Negativzinsen auf Bankguthaben sind zulässig
In Zeiten der Niedrigzinspolitik der EZB haben einige Banken für Bankguthaben Verwahrentgelte (Negativzinsen) von ihren Kunden erhoben. Diese äußerst umstrittene Bankpraxis hat das OLG Frankfurt in einer Grundsatzentscheidung nun für zulässig erachtet und eine entsprechende Bestimmung in den Banken-AGB für rechtmäßig erklärt.
Negativzinsen bei hohen Giro- und Spareinlagen
In dem vom OLG entschiedenen Rechtsstreit stritten die Parteien über die Zulässigkeit einer von einer Bank verwendeten AGB, wonach Bankkunden bei Überschreiten eines bestimmten Freibetrages zur Zahlung sogenannter Verwahr- bzw. Guthabenentgelte verpflichtet wurden. Der Freibetrag betrug in dem Zeitraum Mitte 2020 bis Mitte 2022 für Neukunden 250.000 EUR. Mit Bestandskunden wurde der jeweilige Freibetrag individuell vereinbart. Die Höhe des zu entrichtenden Entgeltes war dem Preisleistungsverzeichnis der Bank zu entnehmen und betrug im fraglichen Zeitpunkt 0,5 % p.a.
Unterlassungsklage erstinstanzlich erfolgreich
Erstinstanzlich hatte das LG dem Unterlassungsantrag des Verbraucherschutzverbandes gemäß § 1 UKlaG stattgegeben und die Entgeltklausel als Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 1, 488 Abs. 1 BGB gewertet. Nach Auffassung des LG benachteiligt die Klausel den Kunden entgegen dem Gebot von Treu und Glauben in unangemessener Weise. Mit den Verwahrentgelten werde der Kunde zu einer Leistung verpflichtet, für die er keine Gegenleistung erhalte.
Negativzins ist Preishauptabrede
Die gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung der Bank hatte Erfolg. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz bewertete das OLG die Vereinbarung eines Verwahrentgeltes als eine Preishauptabrede. Sowohl bei Giro- als auch bei Sparverträgen ist die Verwahrung und Rückgewähr des deponierten Geldbetrages nach der Rechtsprechung des BGH eine einseitige vertragliche Hauptleistungspflicht der Bank aus dem jeweiligen Bankvertrag (BGH, Urteil v. 25.7.2023, XI ZR 221/22). Der für diese unregelmäßige Verwahrung gemäß § 700 BGB von der Bank geforderte Preis stellt nach dem Diktum des OLG das Äquivalent zu der von der Bank geschuldeten Hauptleistungspflicht dar, da der Sparer bzw. Kontoinhaber seinerseits – anders als beim Darlehensvertrag – u.a. nicht zur Einzahlung einer bestimmten Geldeinlage verpflichtet sei.
Preishauptabreden unterliegen nicht der AGB-Inhaltskontrolle
Nach der gesetzlichen Regelung des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB seien nur solche Bestimmungen der AGB Gegenstand der Inhaltskontrolle, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzenden Regelungen vereinbart werden. Darunter fielen nach ständiger Rechtsprechung des BGH weder Klauseln, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung regeln noch solche, die das Entgelt für eine zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen (BGH, Urteil v. 18.1.2022, XI ZR 505/21). Preishauptabreden seien nach der BGH-Rechtsprechung der Inhaltskontrolle nach dem Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen entzogen.
Negativzins ist keine unangemessene Benachteiligung
Der Senat vertrat insoweit ergänzend die Auffassung, dass selbst dann, wenn man die Entgeltklausel der Inhaltskontrolle für AGB unterziehe, diese den Kontoinhaber nicht unangemessen benachteiligen würde, da sie das Entgelt für die ansonsten einseitig der Bank obliegenden Verwahr- und Rückgewährpflicht darstelle. Auch in diesem Punkt sei die Vertragsbeziehung anders als beim Darlehensvertrag zu beurteilen, bei dem der Kunde zur Einzahlung eines bestimmten Geldbetrages pflichtet ist, die die Bank durch Zahlung von Zinsen vergütet. Deshalb seien die Klauseln zum Verwahrentgelt auch nicht mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen des Darlehensvertrages unvereinbar.
Entgeltklausel weder intransparent noch überraschend
Schließlich hält das OLG die verwendeten Klauseln weder für intransparent noch für überraschend. Neukunden würden sich mit ihrer Unterschrift ausdrücklich mit dem Verwahrentgelt einverstanden erklären, mit Bestandskunden würden die Modalitäten für das Verwahrentgelt für hohe Einlagen ohnehin – zumindest in Teilen – individuell vereinbart.
Revision zum BGH zugelassen
Damit hatte die Berufung der Bank gegen die Entscheidung der Vorinstanz Erfolg. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision zum BGH ausdrücklich zugelassen
(OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 5.10.2023, 3 U 286/22)
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