1 Allgemeines
Rz. 1
§ 9 BetrVG legt die Anzahl der Betriebsratsmitglieder fest. Betriebsräte setzen sich stets aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern zusammen. Die Zahl hängt von der Anzahl der "in der Regel" im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ab. Das Gesetz stellt in den ersten Staffelstufen für den ein-, drei- und fünfköpfigen Betriebsrat (in Betrieben bis zu 51 wahlberechtigte Arbeitnehmer) auf die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer ab. Für größere Betriebe (mehr als 51 wahlberechtigte Arbeitnehmer) kommt es nur noch auf die Zahl der Arbeitnehmer insgesamt an, egal, ob sie wahlberechtigt sind oder nicht. Damit sind beispielsweise nicht wahlberechtigte Jugendliche (unter 16 Jahre) bei der Ermittlung der Grenzzahl in größeren Betrieben mit mehr als 51 wahlberechtigten Arbeitnehmern grundsätzlich mitzuzählen, allerdings dürften sie in der Praxis kaum ins Gewicht fallen.
Rz. 2
Die Schwellenwerte und damit die Staffelung des § 9 BetrVG sind durch die Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes aus dem Jahr 2001 verändert worden. Dadurch gibt es in Betrieben mit ab 100 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern häufig größere Betriebsräte als vor 2001. Die Gesetzesänderung galt erstmals für die ersten Neuwahlen zum Betriebsrat nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 28.7.2001. Die Schwellenwerte und die Staffelung sind durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 14.6.2021 nicht geändert worden. Allerdings können sich dadurch, dass die Altersgrenze für die Wahlberechtigung in § 7 BetrVG von 18 auf 16 Jahre gesenkt worden ist und mithin mehr jüngere Arbeitnehmer wahlberechtigt sind (s. Kommentierung zu § 7 BetrVG), die Zahlen der wahlberechtigten Arbeitnehmer in einzelnen Betrieben erhöhen und die Schwellenwerte überschreiten mit der Folge, dass mehr Mitglieder in den Betriebsrat zu wählen sind als bisher.
Rz. 3
Die gesetzliche Regelung der Betriebsratsgröße ist zwingend. Abweichende Regelungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen sind nicht zulässig. Ausnahmen können sich für Tarifverträge gem. § 3 Abs. 1 BetrVG ergeben, siehe die Kommentierung dort. Weitere Ausnahmen kann es geben, wenn nicht genügend wählbare Arbeitnehmer vorhanden sind (§ 11 BetrVG), es ist dann auf die nächst niedrigere Stufe abzustellen. Sollten nicht genügend wählbare Arbeitnehmer bereit sein zu kandidieren bzw. zu viele Gewählte die Annahme der Wahl ablehnen, kann die Regelung des § 11 BetrVG entsprechend angewendet werden (str. siehe die Kommentierung zu § 11 BetrVG). Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Beschluss (BAG, Beschluss v. 24.4.2024, 7 ABR 26/23) entschieden, dass ein kleinerer Betriebsrat errichtet werden kann, wenn sich bei einer Betriebsratswahl weniger Arbeitnehmer um einen Betriebsratssitz bewerben als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Nach dieser Entscheidung des BAG ist bei der Betriebsratsgröße in der Konstellation von weniger Kandidaten als zu besetzenden Betriebsratssitzen so lange auf die (jeweils) nächstniedrigere Stufe des § 9 BetrVG zurückzugehen, bis die Zahl von Bewerbern für die Errichtung eines Gremiums mit einer ungeraden Anzahl an Mitgliedern ausreicht (s. im Detail auch die Kommentierung zu § 11 BetrVG).
2 Feststellung der Zahl der Betriebsratsmitglieder
Rz. 4
Der Wahlvorstand stellt vor jeder Betriebsratswahl die Größe des Betriebsrats fest. Maßgeblicher Zeitpunkt dafür ist der Zeitpunkt der Wahl, also der Erlass des Wahlausschreibens. Entscheidend ist die Zahl der in diesem Zeitpunkt "in der Regel" tätigen Arbeitnehmer, und zwar so, wie sie vom Wahlvorstand beim Erlass des Wahlausschreibens nach pflichtgemäßem Ermessen eingeschätzt werden kann (BAG, Beschluss v. 12.10.1976, 1 ABR 1/76). Dabei hat der Wahlvorstand auch die künftigen, aufgrund konkreter Entscheidungen des Arbeitgebers zu erwartenden Entwicklungen des Beschäftigtenstands zu berücksichtigen (BAG, Beschluss v. 25.11.1992, 7 ABR 7/92; BAG, Beschluss v. 12.11.2008, AP Nr. 13 zu § 9 BetrVG). So können beispielsweise ausgeschriebene Stellen, die noch nicht besetzt sind, berücksichtigt werden (so LAG Frankfurt, Beschluss v. 5.4.2002, 9 TaBV Ga 64/02). Gleiches gilt für geplante Entlassungen, etwa aufgrund eines Interessenausgleichs oder Sozialplans, der dem Betriebsrat bekannt ist (BAG, Beschluss v. 18.10.2011, 1 AZR 335/10). Dabei soll es auf die nach außen hin erkennbare Anzahl der ausgeschriebenen bzw. gestrichenen Stellen ankommen. Bloße Vermutungen des Wahlvorstandes hinsichtlich der Personalentwicklung sind nicht zu berücksichtigen.
Arbeitnehmer, denen aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wurde, deren Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist und die gegen die Kündigung Klage erhoben haben, zählen nach der Rechtsprechung (LAG Hamm, Beschluss v. 23.2.2007, 10 TaBV 104/06) nicht mehr zu den in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern nach § 9 BetrVG. Entscheidend ist, ob die Arbeitsplätze auf Dauer entfallen sollen, denn für die Feststellung der Arbeitnehmerzahl ist nicht nur der Personalbestand in der Vergangenheit zugrunde zu legen, sondern auch die künftige, aufgrund kon...