Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltpunkte für Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 und in § 307d SGB 6

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Zusammentreffen von Pflichtbeiträgen wegen Beschäftigung mit Kindererziehungszeiten.

 

Orientierungssatz

1. § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 bewirkt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (vgl BVerfG vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 = BVerfGK 12, 81).

2. Auch im Hinblick auf den in § 307d SGB 6 geregelten Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht ersichtlich.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.10.2019; Aktenzeichen B 13 R 18/18 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 4. September 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer höheren Regelaltersrente ab dem 1.2.2017 unter Berücksichtigung höherer Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten neben gleichzeitigen Pflichtbeitragszeiten für eine pflichtversicherte Beschäftigung hat.

Die 1951 geborene Klägerin, Mutter der 1976 geborenen Z. und des 1979 geborenen Y., beantragte bei der Beklagten am 24.11.2016 eine Regelaltersrente. Hierauf bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 16.12.2016 eine Regelaltersrente ab dem 1.2.2017. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 29.1.2016 erfüllt. Die Höhe der laufenden Zahlung betrage ab dem 1.2.2017 monatlich 723,23 €. Berücksichtigt worden seien Zeiten der Kindererziehung für Z. für den Zeitraum 1.8.1977 bis 31.7.1978 und für Y. für die Zeit vom 1.12.1980 bis zum 30.11.1981. Zu berücksichtigen seien persönliche Entgeltpunkte (Ost) bei der Klägerin in Höhe von 22,0686. Davon entfielen insgesamt 2,3948 Entgeltpunkte auf die Kindererziehungszeiten. Dabei begrenzte die Beklagte die zu berücksichtigenden Entgeltpunkte, die sich für Kindererziehungszeiten neben Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung in den Monaten August 1977 bis Dezember 1977, Januar 1978 bis Juli 1978, Januar 1980, Februar 1980 und Januar 1981 bis November 1981 ergaben, auf die Höchstbeträge der Anlage 2b zum Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI), so dass für diese Zeiten die zusätzlichen Entgeltpunkte für Zeiten der Kindererziehung von monatlich 0,0833 Entgeltpunkten reduziert wurden.

Den gegen den Bescheid vom 16.12.2016 am 11.1.2017 erhobenen Widerspruch, den die Klägerin gegen die Begrenzung der Entgeltpunkte für Zeiträume des Zusammentreffens von Kindererziehungszeiten und versicherungspflichtiger Beschäftigung auf den Höchstwert der Anlage 2b zum SGB VI richtete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.3.2017 zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R, SozR 4-2006 § 70 Nr. 2) sei die Begrenzung auf die Werte der Anlage 2b zum SGB VI verfassungsgemäß. Bereits in den Nichtannahmebeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 29.8.2007 (1 BvR 858/03 und 1 BvR 2477/06) hieße es, dass ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung nicht vorliege. Zwar werde die Kindererziehung in ihrer Summe mit Entgeltpunkten aus anderen beitragsrelevanten Tatbeständen geringer bewertet als eine isolierte Kindererziehung, jedoch liege für diesen Umstand ein sachlicher Grund vor. In Anbetracht des besonderen Schutzauftrages des Artikels 6 Abs. 1 Grundgesetz überschreite es nicht den Gestaltungsrahmen des Gesetzgebers, wenn dieser (im Zuge einer 1998 durchgeführten Verbesserung der Honorierung von Kindererziehungszeit) das seit jeher geltende Strukturelement der Beitragsbemessungsgrenze beachte und über § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI dafür Sorge trage, dass die Beitragsbemessungsgrenze auch bei Zusammentreffen von Beschäftigungen und Kindererziehungszeiten nicht überschritten werde. Für die Beklagte bleibe die bisherige Rechtsprechung maßgebend, dass die Begrenzung auf die Werte der Anlage 2b zum SGB VI verfassungsgemäß sei.

Hiergegen hat sich die am 24.4.2017 zum Sozialgericht Dresden erhobene Klage gerichtet, mit der die Klägerin weiterhin begehrte, für Zeiten des Zusammentreffens von Pflichtbeiträgen wegen Beschäftigung mit Pflichtbeiträgen wegen Kindererziehung bei Anwendung von § 70 Abs. 2 SGB VI keine Begrenzung der Entgeltpunkte auf die Höchstwerte nach Anlage 2b zum SGB VI vorzunehmen. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Ungleichbehandlung verschiedener Personengruppen, die dazu führe, dass sich Kindererziehungszeiten nicht bei allen Versicherten in gleicher Weise günstig auf die Rente auswirkten, mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren wäre. § 70 Abs. 2 SGB VI i. V. m. der Anlage 2b zum SGB VI sei entsprechend diesen Maßstäben mit diesem Grundsatz unvereinbar. Die Kindererziehungsleistung, die für das umlagefinanzierte S...

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