Rz. 4

Den Begriff der Repressalie definiert § 3 Abs. 6 HinSchG. Danach sind Repressalien Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, die eine Reaktion auf eine Meldung oder eine Offenlegung sind und durch welche der hinweisgebenden Person ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann. Zwischen Meldung oder Offenlegung und der Benachteiligung muss ein kausaler Zusammenhang bestehen.[1]

Das Maßregelungsverbot bezieht sich in sämtlichen Fällen auf Handlungen oder Unterlassungen, die im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit erfolgen. Zur Auslegung dieses Begriffs kann auf § 3 Abs. 6 HinSchG sowie auf Art. 5 Nr. 9 HinSch-RL zurückgegriffen werden.[2] Danach liegt ein beruflicher Kontext jedenfalls bei laufenden oder früheren Arbeitstätigkeiten vor, durch welche Personen, unabhängig von der Art der Tätigkeiten, Informationen über Verstöße erlangen und bei denen sich diese Personen Repressalien ausgesetzt sehen könnten, wenn sie die Informationen melden würden. Maßgeblich ist eine zweckorientierte Auslegung. Dort, wo im Zusammenhang mit Arbeitstätigkeiten Nachteile drohen, liegt auch ein beruflicher Kontext vor.[3] Sogar noch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses kann ein beruflicher Kontext fortbestehen, die HinSch-RL begrenzt den zeitlichen Schutz des Hinweisgebers gerade nicht. Umgekehrt erfasst sein dürften damit auch Handlungen gegenüber Stellenbewerbern, auch wenn diese nur in seltenen Fällen bereits Zugang zu Vorgängen erhalten werden, die dem Anwendungsbereich des HinSchG unterfallen.[4]

Ob der Hinweisgeber für seine Tätigkeit ein Entgelt erhält, spielt keine Rolle.

 

Rz. 5

Als Reaktion auf die Meldung oder Offenlegung muss ein Nachteil entstehen oder entstehen können. Art. 19 HinSch-RL enthält einen umfangreichen, regelbeispielhaften Katalog, den die Gesetzesbegründung aufgreift. Dieser Katalog soll aber nicht davon ablenken, dass Repressalien auch andere, nicht genannte Benachteiligungen sein können, denn die Aufzählung ist gerade nicht abschließend.[5]

 
Achtung

Mögliche verbotene Benachteiligungen können demnach sein: Suspendierung, Kündigung oder vergleichbare Maßnahmen; Herabstufung oder Versagung einer Beförderung; Aufgabenverlagerung, Änderung des Arbeitsorts, Gehaltsminderung, Änderung der Arbeitszeit; Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen; negative Leistungsbeurteilung oder Ausstellung eines schlechten Arbeitszeugnisses; Disziplinarmaßnahmen, Rügen oder sonstige Sanktionen einschließlich finanzieller Sanktionen; Nötigung, Einschüchterung, Mobbing oder Ausgrenzung; Diskriminierung, benachteiligende oder ungleiche Behandlung; Nichtumwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Arbeitsvertrag in Fällen, in denen der Arbeitnehmer zu Recht erwarten durfte, einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten zu bekommen; Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags; Schädigung (einschließlich Rufschädigung), insbesondere in den sozialen Medien, oder Herbeiführung finanzieller Verluste (einschließlich Auftrags- oder Einnahmeverluste); Erfassung der hinweisgebenden Person auf einer "schwarzen Liste" auf Basis einer informellen oder formellen sektor- oder branchenspezifischen Vereinbarung mit der Folge, dass die hinweisgebende Person sektor- oder branchenweit keine Beschäftigung mehr findet; vorzeitige Kündigung oder Aufhebung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen; Entzug einer Lizenz oder einer Genehmigung; psychiatrische oder ärztliche Überweisungen. Eine Repressalie kann gegebenenfalls auch im missbräuchlichen Anstrengen von Gerichtsverfahren liegen.

 

Rz. 6

Weiter muss der Nachteil ungerechtfertigt sein.

Wann dies der Fall ist, ist derzeit noch unklar. Die Gesetzesbegründung betont, dass ein hinreichend gerechtfertigter Grund etwa dann vorliegen kann, wenn die benachteiligende Maßnahme vorwiegend aus anderen, objektiv nachvollziehbaren Gründen, als der durch das Gesetz erlaubten Meldung oder Offenlegung erfolgt.[6] Richtigerweise handelt es sich bei dieser Frage aber um eine Kausalität der Meldung für die Benachteiligung, nicht um eine Frage ihrer Rechtfertigung. Ungerechtfertigt sind alle benachteiligenden Maßnahmen, die durch eine Meldung oder Offenlegung ausgelöst werden, obwohl der Hinweisgeber Anspruch auf Schutz vor Repressalien genießt. Diese untersagt § 36 HinSchG pauschal. Neben der Kausalität besitzt das Merkmal der Ungerechtfertigkeit daher keine eigenständige Bedeutung.[7]

Zwischen der Meldung/Offenlegung, der Handlung/Unterlassung sowie der Benachteiligung muss Durchgangskausalität vorliegen, das zulässige Verhalten des Hinweisgebers muss jedenfalls conditio sine qua non für die nachteilhafte Reaktion sein.

Davon unberührt bleibt die Möglichkeit des Beschäftigungsgebers, beschäftigungsbezogene Maßnahmen zu treffen, denen nicht die Meldung oder Offenlegung zugrunde liegt.[8] Dann sind Meldung oder Offenlegung bereits nicht conditio sine qua non für die ergriffene Handl...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Personal Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge