Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitserlaubnis. indische Ordensschwester. Ordensgestellungsvertrag. Arbeitnehmereigenschaft. Erwerbsdienlichkeit der Tätigkeit. Arbeitsverhältnis. Arbeitsgenehmigungsfreiheit
Orientierungssatz
1. Ergibt sich aus der Gesamtbetrachtung der objektivierbaren Umstände, dass die Tätigkeit einer Ordensschwester im Rahmen eines Ordensgestellungsvertrages außerhalb ihres Ordens in einem Altenheim nicht iS des § 5 Abs 2 Nr 3 BetrVG in erster Linie dem Erwerb zu dienen bestimmt war, so liegt kein Arbeitsverhältnis vor und die vorwiegend durch karitative bzw religiöse Beweggründe bestimmte Tätigkeit ist arbeitsgenehmigungsfrei.
2. Der der Ausführung des § 9 Nr 1 ArGV dienende Erlass des BMA vom 20.6.2002 entfaltet für den vorliegenden Fall keine Bindungswirkung, da er den sich aus seinem Wortlaut ergebenden Anwendungsbereich des § 9 Nr 1 ArGV iVm § 5 Abs 2 Nr 3 BetrVG auf administrativem Wege in unzulässiger Weise einschränkt.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin in Deutschland einer Arbeitsgenehmigung bedarf.
Die 1970 geborene Klägerin ist indische Staatsangehörige und Mitglied des Ordens der H vom Mutterhaus .../Indien. Sie kam 1992 in die Bundesrepublik Deutschland und absolvierte ab 1995 eine Ausbildung zur Krankenschwester. Für die Zeit bis zum 31. März 2000 besaß die Klägerin eine durch den Landrat ... ausgestellte Aufenthaltsbewilligung. Diese galt nach der Nebenbestimmung "nur zur Ausbildung als Krankenschwester im Krankenhaus R und Altenwerk G".
Am 9. August 1999 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung für die Tätigkeit als Altenpflegerin für die A C e.V (A.C.).
Im "Gestellungsvertrag für Ordensschwestern" (GVO) vom 14. September 1999 zwischen der A.C. und der Ordensgemeinschaft verpflichtete sich der Orden, die Klägerin ab dem 1. Oktober 1999 gegen eine monatliche Gestellungsleistung in Höhe von 4.420,- DM als Altenpflegerin zur Verfügung zu stellen (§ 1 Abs. 1 GVO i.V.m. der Anlage zum GVO).
Nach § 1 Abs. 2 GVO sollten die Ordensmitglieder in persönlicher und ordensmäßiger Hinsicht ihren Ordensoberen unterstellt bleiben und daher im Einvernehmen mit dem Vertragspartner von ihren Ordensoberen abberufen werden können. Nach § 2 Abs. 2 GVO verpflichtet die Ordensgemeinschaft ihre Mitglieder, den Dienst nach kirchlichen Bestimmungen sowie nach den Weisungen des jeweiligen Vorgesetzten zu verrichten. Dabei seien die sich aus der Zugehörigkeit zum Orden ergebenden Belange zu berücksichtigen. Im Übrigen blieben die Ordensmitglieder in der Ausübung des Apostolates ihrer Ordensoberin unterstellt. Für den Unterhalt der Klägerin hat die Ordensgemeinschaft aufzukommen (§ 3 Abs. 3 GVO).
Die Beklagte lehnte die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung mit Bescheid vom 27. Oktober 1999 unter Verweis auf die Nebenbestimmung der Aufenthaltsbewilligung ab.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2000). Die Beklagte berief sich zur Begründung auf eine Weisung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) gemäß § 288 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Danach liege eine arbeitsgenehmigungsfreie Beschäftigung von Ordensschwestern i.S.d. § 9 Ziff. 1 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) nur vor, wenn die Schwestern innerhalb von Einrichtungen des eigenen Ordens eingesetzt würden; dies sei hier nicht der Fall.
Auf die am 13. März 2000 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Koblenz durch Urteil vom 17. Mai 2001 festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht arbeitsgenehmigungsfrei sei. Es hat jedoch den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2000 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über den Antrag auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung erneut zu entscheiden. Die Klägerin bedürfe für die beabsichtigte Tätigkeit einer Arbeitsgenehmigung gemäß §§ 284 ff SGB III. Sie gehöre nicht zu dem gesetzlich privilegierten Personenkreis. Ein Ausnahmetatbestand nach § 9 Ziff. 1 ArGV liege nicht vor. Das BMA habe zur Durchführung der Bestimmung eine Weisung erlassen. Danach liege bei ausländischen Ordensschwestern nur dann eine arbeitsgenehmigungsfreie Tätigkeit vor, wenn sie innerhalb des eigenen Ordens eingesetzt würden. Diese Weisung sei rechtmäßig und halte sich innerhalb der Vorgaben der Rechtsverordnung.
Ordensmitglieder verfolgten nicht nur wegen ihrer Ordenszugehörigkeit und des an sie gezahlten Taschengeldes vorwiegend karitative und religiöse Zwecke. Inhalt eines GVO sei, dass ein Ordensmitglied für den Arbeitgeber tätig werde und der Orden dafür eine Gestellungsleistung erhalte. In einem solchen Verhältnis fielen derjenige, der tätig werde, und derjenige, der das Entgelt für die Tätigkeit erhalte, stets auseinander. Bei wertender Gesamtbetrachtung sei nicht nur auf das Ordensmitglied, sondern auch auf das Verhältnis zwischen Orden und Arbeitgeber abzustellen.
Der Tätigkeit der Klägerin und der Gestellung durch ihren...