1 Allgemeines
Rz. 1
Die Vorschrift des § 306a BGB ist inhaltsgleich mit dem früheren § 7 AGBG, der jedoch wegen der Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG im Arbeitsrecht keine Anwendung fand.
2 Anwendungsbereich
Rz. 2
§ 306a BGB hat lediglich einen subsidiären Anwendungsbereich. Bereits durch die Auslegung der Regelungen der §§ 308 und 309 BGB, insbesondere unter angemessener Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, wird man viele Umgehungsversuche fassen können. Führt dies noch nicht zum Ziel, können umgehende Gestaltungen immer noch nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam sein. Für § 306a BGB werden damit nur äußerst wenige Anwendungsfälle verbleiben. In jedem Fall nicht anwendbar ist § 306a BGB, wenn es sich um eine Individualvereinbarung i. S. d. § 305b BGB handelt.
3 Definition der Umgehung
Rz. 3
Eine Umgehung liegt vor, wenn eine von Gesetzes wegen verbotene Regelung durch andere rechtliche Gestaltungen dennoch geregelt werden soll, die Regelung also objektiv nur den Sinn haben kann, dem gesetzlichen Verbot zu entgehen. Der Tatbestand der Umgehung erfordert nicht, dass der Verwender die Absicht oder ein Bewusstsein der Umgehung hat.
4 Beispielsfälle
Rz. 4
Eine Umgehung läge z. B. vor, wenn ein vom Arbeitgeber gestellter Arbeitsvertrag statt Vereinbarung einer einmonatigen Ausschlussfrist allein auf die einmonatige Ausschlussklausel eines normativ nicht geltenden Tarifvertrags verweist. Eine unmittelbare AGB-Kontrolle des Tarifvertrags ist dem Arbeitsrichter nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB i. V. m. § 307 Abs. 3 BGB versagt. Der Verweis könnte somit an sich zum gewünschten Ziel des Verwenders führen. Die gleiche Regelung im Arbeitsvertrag verstieße jedoch gegen § 307 Abs. 1 BGB. Der Verweis auf die tarifliche Ausschlussfrist hat somit allein den Sinn, das Verbot des § 307 Abs. 1 BGB zu umgehen. Die Bezugnahme ist allerdings zulässig, wenn nicht nur auf die Ausschlussklausel, sondern insgesamt auf den Tarifvertrag verwiesen wird. Zum gleichen Ergebnis kommt man auch, wenn man unter der Rechtsvorschrift i. S. d. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB, § 307 Abs. 3 BGB nur Tarifverträge versteht, auf die vollständig verwiesen wird oder wenn zumindest ein ausgewogener Teilkomplex des Tarifvertrags einbezogen wird.
Rz. 5
Gleichfalls eine Umgehung wäre es, eine Klausel in mehreren, unterschiedlich arbeitgebergünstigen Varianten in den Arbeitsvertrag zu schreiben. An sich würde die Unwirksamkeit der arbeitnehmerfeindlichsten Klausel nach § 306 Abs. 1 BGB die übrigen Klauseln nicht berühren. Der Arbeitgeber könnte so sicher sein, dass zumindest die gerade noch zulässige Klausel erhalten bleibt. Beispielsweise könnten mehrere Vertragsstrafklauseln mit unterschiedlichen Strafhöhen vorgesehen werden. Damit umginge der Klauselverwender das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Die Gestaltung ist damit unzulässig. Alle Klauselvarianten sind unwirksam.
Rz. 6
Denkbar ist, dass eine Umgehung dann angenommen wird, wenn der Arbeitgeber vertraglich eine Leistung des Arbeitnehmers als Hauptleistung i. S. d. § 307 Abs. 3 BGB bestimmt und sie damit der Inhaltskontrolle entzieht, obwohl es sich dabei um eine Nebenleistung handelt, die also der Inhaltskontrolle unterliegt. Dies könnte z. B. dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer beim Ausscheiden durch den Arbeitgeber dazu veranlasst wird, eine separate Erklärung abzugeben, mit der er den Verzicht auf seine Ansprüche erklärt. Der Verzicht wäre – bei isolierter Betrachtungsweise – eine Hauptleistung des Arbeitnehmers. Die Anwendung des § 306a BGB führt dann dazu, dass auch diese Erklärung der Inhaltskontrolle unterliegt.
5 Rechtsfolge
Rz. 6
Ein Verstoß gegen § 306a BGB führt nicht unmittelbar zur Unwirksamkeit der umgehenden Gestaltung, sondern lediglich zur Kontrolle der Regelung anhand der umgangenen Vorschriften.
6 Darlegungs- und Beweislast
Rz. 7
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Umgehungstatbestandes trägt der Vertragspartner des Verwenders, hier also regelmäßig der Arbeitnehmer.