Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelmäßiger Pflegebedarf als Voraussetzung für Leistungen der Pflegeversicherung. Soziale Pflegeversicherung
Leitsatz (amtlich)
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI genügt ein unregelmäßiger, d.h. nicht täglicher Pflegebedarf nicht den gesetzlichen Anforderungen. Eine wöchentliche Durchschnittsberechnung ist nur dann möglich, wenn die Hilfebebedürftigkeit zwar schubweise gehäuft auftritt, aber jeden Tag ein Hilfebedarf bei zumindest zwei Verrichtungen in der Grundpflege besteht.
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Pflegegeld setzt u. a. voraus, dass der Pflegebedürftige für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen der Grundpflege mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf. Ein unregelmäßiger, d. h. nicht täglicher Pflegebedarf genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.
2. Eine wöchentliche Durchschnittsberechnung kann erst dann vorgenommen werden, wenn die Hilfebedürftigkeit zwar schubweise gehäuft auftritt, aber jeden Tag ein Hilfebedarf bei zumindest zwei Verrichtungen der Grundpflege besteht.
3. Die damit verbundene Benachteiligung von Versicherten, die lediglich an schubweise auftretenden Erkrankungen leiden, ist gesetzlich gewollt und nicht zu beanstanden.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I.
Am 8. Januar 2004 beantragte der am ... 1970 geborene Kläger bei der Beklagten Pflegegeld. Die Beklagte holte ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) ein, welches von der Pflegefachkraft H. am 4. Februar 2004 erstellt wurde. Danach leide der Kläger unter einer lokalisationsbezogenen fokalen symptomatischen Epilepsie und epileptischen Syndromen mit komplexen fokalen Anfällen. Nach einem zurückliegenden Anfall sei eine Nervenlähmung im rechten Schultergelenk zurückgeblieben. Derzeit träten fast täglich, zu unterschiedlichen Tageszeiten, Anfälle auf, die zu einer völligen Verkrampfung mit Amnesie und zum Teil mit Einnässen sowie Zungenbissen verbunden seien. Für die Körperpflege benötige er Hilfe in einem zeitlichen Umfang von insgesamt 10 Minuten täglich. Diese setze sich wie folgt zusammen:
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Duschen |
5 Minuten |
Rasieren |
2 Minuten |
Wasserlassen |
3 Minuten |
Beim Duschvorgang sowie bei der Rasur benötige der Versicherte lediglich eine grobe Beaufsichtigung, um einer Eigengefährdung im Falle eines Anfalls entgegenzuwirken. Zudem sei eine Hilfestellung nach einem anfallsbedingten Einnässen notwendig.
Für die Ernährung setzte die Gutachterin einen Zeitbedarf von 3 Minuten täglich an:
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mundgerechte Zubereitung |
3 Minuten |
Bezüglich der Mobilität sei kein Pflegebedarf erforderlich. Der ermittelte Zeitumfang von insgesamt 13 Minuten pro Tag für die Grundpflege sowie 45 Minuten pro Tag für die hauswirtschaftliche Versorgung erfülle nicht die Voraussetzungen der Pflegestufe I.
Mit Bescheid vom 24. Februar 2004 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Hiergegen richtete sich der nicht mit einer Begründung versehen Widerspruch des Klägers vom 24. März 2004. Die Beklagte veranlasste eine erneute medizinische Begutachtung durch den MDK vom 14. Mai 2004. Die Pflegefachkraft Z. (MDK) stellte mit Untersuchung vom 12. Mai 2004 fest: Der Kläger bewohne ein Einfamilienhaus und werde von seinem Freund, der sich dort überwiegend aufhalte, und bei Bedarf von dessen Mutter versorgt. Er führe seit Januar 2003 einen Anfallskalender. Anfälle träten aktuell alle zwei Tage bis täglich auf. In der Nacht seien die Anfälle seltener (ca. zwei Mal im Monat). Die Medikamente könne der Kläger selbstständig einnehmen. Für die Körperpflege benötige er Hilfe in einem zeitlichen Umfang von insgesamt 8 Minuten täglich, die sich wie folgt zusammensetze:
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Duschen |
5 Minuten |
Rasieren |
2 Minuten |
Wasserlassen |
1 Minuten |
Während des Duschvorgangs sowie der Rasur benötige er lediglich eine grobe Beaufsichtigung, um mögliche Eigengefährdungen zu vermeiden. Einnässen trete vor allem in der Nacht auf (laut Kalender drei Mal monatlich). Für die Ernährung setzte die MDK-Gutachterin einen Zeitbedarf von 3 Minuten täglich an und begründete dies mit der Beaufsichtigung beim Zubereiten der Brotmahlzeiten und der Handhabung des Bestecks:
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mundgerechte Zubereitung |
3 Minuten |
Im Bereich der Mobilität sei für das Stehen ein Zeitbedarf von einer Minute erforderlich, um den Kläger beim Ein- und Ausstieg aus der Dusche zu beaufsichtigen. Zusammenfassend ergebe sich ein Pflegebedarf von insgesamt 12 Minuten pro Tag für die Grundpflege und von 45 Minuten pro Tag für die hauswirtschaftliche Versorgung. Der Grundpflegebedarf rechtfertige keine Pflegestufe I. Dem folgend wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2004 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 5. August 2004 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben und zur Begründung vorgetragen: Er benötige ständig Hilfe im Grundpflegebereich. Nach einem...