Rz. 63
Kann der Arbeitnehmer aufgrund eines gesetzlichen Beschäftigungsverbots die Arbeit nicht erbringen, hat er grundsätzlich keinen Vergütungsanspruch und im Fall einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auch keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Eine Ausnahme ist dann zu machen, wenn das gesetzliche Beschäftigungsverbot Folge einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung ist (z. B. beim Beschäftigungsverbot gem. §§ 42 Abs. 1, 31 Infektionsschutzgesetz; wegen offener Tuberkulose). Zu Quarantäneanordnungen im Zuge der COVID-19-Pandemie vgl. bereits oben Rz. 35a.
Rz. 64
Die Entgeltfortzahlung ist daher z. B. aufgrund des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots während der Schutzfristen des § 3 MuSchG ausgeschlossen. In diesen Zeiträumen ruht das Arbeitsverhältnis, sodass der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung zu leisten hat. Außerhalb der Schutzfristen kommt § 3 EFZG uneingeschränkt zur Anwendung, wenn die Schwangere arbeitsunfähig erkrankt. Verschieben sich aufgrund einer Frühgeburt die Schutzfristen, kann sich der 6-wöchige Zeitraum vor der Geburt nunmehr in einen Zeitraum der Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG erstrecken. Für den Zeitraum der erbrachten Entgeltfortzahlung ruht der Anspruch der Arbeitnehmerin auf Mutterschaftsgeld. Ein Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers ist ausgeschlossen.
Rz. 65
Ein ärztliches Beschäftigungsverbot wegen Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Mutter oder Kind (§ 16 Abs. 1 MuSchG) schließt eine auf einer Schwangerschaft beruhende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit aus. Entweder befindet sich die Arbeitnehmerin aufgrund von Schwangerschaftsbeschwerden vorübergehend in einem krankhaften Zustand, der eine Arbeitsunfähigkeit begründet. In diesem Fall hat die Arbeitnehmerin gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für 6 Wochen (§ 3 Abs. 1 EFZG). Oder die Schwangerschaftsbeschwerden begründen keine Arbeitsunfähigkeit, eine Arbeitstätigkeit gefährdet jedoch Mutter oder Kind. Spricht der Arzt ein entsprechendes Beschäftigungsverbot aus, hat die Arbeitnehmerin während dieses Verbots einen – nicht auf 6 Wochen beschränkten – Anspruch auf Mutterschutzlohn (§ 18 Satz 1 MuSchG). Dem Arzt steht ein Beurteilungsspielraum zu. Entscheidend für den Ausspruch eines Beschäftigungsverbots sind der individuelle Gesundheitszustand der Schwangeren und ihre konkrete Arbeitstätigkeit.
Der Arbeitgeber hat kaum Möglichkeiten, ein rechtmäßig ausgestelltes Attest oder Beschäftigungsverbot in Zweifel zu ziehen. Durch einfaches Bestreiten kann der Arbeitgeber nicht erreichen, dass die Schwangere ihren Arzt von der Schweigepflicht entbindet oder nähere Angaben zum Verlauf der Schwangerschaft oder zu ihrem Gesundheitszustand macht. Der Arbeitgeber muss hierzu vielmehr konkrete Umstände darlegen und beweisen, dass diese zu ernsthaften Zweifeln am Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 MuSchG Anlass geben.
Der Arzt hat dem Arbeitgeber jedoch auf Nachfrage mitzuteilen, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen er bei der Erteilung des Zeugnisses ausgegangen ist und ob krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat; diese Auskünfte unterliegen nicht der ärztlichen Schweigepflicht.
Rz. 66
Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Arbeitnehmerin sich zur Arbeitsleistung auch während der Schutzfristen bereit erklärt hat (§ 3 Abs. 1 Satz 1 MuSchG). Erkrankt sie während eines solchen Zeitraums der erlaubten Weiterarbeit, richtet sich ihr Vergütungsanspruch nach § 3 EFZG. Das Mutterschaftsgeld nach § 19 MuSchG entfällt aufgrund der Vereinbarung der Parteien. Während der 8-wöchigen Schutzfrist nach der Geburt ist eine Beschäftigung der Arbeitnehmerin unzulässig; sie kann auf diesen Schutz nicht wirksam verzichten. Arbeitet die Arbeitnehmerin mit Einverständnis des Arbeitgebers gleichwohl, hat sie für Zeiträume einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sondern nur auf Mutterschaftsgeld. Das faktische Beschäftigungsverhältnis rechtfertigt keine Entgeltfortzahlung für Zeiträume, in denen tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht wird.
Rz. 67
Fehlt es bei einem ausländischen Arbeitnehmer an einer Arbeitserlaubnis, besteht im Fall der Erkrankung grundsätzlich kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Denn das arbeitsförderungsrechtliche Beschäftigungsverbot und nicht nur die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit stehen der Arbeitsleistung entgegen. Diese Grundsätze sollen jedoch dann nicht zur Anwendung kommen, wenn der Arbeitnehmer vor seiner Erkrankung vom Arbeitgeber in Kenntnis der fehlenden Arbeitserlaubnis beschäftigt wurde. Dann sei davon auszugehen, dass bei fortbestehender Arbeitsfähigkeit auch die Beschäftigung mit der Folge eines Lohnanspruchs angedauert hätte. Diese Ansicht ist insofern infrage zu stellen, als nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses eine Nichtigkeit des Arbeitsvertrags zumindest auf den Zeitpunkt der Außervollzugsetzung zurückwirkt. Während der Arbeits...