Rz. 9
Neben einer Kündigungsfrist ist eine Kündigungserklärung – mit Ausnahme einer Kündigung innerhalb der Probezeit (s. Rz. 29 ff.) – auch an bestimmte Kündigungstermine gebunden.
Zur Vermeidung anschließender Streitigkeiten ist es in der Praxis üblich, den Beendigungszeitpunkt im Kündigungsschreiben zu erwähnen. Sinnvoll sind z. B. folgende Formulierungen:
"Hiermit kündige ich das zwischen Ihnen und der xy-GmbH bestehende Arbeitsverhältnis zum nächst zulässigen Termin. Das ist der …"
oder:
"Hiermit kündige ich das zwischen Ihnen und der xy-GmbH bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß zum ..., hilfsweise zum nächst zulässigen Termin."
Rz. 10
Bis zu einer Entscheidung des 5. Senats des BAG vom 1.9.2010 ging die Praxis davon aus, dass eine Kündigung auch wirksam ist, wenn das Kündigungsschreiben keinen oder einen fehlerhaften Kündigungstermin enthält. Da eine Kündigung nicht das Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthalten muss, führte ein fehlender oder fehlerhafter Beendigungszeitpunkt im Kündigungsschreiben nach bisherigem Verständnis nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Stattdessen endete das Arbeitsverhältnis zum nächst zulässigen Termin.
Beispiel
Der Arbeitnehmer erhält am 20.4. ein Kündigungsschreiben selben Datums, mit dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis "zum 31.5." kündigt. Da der Arbeitnehmer seit über 5 Jahren im Unternehmen beschäftigt ist und kein Tarifvertrag einschlägig ist, ist die Kündigungsfrist nach Abs. 2 Nr. 2 zu kurz bemessen. Sie beträgt 2 Monate zum Monatsende, sodass nur eine Kündigung zum 30.6. die Frist gewahrt hätte.
Nach bisherigem Verständnis endete das Arbeitsverhältnis automatisch mit dem 30.6. Der Arbeitnehmer musste die Einhaltung der Kündigungsfrist auch nicht innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich geltend machen, wenn er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an sich nicht infrage stellte, sondern nur die Einhaltung der Kündigungsfrist verlangte. Vergütung für die Zeit bis zum Ablauf der "richtigen" Kündigungsfrist konnte er bis zur Grenze der Verjährung geltend machen, sofern keine Ausschlussfristen existieren.
Der 5. Senat des BAG differenziert nun danach, ob die Kündigungserklärung im Hinblick auf die Kündigungsfrist auslegungsfähig ist. Lässt sich das Kündigungsschreiben aus Sicht des Empfängers nach den §§ 133, 157 BGB dahingehend auslegen, dass das Arbeitsverhältnis (hilfsweise) mit der "richtigen" Frist beendet werden soll, bleibt es bei dem bisherigen Verständnis, d. h. die Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis zum "richtigen" Termin. Der Arbeitnehmer kann dies auch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG noch gerichtlich geltend machen. Ist eine Auslegung hingegen nicht möglich, weil z. B. der eindeutige Wortlaut entgegensteht, soll die Kündigung dem 5. Senat des BAG zufolge unwirksam sein, sie könne allerdings i. d. R. nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung mit richtiger Frist umgedeutet werden. In diesem Fall müsse der Arbeitnehmer die Kündigung allerdings binnen der 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich angreifen, wenn er die Einhaltung der gesetzlichen, tarif- oder arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist geltend machen wolle, sonst gelte die Kündigung nach § 7 KSchG als wirksam.
Konsequenterweise müsste der 5. Senat seine Rechtsprechung auch auf diejenigen Fälle erstrecken, in denen der Arbeitgeber zwar die Kündigungsfrist eingehalten hat, nicht aber den Kündigungstermin.
Arbeitnehmern ist dringend zu raten, eine Kündigung auch dann innerhalb von 3 Wochen mittels Kündigungsschutzklage gerichtlich anzugreifen, wenn sie nur die Einhaltung der Kündigungsfrist verlangen, ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an sich infrage zu stellen.
Rz. 11
Diese Rechtsprechung hat ernst zu nehmende Kritik erfahren. Entscheidend ist, wie die Angabe des Beendigungstermins im Kündigungsschreiben zu verstehen ist. Nach allgemeiner Lebenserfahrung will ein Arbeitgeber mit der Kündigungserklärung i. d. R. die korrekte Kündigungsfrist (und den korrekten Kündigungstermin) einhalten. Es ist allgemein bekannt, dass Kündigungsfristen nicht frei wählbar, sondern in Gesetzen, Tarifverträgen und Arbeitsverträgen festgelegt sind. Dann handelt es sich bei der Angabe der Kündigungsfrist (bzw. des Termins) um eine Wissens- und nicht um eine Willenserklärung, sofern nicht ausnahmsweise eine vorzeitige Kündigung zu einem späteren Kündigungstermin ausgesprochen wird. Das Argument des BAG, es sei bislang empirisch unerforscht, ob Arbeitgeber tatsächlich stets die objektiv einzuhaltende Kündigungsfrist wahren wollten, überzeugt nicht. Die praktische Erfahrung lehrt jedenfalls, dass vorzeitige Kündigungen seltene Ausnahmen darstellen. Dann bleibt Arbeitgebern, wenn sie eine ordentliche Kündigung aussprechen, nur die Einhaltung der Kündigungsfrist. Ohne besondere Anhaltspunkte ist nicht anzunehmen, dass ein Arbeitgeber etwas will, das er nicht beeinflussen kann.
Das BAG geht nunmehr davon aus, eine Kün...