Rz. 7
Für jeden vollen Monat, den der Arbeitnehmer im Kalenderjahr Elternzeit nimmt, kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub um ein Zwölftel kürzen. Die Vorschrift gilt nur für den Urlaub, der während der Elternzeit entsteht. Urlaub, der während eines Beschäftigungsverbots oder den Schutzfristen nach § 3 MuSchG entsteht, kann nicht gekürzt werden (§ 24 Satz 1 MuSchG). Gekürzt werden kann aber immer nur der Urlaub des laufenden Kalenderjahres, ab dem der Arbeitnehmer Elternzeit in Anspruch genommen hat. Würde auch der Urlaub, der aus dem Vorjahr aus der Zeit vor Beginn der Elternzeit nach § 7 Abs. 3 Satz 4 BUrlG i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BUrlG übertragen worden ist, gekürzt, würde der Arbeitnehmer, der Elternzeit in Anspruch nimmt, dadurch benachteiligt. Das gilt entsprechend für den nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG übertragenen Urlaub. Ansonsten würde ein Verstoß gegen Art. 11 der Vereinbarkeitsrichtlinie RL 2019/1158/EU vorliegen.
Gleiches gilt, wenn der Urlaub des Vorjahres wegen der Elternzeit nicht verfallen ist, weil der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten bezüglich des Verfalls nicht nachgekommen ist und folglich dem Urlaub des Folgejahres hinzugerechnet wird. Zwar spricht der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 ("Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht") dafür, dass der gesamte Urlaubsanspruch gekürzt werden kann. Die Vorschrift ist aber dahingehend einschränkend auszulegen, dass das nur den Urlaub betrifft, der im Kalenderjahr der Inanspruchnahme der Elternzeit entstanden ist. Ansonsten käme es zu nicht begründbaren Ungleichbehandlungen zwischen Arbeitnehmern, die Elternzeit in Anspruch nehmen und solchen, deren Arbeitsverhältnis nicht ruht. Zudem würde das dazu führen, dass Arbeitnehmern durch die Inanspruchnahme der Elternzeit ein Nachteil entsteht, sie nämlich einen Teil des "erarbeiteten" Urlaubs wieder verlieren.
Der Arbeitnehmer, der einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen hat, hat am Ende des Jahres 2024 noch 10 Urlaubstage nicht genommen. Der Arbeitgeber hat ihn nicht darauf hingewiesen, dass dieser Urlaub verfällt, wenn er nicht bis zum 31.12.2024 genommen wird, sodass der Urlaub nicht verfällt, sondern dem Folgejahr 2025 zugerechnet wird. Im Jahr 2025 nimmt er nun ab 1.7.2025 Elternzeit in Anspruch. Der Arbeitgeber kann nur den im Jahr 2025 entstandenen Urlaub um 6/12, also 15 Tage, kürzen, nicht etwa den im Jahr 2025 bestehenden gesamten Urlaub von 40 Tagen.
Geklärt ist nun, dass die Vorschrift mit unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG hinsichtlich der Gewährung des Mindesturlaubs vereinbar ist.
Der EuGH hat in einem rumänischen Fall die Gelegenheit gehabt, sich mit der Verringerung des Erholungsurlaubs wegen Inanspruchnahme von Elternurlaub zu befassen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es mit der RL 2003/88/EG vereinbar ist, Zeiten des Elternurlaubs bei der Berechnung des Jahresurlaubs nicht zu berücksichtigen. Der Elternurlaub sei eine selbst gewählte Zeit der Nichtleistung von Arbeit und daher mit einer Krankheit nicht zu vergleichen. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Entscheidung für das deutsche Recht nachvollzogen.
Die Vorschrift verstößt auch nicht gegen § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung zur RL 2010/18/EU (jetzt RL 2019/1156/EU), denn die verbietet es nur, dass Rechte, die der Arbeitnehmer bereits erworben hat, durch die Elternzeit beeinträchtigt werden. Die Möglichkeit, den während der Elternzeit entstehenden Urlaub zu kürzen, betrifft aber keine schon entstandenen Rechte.
Rz. 8
§ 17 Abs. 1 führt nicht zu einer automatischen Kürzung, sondern gibt dem Arbeitgeber das Recht, den Erholungsurlaub zu kürzen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber initiativ werden muss, will er von der Möglichkeit Gebrauch machen. Dabei muss die Kürzungserklärung dem Arbeitnehmer auch zugehen; sie ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Arbeitgeber muss nicht kürzen; in seiner Kürzungsentscheidung ist er zwar nicht an die Ausübung billigen Ermessens nach § 315 BGB, aber an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden und darf hier nicht sachgrundlose Unterscheidungen vornehmen. Der Arbeitgeber kann – wenn er will – auch nur teilweise kürzen, z. B. nur für die Jahre, in denen überhaupt nicht gearbeitet wurde.
Die Kürzung des Erholungsurlaubs tritt nicht "automatisch" ein, sondern muss vom Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer erklärt werden. Das gilt auch für die Jahre der Elternzeit, in denen der Arbeitnehmer gar nicht arbeitet! Das muss der Arbeitgeber im Bestreitensfall nachweisen. Gekürzt werden kann nur der Urlaubsanspruch, nicht nach Ende des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsabgeltungsanspruch.
Rz. 9
Allerdings stellt die Rechtsprechung nur geringe Anforderungen an diese Kürzungserklärung; sie ist formfrei möglich und kann durch schlüssiges Handeln erfolgen, z. B. durch die Weigerung, den (ungekürzten) Urlaub zu erteilen. Sie kann insbesondere auch während oder...