1 Allgemeines
Rz. 1
§ 77 ist die zentrale Vorschrift für die Regelungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. In Abs. 1 wird klargestellt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich die alleinige Zuständigkeit für die Durchführung von Betriebsvereinbarungen hat und der Betriebsrat nicht in die Führung des Betriebs eingreifen darf. In den Abs. 2 bis 6 werden nähere Regelungen über das Zustandekommen, den Inhalt, die Rechtswirkungen und die Beendigung von Betriebsvereinbarungen getroffen. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Abs. 3, in dem der Vorrang tarifvertraglicher Regelungen enthalten ist und der die Regelungsbefugnis der Betriebspartner erheblich einschränkt. § 77 gilt entsprechend für Vereinbarungen mit dem Gesamtbetriebsrat und dem Konzernbetriebsrat (§§ 51 Abs. 6, 59 Abs. 1 BetrVG). § 28 SprAuG enthält entsprechende Regelungen für die Ebene der Leitenden Angestellten und die §§ 73, 74, 75 Abs. 5 BPersVG für den öffentlichen Dienst.
2 Durchführung betrieblicher Vereinbarung und Betriebsleitung
2.1 Durchführungspflicht des Arbeitgebers
Rz. 2
Die Durchführung betrieblicher Vereinbarungen obliegt grundsätzlich dem Arbeitgeber. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:
Der Arbeitgeber ist zur tatsächlichen Umsetzung von Vereinbarungen mit dem Betriebsrat verpflichtet. Im Rahmen dieser Pflicht muss er auch dafür sorgen, dass sich Arbeitnehmer an Arbeitszeiten halten, die in einer Betriebsvereinbarung festgehalten sind. Kommt er seiner Pflicht nicht nach, kann der Betriebsrat ihn durch ein Beschlussverfahren, in Eilfällen sogar durch eine einstweilige Verfügung dazu veranlassen. Dies gilt nur dann, wenn er selbst Partei der Betriebsvereinbarung ist oder ihm durch die Betriebsvereinbarung eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte eingeräumt werden. Wenn der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat in originärer Zuständigkeit mit dem Arbeitgeber Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen abschließt, hat der örtliche Betriebsrat aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf deren Durchführung.
Es ist zwischen einem Unterlassungsanspruch bei Nichtbeachtung eines Mitbestimmungsrechts und einem Anspruch auf Durchführung einer geltenden Betriebsvereinbarung zu unterscheiden.
Wenn der Betriebsrat sein Verlangen ausdrücklich auf einen Verbotsausspruch als Rechtsfolge wegen des nach seiner Ansicht betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers stützt, handelt es sich hierbei um einen anderen Verfahrensgegenstand als bei der auf einem betriebsvereinbarungswidrigen Verhalten gründenden Unterlassungsfolge.
- Es ist dem Betriebsrat grundsätzlich verboten, Betriebsvereinbarungen einseitig durchzuführen.
Rz. 3
Die Verpflichtung besteht für sämtliche Arten von Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, also für
- Betriebsvereinbarungen, egal ob sie im Rahmen der erzwingbaren Mitbestimmung liegen oder freiwillig abgeschlossen wurden, auch für nachwirkende Betriebsvereinbarungen
- für Sprüche der Einigungsstelle, auch wenn über die Wirksamkeit noch gestritten wird und
- für Regelungsabreden.
Rz. 4
Der Betriebsrat kann im Einzelfall ermächtigt werden, eine Betriebsvereinbarung selbst durchzuführen. Dies muss aber jeweils gesondert vereinbart werden.
Durch freiwillige Betriebsvereinbarung wird die Errichtung einer Sozialkasse vereinbart. Wenn hier ausdrücklich vereinbart wird, dass der Betriebsrat diese verwaltet, kann er die Betriebsvereinbarung durchführen. Fehlt eine solche Regelung, bleibt es bei der Zuständigkeit des Arbeitgebers.
Etwas anderes gilt nur, wenn sich die Zuständigkeit des Betriebsrats unmittelbar aus der Sache ergibt wie z. B. bei der Abhaltung seiner Sprechstunden. Davon unabhängig besteht das selbstverständliche Recht des Betriebsrats, seine eigenen Beschlüsse, wie z. B. die Einberufung einer Betriebsversammlung auch selbst durchzuführen.
2.2 Verbot des Eingriffs in die Betriebsleitung
Rz. 5
Die Regelung stellt ausdrücklich klar, dass der Betriebsrat nicht durch einseitige Handlungen in die Betriebsleitung eingreifen darf. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber sich rechtswidrig weigert, Betriebsvereinbarungen umzusetzen.
In einer Betriebsvereinbarung wurde vereinbart, dass die Mittagspause von 12.30 Uhr bis 13 Uhr genommen wird. Aus betrieblichen Gründen ordnet der Arbeitgeber ohne Abstimmung mit dem Betriebsrat an, dass sie für 2 Wochen nur von 13.15 Uhr bis 13.30 Uhr zu nehmen ist. Der Betriebsrat darf hier nicht etwa einen eigenen Aushang am Schwarzen Brett anbringen, in dem er eine entgegenstehende Anweisung erteilt. Er kann lediglich das Arbeitsgericht anrufen. Darüber hinaus ist die Weisung des Arbeitgebers gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern unwirksam.
Handelt der Betriebsrat diesem Verbot zuwider, begeht er eine Amtspflichtver...