Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufnahme der beruflichen Tätigkeit - Entfernungspauschale für Fahrten zum Betriebssitz des Arbeitgebers?
Leitsatz (redaktionell)
- Zur Berücksichtigung von beruflich veranlassten Fahrtkosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG.
- Zum Begriff der ersten Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG.
- Die dauerhafte Zuordnung des ArbN zu einem von ArbG bestimmten Dritten ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der ArbN unbefristet für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
- Ein Lkw-Fahrer, der lediglich zwei bis drei Tage je Woche seine Fahrtätigkeit am Firmensitz des ArbG beginnt und die übrige Zeit mehrtägige Fahrten unternimmt, sucht nicht typischerweise arbeitstäglich den Firmensitz des ArbG zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit auf.
- Typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen eines Ortes zwecks Aufnahme der beruflichen Tätigkeit ist nicht gleichzusetzen mit „regelmäßig oder üblicherweise”.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a, § 19
Streitjahr(e)
2014
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Fahrten des Klägers zu dem Betriebssitz seines Arbeitgebers lediglich mit der Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2. Abs. 4a S. 3 Einkommensteuergesetz 2014 (EStG) zu berücksichtigen sind oder aber nach Reisekostengrundsätzen.
Der Kläger ist bei der Firma K. als LKW-Fahrer beschäftigt. Entsprechend seiner arbeitsvertraglichen Regelung übt er seine Fahrtätigkeit im Rahmen von ein- oder mehrtägigen Fahrten im In- und Ausland aus. Im Streitjahr war er an insgesamt 242 Tagen mit dem LKW unterwegs. Dabei entfielen 178 Tage auf mehrtägige Fahrten und 64 Tage auf eintägige Fahrten; insgesamt hat er an 114 Tagen den 37 km von seinem Wohnort entfernt liegenden Betrieb seines Arbeitgebers in H. mit seinem eigenen Pkw aufgesucht, um dort den Lkw zu übernehmen und mit seiner Fahrtätigkeit zu beginnen.
Der Beklagte berücksichtigte die 114 Fahrten zum Arbeitgeber lediglich mit einer Entfernungspauschale von 0,30 €/km. Der Einspruch des Klägers hinsichtlich der Berücksichtigung der 114 Fahrten zum Arbeitgeber nach Reisekostengrundsätzen blieb ohne Erfolg.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger weiterhin die Berücksichtigung der 114 Fahrten zu seinem Arbeitgeber nach Reisekostengrundsätzen. Er übe eine Fahrtätigkeit aus und verfüge somit über keine erste Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG, noch würde er typischerweise arbeitstäglich dauerhaft denselben Ort aufsuchen. Entsprechend seien seine 114 Fahrten zum Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 2 EStG mit den pauschalen Kilometersätzen zu berücksichtigen, die für das jeweils benutzte Beförderungsmittel als höchste Wegstreckenentfernung nach dem Bundesreisekostengesetzt festgesetzt seien, also 0,30 € pro gefahrenen Kilometer. Typischerweise arbeitstäglich bedeute, dass von den regelmäßigen Arbeitstagen mit Ausnahme von Krankheit und Urlaub auszugehen sei, an denen der Steuerpflichtige den Sammelpunkt aufsuche. Sofern die Tätigkeit von mehrtägigen Reisen geprägt sei, greife diese Regelung nicht.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2016 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Fahrtkosten in Höhe von 1.265,40 € (114 Tage x 37 km x 0,30 €/km) als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bleibt bei seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung. Der Kläger habe in Hannover einen s.g. Sammelpunkt aufgesucht, denn er habe weisungsgemäß zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit diesen Ort dauerhaft aufgesucht und dort seine Tätigkeit begonnen. So habe der Kläger stets seine Arbeit dort aufgenommen und das Fahrzeug übernommen, mit dem er dann seine Fahrtätigkeit ausgeübt habe. Es sei unerheblich, dass die Anzahl der arbeitstäglich erforderlichen Fahrten bedingt durch mehrtägige Auswärtstätigkeiten bei Fernreisen in den einzelnen Jahren unterschiedlich sein könnten. Auch ein Arbeitnehmer mit erster Tätigkeitsstätte suche bedingt durch evtl. durchzuführende Dienstreisen seine Arbeitsstelle nicht immer arbeitstäglich auf. Entscheidungserheblich sei vielmehr, dass der Kläger den Ort typischerweise dauerhaft aufsuche und er sich entsprechend darauf einstellen könne. Die tatsächliche Zahl der Fahrten zum Sammelpunkt sei unerheblich.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Fahrten des Klägers zu seinem Arbeitgeber sind bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit (§ 19 EStG) antragsgemäß gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 2 EStG mit den pauschalen Kilometersätzen zu berücksichtigen, die für das jeweils benutzte Beförderungsmittel als höchste Wegstreckenentfernung nach dem Bundesreisekostengesetzt festgesetzt sind, beim K...