Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbringung eines landwirtschaftlichen Betriebs in eine Gesellschaft; Durchschnittsbesteuerung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einbringung eines landwirtschaftlichen Betriebs in eine Gesellschaft nach dem 1. Januar 1994 ist eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung, auch wenn einzelne Wirtschaftsgüter davon ausgenommen werden.
2. Erteilt ein der Durchschnittsatzbesteuerung unterliegender Landwirt über Umsätze, die er im Rahmen der Veräußerung seines Betriebs ausgeführt hat, eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis, so steht dem Leistungsempfänger daraus kein Vorsteuerabzug zu.
Orientierungssatz
1. Hier: Die Grundstücke einschließlich der Gebäude, sämtliche Liefer- und Absatzverträge sowie Beteiligungen an Bezugs- und Absatzgenossenschaften wurden der Gesellschaft zur Nutzung überlassen.
2. Diese Auslegung steht im Einklang mit Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG, der auch die Übertragung eines Teilvermögens, die durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, erfaßt.
3. Der Senat hatte im Streitfall nicht zu entscheiden, wie der Begriff der Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG 1993, der im wesentlichen aus dem bisherigen § 10 Abs. 3 UStG übernommen worden ist, zu verstehen ist, soweit nicht ein Fall der Veräußerung oder Einbringung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zu beurteilen ist. Dementsprechend kann offen bleiben, ob der Verwaltungsauffassung zu folgen ist, wonach (allgemein) bei einer Einbringung eines Betriebs in eine Gesellschaft eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im ganzen auch dann vorliegt, wenn einzelne wesentliche Wirtschaftsgüter nicht mit dinglicher Wirkung übertragen, sondern an die Gesellschaft vermietet oder verpachtet werden (vgl. Abschn. 5 Abs. 1 Satz 8 UStR 1996).
4. Auch nicht steuerbare Umsätze fallen unter die Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG 1993; sie gilt nicht nur für steuerbare und steuerpflichtige Leistungen hinsichtlich eines über dem jeweiligen Durchschnittsatz nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993 ausgewiesenen Steuerbetrages.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 5 Abs. 8; StMBG Art. 20 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 22 Buchst. a DBuchst. bb; UStG 1980 § 10 Abs. 3; UStG 1993 § 1 Abs. 1a, § 24 Abs. 1 S. 6; UStR 1996 Abschn. 264 Abs. 6 Sätze 1-2, Abschn. 5 Abs. 1 S. 8
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GbR, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 19. Dezember 1994 von dem Landwirt R und seiner Ehefrau gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebs mit Tierhaltung. Mit Schreiben vom 22. Dezember 1994 optierte die Klägerin --die einen Boxenlaufstall errichten wollte-- gemäß § 24 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 rückwirkend ab Gesellschaftsgründung zur Regelbesteuerung.
Bis zur Gründung der Klägerin war R (allein) Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs und hatte seine Umsätze nach § 24 UStG versteuert. Er brachte mit Wirkung vom 20. Dezember 1994 die gesamten beweglichen Wirtschaftsgüter, die Forderungen, die Schulden, das Vieh, die Vorräte, die auf dem Betrieb ruhende Milchquote sowie die stehende Ernte in das Gesellschaftsvermögen ein. Dagegen überließ er die Grundstücke einschließlich der Gebäude, sämtliche Liefer- und Absatzverträge sowie Beteiligungen an Bezugs- und Absatzgenossenschaften der Gesellschaft nur zur Nutzung.
Über die in die Gesellschaft eingebrachten Wirtschaftsgüter erteilte R der Klägerin eine auf den 30. September 1996 datierte Rechnung über insgesamt 648 838,14 DM zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 58 395,41 DM. Die Klägerin machte die Vorsteuer aus der Rechnung in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 3. Kalendervierteljahr 1996 geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte den Vorsteuerabzug mit Änderungsbescheid vom 22. Januar 1997. Zur Begründung führte er aus, der Klägerin stehe der Vorsteuerabzug gemäß § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG 1993 nicht zu, weil im Streitfall eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG 1993 vorliege.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen mit Zustimmung des FA erhobenen Sprungklage statt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1998, 143). Es führte zur Begründung aus, § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG 1993 stehe dem Vorsteuerabzug nicht entgegen, weil diese Vorschrift nicht steuerbare Umsätze nicht erfasse. Darüber hinaus handele es sich bei den der Rechnung des R zugrundeliegenden Leistungen nicht um Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG 1993, weil R sein Unternehmen nicht im ganzen, sondern nur einzelne Wirtschaftsgüter in die Klägerin eingebracht habe. Voraussetzung für die Einbringung eines Unternehmens im ganzen sei aber --wie sich der Rechtsprechung zu § 10 Abs. 3 UStG a.F. und zu § 75 der Abgabenordnung (AO 1977) entnehmen lasse--, daß die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens übergingen. Den Kern eines landwirtschaftlichen Betriebs mit Tierhaltung bildeten gerade die Wirtschaftsgüter, die nicht in die Klägerin eingebracht, sondern ihr nur zur Nutzung überlassen worden seien.
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung von § 1 Abs. 1a, § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG 1993. Es trägt zur Begründung im wesentlichen vor: Die Neuregelung der Geschäftsveräußerung in § 1 Abs. 1a UStG 1993 verlange eine eigene Interpretation des Typusbegriffs "Unternehmen im ganzen". Es könne daher und wegen der unterschiedlichen Regelungsgegenstände nicht lediglich auf die zu § 10 Abs. 3 UStG a.F. und zu § 75 AO 1977 ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden, wie es das FG getan habe. Danach liege eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im ganzen auch dann vor, wenn einzelne wesentliche Wirtschaftsgüter nicht mit dinglicher Wirkung übertragen, sondern an die Gesellschaft vermietet oder verpachtet würden (Abschn. 5 Abs. 1 Satz 8, Abschn. 264 Abs. 6 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 1996).
Da im Streitfall die für die Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebs wesentlichen Grundlagen, nämlich das Vieh, die Milchquote, die Vorräte und sämtliche beweglichen Wirtschaftsgüter auf die Klägerin übertragen worden seien, sei eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG 1993 anzunehmen. Diese Sicht entspreche auch der ertragsteuerlichen Beurteilung (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. Januar 1994 III R 39/91, BFHE 173, 338, BStBl II 1994, 458).
Das FG habe ferner verkannt, daß auch nicht steuerbare Umsätze unter die Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG 1993 fielen. Die Vorschrift entspreche der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften im Urteil vom 13. Dezember 1989 Rs. C-342/87 - Genius Holding (Slg. 1989, 4227, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1991, 83), wonach das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nur für die Steuer bestehe, soweit sie geschuldet werde, nicht aber für eine Steuer, die ausschließlich geschuldet werde, weil sie in der Rechnung gesondert ausgewiesen sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen des FA entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Der Vorsteuerabzug der Klägerin aus der Rechnung ihres Gesellschafters R vom 30. September 1996 ist nach § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG 1993 ausgeschlossen, weil die in der Rechnung aufgeführten Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung ausgeführt und deshalb nach § 1 Abs. 1a UStG 1993 nicht steuerbar sind.
1. Erteilt ein Landwirt, der die im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze nach Durchschnittsätzen gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993 versteuert --hier R--, über von ihm ausgeführte Umsätze eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis, steht dem Leistungsempfänger nach § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG 1993 der Abzug des ihm gesondert in Rechnung gestellten Steuerbetrages nur bis zur Höhe der für den maßgeblichen Umsatz geltenden Steuer zu.
Entgegen der Auffassung des FG fallen auch nicht steuerbare Umsätze unter die Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG 1993; sie gilt nicht nur für steuerbare und steuerpflichtige Leistungen hinsichtlich eines über dem jeweiligen Durchschnittsatz nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993 ausgewiesenen Steuerbetrages. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und ihrem erkennbaren Sinn, der darin besteht, den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers der Höhe nach auf den Betrag zu begrenzen, den der leistende Landwirt nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993 für den entsprechenden Umsatz schuldet. Entsteht beim leistenden Unternehmer insoweit keine Umsatzsteuer nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993 --sei es, weil der Umsatz nicht steuerbar oder steuerfrei ist--, steht dem Leistungsempfänger kein Vorsteuerabzug zu.
2. Die von R der Klägerin in Rechnung gestellten Umsätze sind nicht steuerbar, weil sie im Rahmen einer Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG 1993 ausgeführt worden sind.
a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen gemäß § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG 1993 nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt nach § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG 1993 vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.
Wird ein landwirtschaftlicher Betrieb oder Teilbetrieb übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht, liegt eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG 1993 auch dann vor, wenn einzelne Wirtschaftsgüter von der Übereignung oder Einbringung ausgenommen werden. Das ergibt sich für die Einbringung eines landwirtschaftlichen Betriebs daraus, daß der Gesetzgeber eine entsprechende ausdrückliche gesetzliche Regelung im Hinblick auf die Einfügung des § 1 Abs. 1a UStG 1993 als "entbehrlich" gestrichen hat.
aa) § 1 Abs. 1a UStG 1993 ist mit Wirkung vom 1. Januar 1994 durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310) in das Umsatzsteuergesetz eingefügt worden (vgl. Art. 20 Nr. 1 Buchst. b StMBG). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum StMBG (BTDrucks 12/5630, S. 84) regelt die Vorschrift die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung im ganzen und setzt Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht um. Gemäß der Richtlinienbestimmung können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Die Mitgliedstaaten treffen ggf. die erforderlichen Maßnahmen, um Wettbewerbsverzerrungen für den Fall zu vermeiden, daß der Begünstigte nicht voll steuerpflichtig ist.
bb) Gleichzeitig hat der Gesetzgeber § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993 ersatzlos gestrichen (vgl. Art. 20 Nr. 22 Buchst. a bb StMBG). Diese Vorschriften lauteten: "Die Umsätze im Rahmen einer Betriebsveräußerung unterliegen nicht der Steuer. Eine Betriebsveräußerung im Sinne des Satzes 2 liegt vor, wenn ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb oder Teilbetrieb übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird, auch wenn einzelne Wirtschaftsgüter davon ausgenommen werden."
§ 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993 waren mit Wirkung vom 1. Januar 1992 durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297) in das Umsatzsteuergesetz aufgenommen worden (vgl. Art. 12 Nr. 6 a StÄndG 1992), und zwar mit folgender Begründung (vgl. BTDrucks 12/1506, S. 178):
"Durch die Änderung werden die Umsätze im Rahmen der Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs oder Teilbetriebs einschließlich des Einbringens in eine Gesellschaft von der Durchschnittsatzbesteuerung ausgenommen. Zugleich wird bestimmt, daß diese Umsätze nicht der Umsatzsteuer unterliegen.
Die Änderung entspricht einer Anregung des Bundesrechnungshofs. Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht gemäß § 99 BHO (BT-Drucksache 12/1040) festgestellt, daß
- die Gründung von Familienpersonengesellschaften in der Landwirtschaft zu
erheblichen Vorsteuererstattungen bei der Gesellschaft geführt hat, ohne
daß der einbringende Landwirt die entsprechende Umsatzsteuer abzuführen
hatte, und
- die Finanzverwaltung dieser Gestaltung mit der bisherigen Fassung des § 24
UStG sowie mit den abgabenrechtlichen Möglichkeiten des § 42 AO nicht
wirksam begegnen konnte.
Die Änderung soll die unerwünschten Steuervorteile verhindern. Sie stellt andererseits sicher, daß sich keine steuerlichen Nachteile ergeben, wenn der Erwerber des Betriebs die Durchschnittsatzbesteuerung fortführt. Die Vorschrift greift auch dann ein, wenn der bisherige Betriebsinhaber Teile des Betriebsvermögens zurückbehält, z.B. wenn er die Grundstücke lediglich vermietet oder verpachtet. Sie erstreckt sich nicht auf einzelne Hilfsgeschäfte (z.B. Verkauf eines gebrauchten Traktors)."
cc) Die Streichung von § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993 durch das StMBG "steht im Zusammenhang mit der Neuregelung der umsatzsteuerlichen Behandlung der Geschäftsveräußerung im ganzen. Durch die Einfügung des § 1 Abs. 1a UStG wird die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung allgemein geregelt und damit in § 24 entbehrlich" (vgl. Bericht des Finanzausschusses vom 8. November 1993, BTDrucks 12/6078, S. 135).
Ebenfalls für "entbehrlich" wurde eine noch im Gesetzentwurf zum StMBG enthaltene Regelung gehalten, die an die Stelle von § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993 treten sollte (vgl. BTDrucks 12/5940 vom 21. Oktober 1993, S. 17, 30). Danach sollte § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993 durch folgenden Satz ersetzt werden: "§ 1 Abs. 1a gilt auch für die Übereignung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs oder Teilbetriebs einschließlich der Einbringung in eine Gesellschaft, auch wenn einzelne Wirtschaftsgüter davon ausgenommen werden" (vgl. Art. 15 Nr. 22 Buchst. a des Gesetzentwurfs zum StMBG, BTDrucks 12/5630, S. 34). Die Vorschrift sollte sicherstellen, "daß auch künftig die Veräußerung eines Betriebs unter Zurückbehaltung z.B. der Betriebsgrundstücke nicht steuerbar ist" (vgl. Gesetzentwurf zum StMBG, BTDrucks 12/5630, S. 89).
dd) Aufgrund dieser Entwicklung des § 24 Abs. 1 UStG 1991/1993 und der dazu dargelegten Gesetzesmaterialien kommt der Senat zu der Auffassung, daß durch die Streichung von § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993 mit Wirkung vom 1. Januar 1994 in der Sache keine Rechtsänderung eingetreten ist.
Nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers --der im Rahmen der Auslegung des § 1 Abs. 1a UStG 1993 zu berücksichtigen ist-- sollte es bei der bisherigen Rechtslage bleiben, wonach eine Betriebsveräußerung (nunmehr: Geschäftsveräußerung) eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs oder Teilbetriebs auch dann vorliegt, wenn einzelne Wirtschaftsgüter nicht übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht werden. Eine dahingehende ausdrückliche besondere Regelung in § 24 Abs. 1 UStG 1993 hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die allgemeine Regelung der Geschäftsveräußerung in § 1 Abs. 1a UStG 1993 lediglich für "entbehrlich" gehalten.
Zudem sollte das StMBG u.a. dem "weiteren Abbau ungerechtfertigter Steuervorteile und unerwünschter Steuergestaltungen" dienen und den auch im StÄndG 1992 vollzogenen Abbau von "Steuersubventionen" fortsetzen (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 1). Mit dieser generellen Zielsetzung unvereinbar wäre die Annahme, daß der Gesetzgeber des StMBG durch die Streichung von § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993 eine Regelung abschaffen wollte, die er erst mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in das Gesetz aufgenommen hatte und die --wie dargelegt-- den Eintritt unerwünschter Steuervorteile verhindern sollte.
ee) Der Senat ist damit für die Veräußerung oder Einbringung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Auffassung, die im Ergebnis auch von der Finanzverwaltung (Abschn. 264 Abs. 6 Satz 2 UStR 1996) und einem Teil der Literatur vertreten wird (vgl. Widmann in Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, Rz. 42 ff. zu § 1 Abs. 1a; Bauer in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 24 Rz. 26; a.A. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, I Rz. 568.39; Schöll in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuer, § 24 Rz. 84; Probst in Hartmann/Metzenmacher, a.a.O., § 1 Abs. 1a Rz. 37; Schuhmann in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 24 Rz. 53; Gosch, Deutsche Steuer-Zeitung 1996, 228, 229; Schlienkamp, UR 1994, 133, 142; Hartmann, UR 1995, 297).
Diese Auslegung des Senats steht im Einklang mit Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG, der --wie dargelegt-- auch die Übertragung eines Teilvermögens, die durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, erfaßt.
ff) Der Senat hat im Streitfall nicht zu entscheiden, wie der Begriff der Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG 1993, der im wesentlichen aus dem bisherigen § 10 Abs. 3 UStG übernommen worden ist (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 84), zu verstehen ist, soweit nicht ein Fall der Veräußerung oder Einbringung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zu beurteilen ist. Dementsprechend kann offen bleiben, ob der Verwaltungsauffassung zu folgen ist, wonach (allgemein) bei einer Einbringung eines Betriebs in eine Gesellschaft eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im ganzen auch dann vorliegt, wenn einzelne wesentliche Wirtschaftsgüter nicht mit dinglicher Wirkung übertragen, sondern an die Gesellschaft vermietet oder verpachtet werden (vgl. Abschn. 5 Abs. 1 Satz 8 UStR 1996).
b) Von diesem Gesetzesverständnis ausgehend hat R die der Klägerin in Rechnung gestellten Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1a UStG 1993 im Rahmen einer Geschäftsveräußerung ausgeführt.
R hat seinen landwirtschaftlichen Betrieb in die Klägerin eingebracht, indem er aufgrund des Gesellschaftsvertrags mit Wirkung vom 20. Dezember 1994 --in einem Akt-- die gesamten beweglichen Wirtschaftsgüter, die Forderungen, die Schulden, das Vieh, die Vorräte, die auf dem Betrieb ruhende Milchquote sowie die stehende Ernte in das Gesellschaftsvermögen überführte und der Klägerin die Grundstücke einschließlich der Gebäude, sämtliche Liefer- und Absatzverträge sowie Beteiligungen an Bezugs- und Absatzgenossenschaften zur Nutzung überließ. Sein eigener Betrieb hörte damit auf zu existieren. Er wurde von der Klägerin fortgeführt.
Soweit das FG gleichwohl eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG 1993 in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 10 Abs. 3 UStG a.F. und zu § 75 AO 1977 mit der Begründung verneint hat, R habe für einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Tierhaltung wesentliche Betriebsgrundlagen nicht eingebracht, kommt es darauf --wie dargelegt-- nicht an. Unter Geltung des durch das StÄndG 1992 eingefügten § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG 1993 war anerkannt, daß eine Betriebsveräußerung im Sinne dieser Vorschrift auch dann anzunehmen war, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen nicht in eine Gesellschaft eingebracht, sondern ihr nur zur Nutzung überlassen wurden (vgl. Probst in Hartmann/ Metzenmacher, a.a.O., § 1 Abs. 1a Rz. 36; Schöll in Sölch/ Ringleb/List, a.a.O., § 24 Rz. 84).
Fundstellen
Haufe-Index 55404 |
BFH/NV 1999, 579 |
BStBl II 1999, 41 |
BFHE 187, 93 |
BFHE 1999, 93 |
BB 1999, 95 |
DB 1999, 316 |
DStR 1999, 60 |
DStRE 1999, 73 |
DStRE 1999, 73 (Leitsatz) |
HFR 1999, 202 |
StE 1999, 40 |
UR 1999, 127 |