Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgsbeteiligung. Dividende
Orientierungssatz
Wird eine arbeitsvertraglich vereinbarte Erfolgsbeteiligung auf der Grundlage der „Dividende der …-AG” errechnet, ist der von der Hauptversammlung zusätzlich zur Dividende beschlossene, als „Sonderausschüttung” bezeichnete Gewinnanteil nicht der Berechnung der Erfolgsbeteiligung zugrundezulegen.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 7. Mai 2002 – 6 Sa 760/01 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer dem Kläger für das Geschäftsjahr 2000 zustehenden Erfolgsbeteiligung.
Der Kläger war bei der Beklagten als außertariflicher Angestellter tätig. Er befindet sich seit dem 1. Januar 2000 in Altersteilzeit. Er hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Erfolgsbeteiligung nach Maßgabe der „Beschäftigungsbestimmungen Mittlerer Führungskreis” vom 1. Oktober 1971. Dort heißt es auszugsweise:
„Ziff. III.
…
2. Für die Erfolgsbeteiligung gelten folgende Bestimmungen:
a) Erfolgsbeteiligung erhalten alle Mitarbeiter, die während des Geschäftsjahres, für das die Erfolgsbeteiligung gezahlt wird, mitgearbeitet haben.
Mitarbeiter, die während des Geschäftsjahres eintreten oder vor Abschluß des Geschäftsjahres ausscheiden, erhalten die Erfolgsbeteiligung anteilig.
…
c) Die Höhe der Erfolgsbeteiligung richtet sich nach der Dividende der S Aktiengesellschaft und nach Grundbeträgen.
Die Grundbeträge werden individuell festgelegt und mitgeteilt.
Zur Errechnung der Erfolgsbeteiligung wird der individuelle Grundbetrag mit der Dividende, ausgedrückt in DM je Aktie im Nennbetrag von DM 50,– vervielfacht.
Maßgebend ist zunächst die Dividende, die für das jeweils vorangegangene Geschäftsjahr ausgeschüttet wurde. Beschließt jedoch die Hauptversammlung für das Geschäftsjahr, für das die Erfolgsbeteiligung gezahlt wird, eine höhere oder eine niedrigere Dividende, so erhöht oder vermindert sich die Erfolgsbeteiligung entsprechend.”
Für das laufende Geschäftsjahr 1999/2000 vom 1. Oktober 1999 bis 30. September 2000 schlug der Vorstand der Beklagten mit Zustimmung des Aufsichtsrats der Hauptversammlung vor, eine Dividende von 1,40 Euro je Aktie sowie auf Grund des hohen außerordentlichen Ergebnisses des Konzerns einen Sonderbonus von 1,00 Euro je Aktie zu zahlen. Die Berechnung der Erfolgsbeteiligung auf Basis einer Dividende von 1,40 Euro pro Aktie teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 2000 mit.
Die Hauptversammlung der Beklagten faßte am 22. Februar 2001 folgenden Beschluß:
„…
2.1 Aus dem Bilanzgewinn wird ein Teilbetrag von Euro 824.068.840,00 zur Ausschüttung einer Dividende von Euro 1,40 je dividendenberechtigter Stückaktie verwendet. …
2.2 Aus dem Bilanzgewinn wird der restliche Teilbetrag von Euro 588.620.600,00 zur Sonderausschüttung von Euro 1,00 je dividendenberechtigter Stückaktie verwendet. …”
Für die Mitarbeiter wurde wegen des hohen außerordentlichen Ergebnisses ein Aktien-Sonderprogramm aufgelegt, das die Möglichkeit des Aktienerwerbs zu einem Vorzugspreis vorsah.
Die Beklagte hat an den Kläger die sich auf der Basis einer Dividende von 1,40 Euro errechnende und wegen der Inanspruchnahme von Altersteilzeit gekürzte Erfolgsbeteiligung in Höhe von 49.201,35 DM ausgezahlt.
Mit der Klage begehrt der Kläger den der Höhe nach unstreitigen Differenzbetrag von 35.143,43 DM brutto, der sich unter Einbezug der Sonderausschüttung von 1,00 Euro in die Berechnung der Erfolgsbeteiligung ergibt. Er meint, der in den Regelungen zur Erfolgsbeteiligung verwendete Begriff der „Dividende” erfasse auch Sonderausschüttungen an die Aktionäre. Dividende sei alles, was als Anteil am Bilanzgewinn an die Aktionäre ausgeschüttet werde, das Aktienrecht kenne keine anderen Formen der Ausschüttung. Dieses Verständnis des Begriffs Dividende entspreche dem objektiven Erklärungswert der Vertragsbestimmungen zur Erfolgsbeteiligung.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 35.143,43 DM brutto nebst 9,25 % Zinsen seit 1. Februar 2001 zu zahlen.
Die Beklagte begründet ihren Klageabweisungsantrag damit, daß der Begriff des Sonderbonus vom Vertragsbegriff der Dividende nicht erfaßt sei. Die Beklagte habe die Regelungen zur Erfolgsbeteiligung als zusätzliche freiwillige Leistung getroffen. Als Bezugsgröße sei nicht allgemein die Höhe des auszuschüttenden Betrages oder des Gewinnanteils sondern die Dividende vereinbart worden. Dieser Begriff sei gesetzlich nicht definiert. Die Parteien seien deshalb grundsätzlich frei darin, dem Begriff eine ihnen gemäße Definition zu geben. Allein entscheidungsberechtigt über Art und Höhe der Ausschüttungen sei die Hauptversammlung. Beschließe die Hauptversammlung einerseits eine Dividende und andererseits einen Sonderbonus, so sei die Beklagte an diese Begriffseingrenzung bzw. Definition gebunden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der Erfolgsbeteiligung um eine freiwillige Leistung der Beklagten, die sich unter anderem nach der Dividende der S Aktiengesellschaft richte und deren Höhe jeweils neu berechnet werden müsse. Was als „Dividende” ausgeschüttet werde und nach den Anspruchsvoraussetzungen der „Beschäftigungsbestimmungen Mittlerer Führungskreis” der Berechnung der Erfolgsbeteiligung zu Grunde gelegt werde, beschließe allein und abschließend die Hauptversammlung, die für das Geschäftsjahr 2000 eindeutig zwischen Dividende und Sonderausschüttung unterschieden habe. Dies sei nicht zu beanstanden. Für die Entscheidung, das hohe außerordentliche Ergebnis des Konzerns über eine Sonderausschüttung an die Aktionäre weiterzugeben, gebe es wirtschaftliche Gründe, so daß auch § 162 BGB nicht zu Gunsten des Klägers greife.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in der Begründung.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 611 BGB iVm. Ziff. III. 2. c der „Beschäftigungsbestimmungen Mittlerer Führungskreis” vom 1. Oktober 1971 auf eine Erfolgsbeteiligung für das Geschäftsjahr 1999/2000, die sich unter Einbezug der durch die Hauptversammlung am 22. Februar 2001 beschlossenen Sonderausschüttung von 1,00 Euro je Aktie errechnet.
1. Nach Ziff. III. 2. c der zwischen den Parteien vereinbarten Beschäftigungsbestimmungen richtet sich die Höhe der Erfolgsbeteiligung neben einem individuell vereinbarten Grundbetrag nach der „Dividende der S Aktiengesellschaft”. Nach Ziff. 2.1 des Beschlusses der Hauptversammlung der Beklagten vom 22. Februar 2001 betrug diese für das Geschäftsjahr 2000 1,40 Euro pro Aktie. Die sich auf dieser Grundlage ergebende Erfolgsbeteiligung hat die Beklagte an den Kläger ausgekehrt und damit die geschuldete Leistung bewirkt (§ 362 Abs. 1 BGB).
2. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht. Die in Ziff. 2.2 des Beschlusses der Hauptversammlung ausgewiesene Sonderausschüttung von 1,00 Euro ist keine Dividende der S Aktiengesellschaft im Sinne von Ziff. III. 2. c der „Beschäftigungsbestimmungen Mittlerer Führungskreis”. Dies ergibt die Auslegung dieser Vertragsbestimmung am Maßstab von §§ 133, 157 BGB.
a) Die Beschäftigungsbestimmungen gelten für die Beschäftigung der Mitarbeiter im Mittleren Führungskreis. Es liegen damit keine auf den Einzelfall bezogene Erklärungen sondern typische in einer Vielzahl weiterer Fälle von der Beklagten verwendete Vertragsbestimmungen vor, deren Inhalt und Auslegung der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegen (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 26. Juni 2002 – 6 AZR 50/00 – nv.; 19. Januar 2000 – 5 AZR 637/98 – BAGE 93, 212 mwN).
b) Bei der Auslegung einer empfangsbedürftigen Erklärung ist, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, der wirkliche Wille zu erforschen. Es kommt nach §§ 133, 157 BGB darauf an, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen mußte. Die Auslegung hat ausgehend vom Wortlaut, der nach dem Sprachgebrauch der jeweiligen Verkehrskreise zu bewerten ist, sämtliche den Parteien erkennbaren Begleitumstände der Erklärung, soweit sie einen Schluß auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen, zu berücksichtigen. Anhaltspunkte für das Gewollte können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte, dem Zweck des Vertrages und der bei Vertragsschluß vorliegenden Interessenlage sowie aus weiteren Äußerungen der Parteien im Zusammenhang mit der Erklärung ergeben (ständige Rechtsprechung, vgl. Senat 31. Juli 2002 – 10 AZR 513/01 – NZA 2003, 100, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
c) Der Begriff der Dividende ist weder gesetzlich definiert noch haben die Vertragsparteien den Begriff ausdrücklich eigenständig umschrieben. Grundsätzlich ist daher vom Sprachgebrauch der jeweiligen Verkehrskreise auszugehen. Danach kann der Begriff der Dividende auch die im vorliegenden Fall streitige Sonderausschüttung umfassen. Eine Dividende ist „der finanzielle Anteil eines Gesellschafters am Bilanzgewinn der Gesellschaft” (Brockhaus Enzyklopädie 19. Aufl. Stichwort Dividende), „die aus dem Bilanzgewinn einer Kapitalgesellschaft auf die Kapitalanteile gezahlte Vergütung, insbesondere der Gewinnanteil der Aktie in Prozent des Nennwertes” (Meyers Enzyklopisches Lexikon 9. Aufl. Stichwort Dividende) bzw. „der zur Auszahlung (Ausschüttung) an die Teilhaber gelangende Teil des Bilanzgewinns einer Kapitalgesellschaft, ausgedrückt in Prozenten des gewinnberechtigten Kapitals oder in Geldeinheiten” (Bertelsmann Lexikon Wirtschaft 1992 Stichwort Dividende). Auch die lateinische Herleitung des Begriffs „das zu Verteilende” (Brockhaus Enzyklopädie 19. Aufl. Stichwort Dividende) umfaßt alles, was als Teil des Bilanzgewinns zur Ausschüttung kommt, ohne daß es auf die gewählte Begrifflichkeit ankommt.
d) Dennoch ist die Sonderausschüttung keine „Dividende” iSd. „Beschäftigungsbestimmungen Mittlerer Führungskreis”. In diesen ist als Berechnungsgrundlage die „Dividende der S Aktiengesellschaft” bestimmt. Damit haben die Vertragsparteien aus der objektiven Sicht eines Erklärungsempfängers erkennbar einen Bezugspunkt für die Berechnung der Erfolgsbeteiligung gewählt, der nicht im allgemeinen oder aktienrechtlichen Sinne zu verstehen ist, sondern an die Willensbildung der Hauptversammlung geknüpft ist. Diese hat insoweit die „Definitionsmacht”, jedenfalls soweit arbeitsrechtlich relevante Folgerungen daraus gezogen werden. Ihr obliegt nach § 174 Abs. 1 AktG sowie nach § 24 Abs. 4 der Satzung der Beklagten die Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns. Auch in Ziff. III. 2. c Abs. 4 der Beschäftigungsbestimmungen zur Erfolgsbeteiligung wird auf dieses Bestimmungsrecht nochmals besonders hingewiesen, wenn sich abhängig von der Beschlußfassung der Hauptversammlung über eine höhere oder eine niedrige Dividende die Erfolgsbeteiligung entsprechend vermindert oder erhöht.
Die Erfolgsbeteiligung knüpft ausschließlich nicht an den – vor der Beschlußfassung der Hauptversammlung festgestellten – Gesamtgewinn des Unternehmens an, sondern an das, was die Hauptversammlung als Dividende beschließt. Sie hat zuvor die Entscheidung zu treffen, ob sie Anteile des Bilanzgewinns in Gewinnrücklagen einstellt oder als Gewinn in das nächste Jahr vorträgt.
Sie ist auch nicht gehindert, den sodann verbleibenden Gewinn in eine „Dividende” auf das ordentliche Ergebnis aus der normalen Geschäftstätigkeit und eine „Sonderausschüttung” aufzuteilen, die auf ein hohes außerordentliches, einmaliges Ergebnis gezahlt wird. Aktienrechtliche Bestimmungen stehen einer solchen Differenzierung nicht entgegen. Die Unterscheidung, die die Hauptversammlung möglicherweise aus bilanzpolitischen Erwägungen trifft, um im nächsten Geschäftsjahr ohne außerordentliche Erträge nicht eine sinkende Dividende mit entsprechenden Auswirkungen auf den Aktienkurs ausweisen zu müssen, steht ihr frei. Gem. § 174 Abs. 2 Nr. 2 AktG muß nur der insgesamt ausgeschüttete Betrag in dem Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns angegeben werden. Dies war der Fall.
Der in den Beschäftigungsbestimmungen definierte Zweck der Leistung, wonach diese für geleistete Mitarbeit im Geschäftsjahr gezahlt wird, zwingt nicht dazu, an der Bestimmung durch die Hauptversammlung vorbei in den Begriff der Dividende auch das einzubeziehen, was die Hauptversammlung ausdrücklich als Sonderausschüttung bezeichnet. Am Erfolg partizipieren die Mitarbeiter auch, wenn sie eine nach der ausdrücklich als solcher bezeichneten Dividende berechnete Leistung erhalten. Auf den Gesamtgewinn ist ausdrücklich nicht Bezug genommen.
e) Auch aus den Verlautbarungen der Beklagten konnten die Mitarbeiter des mittleren Führungskreises nicht den Eindruck gewinnen, ihre Erfolgsbeteiligung werde sich nach der Gesamtausschüttung richten. In diesen wird stets differenziert zwischen der „Dividende” und dem „Sonderbonus”.
In dem nach Ablauf des Geschäftsjahres erstellten Lagebericht 2000 wird durchgängig auf einen Vorschlag des Vorstandes an die Hauptversammlung über die Gewinnverwendung Bezug genommen, der zwischen Dividende und Sonderbonus auf Grund des hohen außerordentlichen Ergebnisses differenziert. In den kapitalmarktorientierten Kennzahlen wird zwar eine „Dividende” von 2,40 Euro ausgewiesen, die aber in einer Fußnote näher erläutert wird als „Dividende” in Höhe von 1,40 Euro und „Sonderbonus” in Höhe von 1,00 Euro.
f) Ein anderes Ergebnis würde sich nur dann ergeben, wenn die Beschäftigungsbestimmungen nicht auf die „Dividende der S Aktiengesellschaft” sondern allgemein auf einen Gewinnanteil pro Aktie Bezug genommen hätten. Insofern hätte es nahegelegen, die in § 25 Abs. 1 der Satzung der Beklagten gewählte Begrifflichkeit zu übernehmen, wonach der jährliche Bilanzgewinn zur gleichmäßigen Ausschüttung eines Gewinnanteils an die Aktionäre nach dem Verhältnis ihrer Anteile am Grundkapital verwendet wird. Dies ist jedoch unterblieben.
g) Anhaltspunkte für eine willkürliche Verkürzung der Dividende zu Gunsten des Sonderbonus bestehen nicht. Die Dividende liegt bereits 40 % über der des Vorjahres. Daß der darüber hinaus gezahlte Sonderbonus auf außergewöhnlichen Erträgen beruht, ist zwischen den Parteien nicht im Streit.
III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, N. Schuster, Thiel
Fundstellen
DB 2003, 944 |
ARST 2004, 8 |
EWiR 2003, 669 |
NZA 2003, 800 |
ZIP 2003, 1363 |
AG 2003, 426 |
AP, 0 |
NZA-RR 2003, 459 |