Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Betriebsweg. Pflegeperson. hauswirtschaftliche Versorgung. Öffnen der Tür. Entgegennahme eines gelieferten Pflegehilfsmittels von einem Sanitätshausmitarbeiter. gespaltene Handlungstendenz. Klingeln einer anderen Person

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die nach § 2 Abs 1 Nr 17 SGB 7 versicherte Tätigkeit umfasst Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und - soweit diese Tätigkeiten überwiegend Pflegebedürftigen zu Gute kommen - Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie ausdrücklich auch der hauswirtschaftlichen Versorgung (Halbsatz 2 der Vorschrift). Dazu zählt dann auch das Einkaufen.

2. Zum Einkaufen kann auch das Öffnen der Wohnungstür durch die Pflegeperson für einen Mitarbeiter eines Sanitätshauses gehören, mit dem Kauf und Lieferung von Pflegehilfsmittel besprochen werden soll.

3. Der Unfallversicherungsschutz erlischt nicht, wenn die Pflegeperson die Möglichkeit realisiert, dass eine andere Person geklingelt haben könnte (zB Bettler). Denn dann läge eine sog gespaltene Handlungstendenz vor (vgl BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 23; BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 14).

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. August 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 13. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2014 werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das Ereignis am 16. August 2013 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen und das Vorverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger bei einem Unfall am 16. August 2013 eine versicherte Tätigkeit verrichtet hat.

Nach dem Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. Dr. H. vom 19. August 2013 ist der Kläger am 16. August 2013 um 10.00 Uhr beim Absaugen des zu pflegenden Vaters (im Weiteren Pflegebedürftiger) gewesen, als es geklingelt habe. Auf dem Weg zur Tür sei er dann gestolpert und auf die linke Schulter und den linken Ellbogen gefallen. Seither habe er anhaltende Schmerzen. Die Ärzte diagnostizierten eine Ellbogen- und Schulterprellung links. Am 27. August 2013 schilderte der Kläger telefonisch gegenüber seiner Krankenkasse den Vorfall ähnlich. Als Zeitpunkt des Unfalls wurde nun aber 17.00 Uhr angegeben.

Unter dem 28. September 2013 gab der Kläger an, er sei die eingetragene Pflegeperson. Bei der Pflege seines Vaters (Ableitung von Lungenflüssigkeit mit einem Katheter) habe es an der Tür geklingelt. Nach einem weiteren Klingeln habe er die Wunde bei seinem Vater steril abgedeckt und sei zur Tür geeilt. Dabei sei er gestürzt und auf die linke Hand, Ellbogen und Schulter gefallen. Geklingelt habe ein Mitarbeiter des Sanitätshauses ("Termin, Bestellung Pflegehilfsmittel für meinen Vati"). Im Weiteren gab die Pflegekasse des Pflegebedürftigen an, dieser habe seit Juli 2013 Anspruch Pflegegeld nach der Pflegestufe III. Der Kläger und die Ehefrau des Pflegebedürftigen teilten sich die 24stündige Pflege, die in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen stattfinde. Der Kläger sei hier seit dem 12. April 2013 mit regelmäßig 14 h pro Woche rentenversicherungspflichtig tätig. Er wohne in der gleichen Straße wie der Pflegebedürftige, aber in einem anderen Haus.

Mit Bescheid vom 13. März 2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab und führte zur Begründung aus, nicht jede Tätigkeit der Pflegeperson, die dem Pflegebedürftigen zu Gute komme, sei versichert. Um Tätigkeiten der Pflege in häuslicher Umgebung von allgemeinen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten abzugrenzen und damit die versicherten Pflegetätigkeiten zu konkretisieren, werde auf die in § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) aufgeführten Pflegetätigkeiten Bezug genommen. Bei den enumerativ aufgezählten Pflegetätigkeiten handele es sich um Verrichtungen, die der Gesetzgeber als regelmäßig wiederkehrend ansehe. Sie begrenzten den Umfang des Versicherungsschutzes. Tätigkeiten in der hauswirtschaftlichen Versorgung fielen nur dann unter den Versicherungsschutz, wenn sie überwiegend dem Pflegebedürftigen zu dienen bestimmt seien. Auszugehen sei von der Zielsetzung bzw. dem Anlass der Tätigkeit. Nicht versichert seien Tätigkeiten, die überwiegend der gesamten Wohngemeinschaft, gleichzeitig aber auch dem Pflegebedürftigen nutzten. Die Ableitung der Lungenflüssigkeit sei zu dem Zeitpunkt des Sturzes unterbrochen gewesen, so dass im Moment des Sturzes keine pflegerische Tätigkeit mehr verrichtet worden sei. Auch eine Versicherung gemäß § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) komme nicht in Betracht, da es sich hier um eine Gefälligkeitsleistung für den Pflegebedürftigen gehandelt habe.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, es sei logisch, dass er die Tür öffnen müsse, wenn das Sanitätshaus für die Pflegeperson komme. Auf N...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Personal Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge