieb bestehenden (tariflichen) Vergütungsstruktur entspreche (Bl. 20 bis 23 d.GA.).
Am 29.06.2007 hat die Arbeitgeberin das Zustimmungsersetzungsverfahren zur entsprechenden E...