Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat eine GmbH mit ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Rente spätestens für die Zeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres und für den früheren Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vereinbart, so sind diese beiden Teile des Vertrages bei Entscheidung der Frage, ob eine Rückstellung anerkannt werden kann, gesondert zu behandeln. Durch die Altersversorgung sind auch die Fälle einer Invalidität, die vom 65. Lebensjahr an eintritt, gedeckt.
Hat eine GmbH ihrem beherrschenden Gesellschafter- Geschäftsführer eine Rente für den Fall der vollen Arbeitsunfähigkeit versprochen, so liegt hierin dem Grund nach eine ernst zu nehmende Last, für die die GmbH eine Rückstellung bilden kann.
Bei der Berechnung der Höhe der Rückstellung ist unter Anwendung der Berechnungsgrundlage des § 6a EStG davon auszugehen, daß die Invalidität mit der Vollendung des 75. Lebensjahres eintritt.
Beträge, die über die mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer vereinbarte Vergütung für die Geschäftsführertätigkeit hinaus gezahlt werden, sind bei der GmbH nicht abzugsfähig.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1, §§ 5-6, 6a
Tatbestand
An der KZ-GmbH (kurz GmbH) sind der Kaufmann KZ zu 80 v. H. und seine Mutter, Frau RZ, zu 20 v. H. beteiligt. Alleiniger Gesellschafter ist der Gesellschafter KZ. Nach einem "Angestellten-Vertrag" vom 31. Dezember 1957 erhielt der Gesellschafter-Geschäftsführer von der GmbH 36 000 DM Jahresgehalt, eine Pensionszusage für den Fall, daß er beschränkt arbeitsfähig oder arbeitsunfähig würde oder aus Gründen der GmbH ausscheiden müsse, spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres, und die Zusage einer Witwenversorgung von 2 000 DM monatlich.
Dieser Angestelltenvertrag vom 31. Dezember 1957 wurde in der Gesellschafter-Versammlung der GmbH vom 13. Juni 1960 gebilligt. Im Protokoll dieser Versammlung heißt es u. a.:
"Herr KZ verpflichtet sich, spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres seine Tätigkeit als Geschäftsführer der oben erwähnten Firma aufzugeben. Mit Zustimmung der Gesellschafter- Versammlung wird Herr KZ beauftragt, seinen Sohn H rechtzeitig so anzuweisen, daß er in der Lage ist, die Geschäftsführung zu übernehmen, wenn Herr Z vorzeitig aus Krankheitsrücksichten die Geschäftsleitung niederlegen muß. Spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Herrn KZ muß der Sohn H in der Lage sein, die Geschäftsführung der Firma zu übernehmen".
Im Jahre 1958 hat die GmbH dem Gesellschafter-Geschäftsführer ein Gehalt von 43 700 DM einschließlich einer "Weihnachtsgratifikation" gezahlt. Auf der Grundlage des Angestellten-Vertrages hat sie 19 525 DM einer Rückstellung für Pensionsverpflichtungen gegenüber dem Gesellschafter- Geschäftsführer zugeführt.
Das Finanzgericht (FG) ist der Ansicht, daß alle Bezüge, die der Gesellschafter-Geschäftsführer für seine Tätigkeit in der GmbH erhalten hat, soweit sie 36 000 DM übersteigen, steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen seien.
Die Weihnachtsgratifikation und die sogenannte Aufwandsentschädigung für private Pkw-Benutzung könnten als Betriebsausgaben nicht anerkannt werden. Die Vertragspartner hätten sich in dem Angestelltenvertrag auf ein Gehalt von 36 000 DM festgelegt. Daran seien die GmbH und auch ihr Geschäftsführer gebunden. Die Versorgungszusagen könnten eine Rückstellung nicht rechtfertigen, da der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, an der er allein oder ganz überwiegend beteiligt sei, in der Regel seine Geschäftsführertätigkeit mit der Vollendung des 65. Lebensjahres nicht aufgebe. Die Zuführung zur Invaliditäts- und Witwenrente teile das Schicksal der Hauptrente, da sie nur im Rahmen der nichtzulässigen Pensionszusage zu betrachten seien.
Mit der Rb. trägt die GmbH vor, wenn die Weihnachtsbezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers in früheren Jahren mit Genehmigung seiner Mitgesellschafterin ebenso behandelt worden seien wie die Bezüge des Prokuristen und wenn das Finanzamt (FA) diese Gleichbehandlung anerkannt habe, liege kein Grund vor, nunmehr für das Jahr 1958 gegenteilig zu verfahren. Das gleiche treffe zu für die sogenannte Aufwandsentschädigung, die ebenfalls mit ausdrücklicher Genehmigung der Mitgesellschafterin entnommen worden sei. Die Rückstellungen für die Witwen- und Invalidenrente müßten als abzugsfähig erkannt werden.
Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten. Er hat sich zunächst zur Frage des Invaliditätsrisikos und des Invaliditätsbegriffs u. a. wie folgt geäußert:
"Offen ist die Beurteilung der Leistungsverpflichtung für den Fall der Invalidität. Der Invaliditätsbegriff für sich betrachtet ist nicht eindeutig. Er umfaßt einen weiten Bereich. In der Sozialversicherung wird zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit unterschieden. Der höhere Grad an Invalidität wird von der Erwerbsunfähigkeit erfaßt.
Erwerbsunfähig im Sinne der Sozialversicherung ist, wer infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwächen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder bestenfalls nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann. Aus der Statistik der deutschen Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten (z. B. für den Zugang an Erwerbsunfähigen im Jahre 1961 Bd. 15 S. 112 und 113) ist ersichtlich, wie sich die Zahl der Erwerbsunfähigen nach den einzelnen Ursachen aufteilt. Im Vordergrund stehen Tuberkulose, bösartige Neubildungen, Störungen des Zentralnervensystems, Erkrankungen des Herzens, des Kreislaufsystems, der Leber und entzündliche Gelenkerkrankungen. Diese Ursachen dürften auch für den Kreis der beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer als objektive Merkmale anzusehen sein, weil sie nicht von einer persönlichen Willensbildung beeinflußbar sind. Des weiteren kann davon ausgegangen werden, daß der für die Anerkennung der Erwerbsunfähigkeit in der Sozialversicherung notwendige Grad an Invalidität bzw. Krankheit so hoch ist, daß angenommen werden kann, daß unter gleichen Voraussetzungen auch ein Gesellschafter seine Tätigkeit für das Unternehmen beenden muß.
Scheidet man aus der Statistik der Krankheitsursachen für die Erwerbsunfähigkeit in der Sozialversicherung diejenigen aus, die für die Erwerbsunfähigkeit von Gesellschafter-Geschäftsführern weniger in Betracht zu ziehen sind, wie Verletzungen, Muskelzerrungen, Knochenbrüche, Verbrennungen, Vergiftungen u. ä. (Gruppen 90 bis 99 der Rentenzugangsstatistik - sie sind zahlenmäßig von untergeordneter Bedeutung -), so verbleibt ein objektives Maß DER Erwerbsunfähigkeit, das ebenso wie die Sterbeintensität auch bei Pensionszusagen an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer als Grundlage für die steuerwirksame Rückstellungsbildung anerkannt werden kann".
Der BdF hat dann zur Konkurrenz von Invaliditäts- und Altersrente folgendes ausgeführt:
"Die Zusage einer Alters- und Invalidenrente, Altersrente bei Erreichen der Altersgrenze, Invalidenrente bei vorherigem Eintritt der Invalidität, ist unterschiedlicher Auslegung fähig:
Die Zusage einer Altersrente kann beinhalten, daß der Berechtigte eine Altersrente "in jedem Fall" erhält, d. h. unabhängig von der Tatsache, ob er bis zur Erreichung der Altersgrenze aktiv tätig bleibt oder vorher invalide wird. Bei diesem Sachverhalt besteht vom Zeitpunkt der Zusage bis zur Erreichung der Altersgrenze eine Anwartschaft auf Invalidenrente, die nur bis zum Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze zu zahlen ist.
Die Verpflichtung zur Zahlung einer Altersrente kann aber auch an die Bedingung geknüpft sein, daß der Berechtigte bis zur Erreichung der Altersgrenze aktiv tätig bleibt. Wird er vorzeitig invalide, so erhält er eine Invalidenrente. Diese Invalidenrente ist lebenslänglich zu zahlen. Betrachtet man nur den Teil der Zusage, der sich auf die Leistungen im Invaliditätsfall bezieht, so ist ersichtlich, daß die risikomäßige Belastung und demzufolge auch der Kapitalwert der Invaliditätszusage im Fall b) wesentlich größer ist als im Fall a). Alters- und Invalidenrente als Einheit sind dagegen sowohl in der Belastung für den Verpflichteten als auch in der Begünstigung für den Berechtigten gleich. Der Wortlaut des Pensionsvertrags wird daher, weil für diese Unterscheidung in der Regel kein Bedürfnis bestehen wird, häufig nicht eindeutig erkennen lassen, ob der Fall a) oder der Fall b) vorliegt. Von einer Versicherungsgesellschaft sind beide Fälle versicherbar. Wenn Tarife mit solch spezifizierten Leistungen in der Praxis nicht angeboten werden, so sind dafür kaufmännische Erwägungen maßgebend. Die übernahme nur des Invaliditätsrisikos in der einen oder der anderen Form ist für die Versicherungsgesellschaft optisch ungünstig, weil die Risikoprämie sehr hoch ist und Leistung und Gegenleistung je nach Art des tatsächlichen Ablaufs zu einem ungünstigen Verhältnis führen. Aus diesen Gründen sind die Versicherungsgesellschaften bestrebt, Tarifkombinationen anzubieten, bei denen der Versicherungsnehmer als Versicherungsleistung mehr erhält, als er an Beiträgen einzahlt. Invaliditätsversicherungen können daher in der Regel nur als Zusatzversicherungen zu anderen Versicherungen abgeschlossen werden. Dabei ist es üblich, das Invaliditätsrisiko des Falles b) zu kalkulieren, d. h. die Risikoprämie so zu bemessen, daß die von allen Versicherungsnehmern in einem Jahr zu zahlenden Risikoprämien ausreichen, um den Kapitalwert der lebenslänglich zahlbaren Invalidenrente für alle die Personen zu decken, die in diesem Jahr invalide werden. Dieser versicherungsmäßige Brauch und die Tatsache, daß der Pensionsvertrag entsprechend formuliert werden könnte, lassen es vertretbar erscheinen, mindestens den Fall b) als Belastung aus der Invaliditätszusage steuerlich anzuerkennen.
Die Zusage einer Alters- und Invalidenrente mit einer relativ niedrigen Altersgrenze verschafft dem Pensionsberechtigten ein erhöhtes Maß an Freizügigkeit. Ab Erreichen der Altersgrenze ist für die Auslösung der Pensionszahlungen der Nachweis der Invalidität nicht mehr notwendig. Der Gesellschafter- Geschäftsführer kann jedoch in der Regel über die Altersgrenze hinaus tätig bleiben. Unterstellt, er will die Geschäftsführung so lange wie möglich ausüben, so besteht das Invaliditätsrisiko für das Unternehmen noch nach dem Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze bis zum Eintritt der Invalidität. Auch diese zusätzliche Risikobelastung ist bewertbar. In der Praxis wird für diese Bewertung entsprechend der Lebenserfahrung unterstellt, daß von einem bestimmten Grenzalter an (z. B. 75 Jahre) der Zustand der Invalidität als gegeben anzusehen ist, d. h. ab diesem Zeitpunkt eine beachtliche Arbeitsleistung als Gegenleistung für das Pensionsrecht nicht mehr erbracht wird. Wirtschaftlich und betragsmäßig (bewertungsmäßig) ist dieser Fall (Zusage nur einer Rente bei Eintritt der Invalidität) dann mit demjenigen identisch, daß bei der Zusage auf Alters- und Invalidenrente als Altersgrenze das Grenzalter (75 Jahre) angenommen wird. Auf diese Weise wird aus der Pensionsvereinbarung der Teil herausgeschält, dem die Ernsthaftigkeit zuerkannt wird, und der damit auch der steuerwirksamen Rückstellungsbildung zugrunde gelegt werden kann".
Weitere Ausführungen befassen sich u. a. mit der Wahl der Rechnungsgrundlagen für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen gegenüber beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der GmbH (Bfin.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
I. Der Bfin. kann nicht in der Ansicht beigetreten werden, daß die dem Gesellschafter-Geschäftsführer über sein Gehalt hinaus gewährten Vorteile als abzugsfähig anerkannt werden müßten. Die Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, daß zwischen dem eine GmbH beherrschenden Gesellschafter und der GmbH klare Vereinbarungen über die Bezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers vor der Zahlung getroffen sein müssen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - I 164/62 U vom 31. Juli 1963, BStBl 1963 III S. 440, Slg. Bd. 77 S. 328). Hier besteht in dem Angestelltenvertrag eine klare Vereinbarung über ein Gehalt von 36 000 DM; weitergehende Vergütungen beruhen darum nicht auf einer die Abzugsfähigkeit rechtfertigenden Vereinbarung.
Es ist der Bfin. zuzugeben, daß eine schriftliche Vereinbarung nicht unbedingt erforderlich ist um ein Anstellungsverhältnis des Gesellschafter-Geschäftsführers zu begründen und das Gehalt zu einer abzugsfähigen Betriebsausgabe zu machen. Wenn aber ein schriftlicher Anstellungsvertrag besteht, ist anzunehmen, daß das darin genannte Gehalt die vereinbarte Arbeitsvergütung darstellt.
Daß im Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschafter- Geschäftsführer strengere Anforderungen an die steuerliche Anerkennung von Abmachungen gelten als im Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschaftsfremden, stellt keine Ungleichbehandlung oder gar Diskriminierung dar. Zahlungen an andere Angestellte erfolgen notwendigerweise nur im Hinblick auf deren arbeitsvertragliche Beziehungen zur Gesellschaft, während alle Leistungen, die der Gesellschafter-Geschäftsführer erhält, ebensogut gesellschaftsrechtliche Gründe haben können. An dieser Möglichkeit ändert auch die Tatsache nichts, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer seine eigenen Gratifikationen mit denen seines Prokuristen abstimmt. Im übrigen trifft auch die Behauptung der Bfin., Weihnachtsgratifikationen seien seit jeher gezahlt worden und müßten als mündlich vereinbart angesehen werden, allenfalls dem Grunde, nicht aber der Höhe nach zu. Daß im Jahre 1958 zwei Monatsgehälter gegenüber bisher einem gezahlt wurden, kann geradezu als Beweis dafür angesehen werden, daß in Wahrheit eben keine feste mündliche Abrede über diese besonderen Bezüge vorlag. Damit hat sich der Gesellschafter die Möglichkeit zur Gewinnregulierung offengehalten, die eine Anerkennung der entsprechenden Leistungen als Betriebsausgabe ausschließt. Für die Entscheidung ist es nicht von Bedeutung, daß das FA in früheren Jahren die zusätzliche Zahlung nicht beanstandet hat; denn das FA ist nicht an eine unrichtige Rechtsentscheidung in der Vorzeit gebunden (BFH-Urteil VI 221/57 U vom 19. September 1958, BStBl 1958 III S. 425, Slg. Bd. 67 S. 396).
Ebenso sind die private Benutzung des PKW und die die tatsächlichen Kosten übersteigende Aufwandsentschädigung Vorteile, die einem fremden Angestellten nicht ohne weiteres gewährt würden und die darum zutreffend als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt worden sind.
II. Die Ablehnung jeglicher Rückstellung für die von der Bfin. zugesagten Rentenverpflichtungen läßt sich jedoch nicht aufrechterhalten.
Die Rechtsprechung des BFH zur Pensionsrückstellung für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer beruht auf dem Gedanken, daß Rückstellungen allgemein nur gebildet werden können, wenn zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme aus der Verpflichtung zu rechnen ist, diese also für die Kapitalgesellschaft eine Last bedeutet.
Das Urteil des BFH I 14/57 S vom 22. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 186, Slg. Bd. 66 S. 481) hat für Pensionsverpflichtungen gegenüber einem nicht an der Gesellschaft beteiligten Arbeitnehmer eine Rückstellung nicht anerkannt, wenn die Zusage von dem Arbeitgeber nach freiem Belieben widerrufen werden kann. Eine diesem Fall vergleichbare Widerrufsmöglichkeit besteht auch, wenn die Pensionszusage von der GmbH dem beherrschenden Gesellschafter- Geschäftsführer gemacht wird, da dieser in der Lage ist, eine Rückgängigmachung der Zusage zu veranlassen. Der BFH hat jedoch nicht allein deswegen die Bildung einer Rückstellung versagt (Entscheidung I 11/58 S vom 5. Mai 1959, BStBl 1959 III S. 369, Slg. Bd. 69 S. 286).
Hinzu kommt ein zweiter Gesichtspunkt. Niemand kann den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zwingen, an dem durch den Vertrag vorgesehenen Tag der Zurruhesetzung auch wirklich sein Gehalt mit der Pension zu vertauschen. Es liegt hier also anders als bei einem der Gesellschaft fremden Geschäftsführer, der den Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Dienste nicht verschieben kann. Ist ein Geschäftsführer zugleich beherrschender Gesellschafter der GmbH, für die er tätig ist, so fehlt es faktisch an einem Dienstherrn, der seine Zurruhesetzung durchsetzen könnte.
Unter diesen Umständen und im Hinblick auf das Interesse, das Gesellschafter-Geschäftsführer und Gesellschaft einerseits an der Fortsetzung der aktiven Geschäftsführertätigkeit, andererseits aber an der Bildung einer Pensionsrückstellung mit der Wirkung einer Steuerermäßigung für die Gesellschaft haben können, hat der BFH für die Anerkennung einer Rückstellung in solchen Fällen einen besonders weitgehenden Nachweis dafür gefordert, daß die GmbH mit der Last ernstlich rechnen muß (BFH-Entscheidungen I 11/58 S vom 5. Mai 1959, a. a. O.; I 188/61 S vom 26. Juni 1962, BStBl 1962 III S. 399, Slg. Bd. 75 S. 366). Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Beschluß 1 BvR 488/62 vom 11. November 1964 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 Nr. 77 S. 92) als verfassungsgemäß bestätigt.
2. Eine hiervon abweichende Interessenlage hat der BFH aber bei der Versorgungszusage zugunsten von Witwen und Waisen anerkannt; der Eintritt des Versorgungsfalles ist hier durch den Tod des Gesellschafter-Geschäftsführers bedingt und darum jeder willkürlichen Beeinflussung entzogen. Eine passivierungsfähige Last ist darum anzuerkennen (BFH-Entscheidung I 1 und 2/61 U vom 13. Dezember 1961, BStBl 1962 III S. 138, Slg. Bd. 74 S. 364).
Auch für das Versprechen der Invaliditätsrente im Falle der völligen Arbeitsunfähigkeit kann eine Rückstellung nicht grundsätzlich abgelehnt werden. Krankheit und Unfall, die wesentlichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit, beruhen auf Ereignissen, die von den Betroffenen weder gewünscht nicht gewollt werden. Darum hat der erkennende Senat im Urteil I 334/61 U vom 15. Januar 1964 (BStBl 1964 III S. 163, Slg. Bd. 78 S. 422) für eine von der GmbH übernommene Invaliditätsversorgung des Gesellschafter-Geschäftsführers die Möglichkeit einer ernstzunehmenden Last anerkannt, für die eine Rückstellung dem Grunde nach berücksichtigt werden könne. In dieser Rechtsansicht wird der Senat durch den Beschluß des BVerfG 1 BvR 488/62, a. a. O., bestärkt, nach dem in diesen Fällen die Ablehnung einer Rückstellung dem Grunde nach nicht zweifelsfrei ist.
III. Da das FG für die vereinbarte Witwenrente eine Rückstellung versagt hat, gegen die Angemessenheit dieser Rente im Rahmen des Vertrags aber keine Bedenken bestehen, ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird bei seiner Berechnung § 6a EStG anzuwenden haben. IV.
Eine Zurückverweisung ist auch wegen der Behandlung der in dem Angestelltenvertrag vom 31. Dezember 1957 enthaltenen Altersrente erforderlich.
In dem vorliegenden Fall ist nach Auffassung des Senats davon auszugehen, daß das in dem gleichen Vertrag enthaltene Versprechen einer Altersrente und einer Invaliditätsrente hinsichtlich einer zu bildenden Rückstellung getrennt behandelt werden müssen. Die Alterssicherung ist für den Fall vorgesehen, daß der Versicherte das 65. Lebensjahr erreicht hat, wobei es ohne Bedeutung ist, ob bei ihm von der Vollendung des 65. Lebensjahrs ab der Fall der Vollinvalidität eintritt. Daneben enthält der Vertrag die Zusage einer Invaliditätsrente, die sich auf den Eintritt der Invalidität vor Beendigung des 65. Lebensjahrs bezieht. Ob bei dieser zusätzlichen Abmachung der vom BdF erwähnte Fall a) oder Fall b) vorliegt - der Senat neigt zu letzterem - kann für die Entscheidung des Senats dahingestellt bleiben.
Hinsichtlich der allgemeinen Altersrente ist im vorliegenden Fall kein besonderer Nachweis in der Richtung geführt worden, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer bei Vollendung des 65. Lebensjahrs seine Tätigkeit in der Firma aller Voraussicht nach aufgeben werde. Die in dem Protokoll vom 13. Juni 1960 festgelegte Verpflichtung, spätestens zu diesem Zeitpunkt seine Geschäftsführertätigkeit zu beenden, und der damit verbundene Hinweis, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer seinen Sohn in die Lage versetzen wolle, die Geschäftsführung dann und auch im Falle einer vorzeitigen Erkrankung des Vaters zu übernehmen, können nicht als hinreichende Beweismittel angesehen werden, da diese Erklärungen nach der Sachlage widerrufbar sind (vgl. auch Beschluß des BVerfG 1 BvR 488/62, a. a. O.). Der Senat folgt daher den bisherigen Entscheidungen in der Auffassung, daß wegen der für den Fall der Pensionierung des Gesellschafter-Geschäftsführers bei Beendigung des 65. Lebensjahrs vereinbarten Rente eine auf diesen Zeitpunkt bezogene ernstliche Last der GmbH nicht gegeben sei und damit eine entsprechende Rückstellung nicht in Betracht komme.
Dennoch hält der Senat eine Rückstellung mit Rücksicht auf die Ausführungen des BdF zu c) für geboten. Denn auch wenn das Ausscheiden des Gesellschafter-Geschäftsführers aus der Gesellschaft zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht angenommen und eine Rückstellung für eine auf diesen Zeitpunkt abgestellte Pensionsverpflichtung nicht gebildet werden kann, so besteht für das Unternehmen doch im Rahmen des Vertrags das Risiko eines späteren Ausscheidens bei Eintritt von Invalidität.
Auch wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer bei Erreichung des für die Pensionierung vorgesehenen Lebensalters seine aktive Tätigkeit zunächst noch fortsetzt, so wird er sie früher oder später schon aus biologischen Gründen einstellen (vg. auch Beschluß des BVerfG 1 BvR 488/62, a. a. O.). Im Falle der Zusage einer Altersversorgung ist also für die GmbH das Invaliditätsrisiko miteingeschlossen. Dieses Risiko nimmt im höheren Lebensalter zu. Man wird es von einem bestimmten Grenzalter an nach der Lebenserfahrung allgemein als gegeben ansehen können. Bei Ermittlung des Alters wird man für den hier in Betracht kommenden Personenkreis Wahrscheinlichkeiten, wie sie etwa in der Statistik der Sozialversicherung errechnet werden, kaum zugrunde legen können, zumal bei der hier gegebenen, auf langjährigen Betriebserfahrungen beruhenden Tätigkeit die volle Arbeitsunfähigkeit besonders zu beurteilen ist. Das vom BdF genannte Grenzalter von 75 Jahren und die Unterstellung, daß mit Vollendung dieses Alters in der Regel die Geschäftsführertätigkeit nicht mehr in hinreichendem Masse durchgeführt werden kann und das Ausscheiden aus dem aktiven Dienst sehr wahrscheinlich ist, erscheint dem Senat als eine der Lebenserfahrung gerecht werdende Annahme. Von der Pensionsverpflichtung der GmbH wird somit im Hinblick auf die mögliche Invalidität des Gesellschafter- Geschäftsführers der Teil als ernste Belastung anzuerkennen sein, der für eine Pensionierung infolge Arbeitsunfähigkeit mit dem 75. Lebensjahr berechnet wird. Unter Berücksichtigung dieses Grenzalters können die Rückstellungen im Rahmen des § 6 a EStG ebenso berechnet werden, wie wenn bei der Zusage der Pension als Altersgrenze das 75. Lebensjahr bestimmt worden wäre. Die Vorinstanz wird diese Gesichtspunkte für die Behandlung der Altersversorgung zu berücksichtigen haben.
Im Gegensatz hierzu erscheint dem Senat eine Rückstellung für die nur auf den Invaliditätsfall vor Erreichung des 65. Lebensjahrs abgestellte zusätzliche Rente nicht begründet. Soweit sich aus seinem Urteil I 334/61 U (a. a. O.) etwas anderes ergibt, wird dieses nicht aufrechterhalten. Schon in dem genannten Urteil war die Frage offengelassen, ob für diesen Fall gemäß § 6a EStG eine gleichmäßige Verteilung der Rückstellungen nach mathematischen Grundsätzen möglich ist. Dies ist zu verneinen, weil zwar der Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegt, nicht aber ein nach Wahrscheinlichkeitsberechnungen oder der Lebenserfahrung bestimmbarer Zeitpunkt des Eintritts der vollen Invalidität vor dem 65. Lebensjahr. Zu 1 ist bereits ausgeführt, daß bei dem hier in Betracht kommenden Personenkreis erst ein Alter von 75 Jahren als allgemeines Invaliditätsalter angesehen werden kann. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß in dem Fall des § 6 a EStG, der von einer stetigen Ansammlung der Mittel für die Zahlung einer Altersrente ausgeht, die allmähliche Erhöhung der Rückstellung dadurch gerechtfertigt erscheint, daß das Risiko mit zunehmendem Alter des Berechtigten wächst. Umgekehrt wird das Risiko, daß der Invaliditätsfall noch vor der Erreichung des 65. Lebensjahrs eintreten werde, vom Zeitpunkt der Zusage an geringer. Besonders bei Annahme des Falles a) des BdF würde darüber hinaus auch die Höhe der zur Zahlung der Invaliditätsrente erforderlichen Mittel kleiner, je näher der Zeitpunkt der vereinbarten Altersrente rückte. Die Rückstellung müßte daher bei der Zusage relativ hoch sein und mit Abnahme des Risikos nach und nach aufgelöst werden. Eine solche Entwicklung entspricht aber nicht den Grundsätzen einer Rückstellung nach § 6a EStG.
Aber auch bei Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, wonach es bei Bildung von Rückstellungen darauf ankommt, ob mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Belastung der Firma zu erwarten ist, würde in diesen Fällen eine Rückstellung regelmäßig nicht gebildet werden können. Denn die Wahrscheinlichkeit des Eintritts voller Invalidität vor Erreichung des 65. Lebensjahrs ist nach der Lebenserfahrung dann nur in sehr geringem Masse gegeben, wenn es sich nicht um die Tätigkeit in einem Gefahrenbetrieb handelt. Die Tatsache, daß auch die Risiken der Fälle a) und b) versichert werden können und daß für diesen Zweck gewisse versicherungsmathematische Berechnungen angestellt werden, ändert nichts an der Beurteilung, daß bei Unmöglichkeit der Anwendung des § 6a EStG eine Rückstellung für eine Invaliditätsrente, wenn überhaupt, nur bei Nachweis einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit anerkannt werden kann.
Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch zu beachten, daß zwischen der Zusage einer Invaliditätsrente für den Fall der Invalidität vor dem 65. Lebensjahr und der einer allgemeinen Altersrente insofern ein enger Zusammenhang besteht, als bei Eintritt der vorzeitigen Invalidität jedenfalls bei Vorliegen des Vertragstyps b) des BdF die Altersrente zum Teil gegenstandslos wird.
Fundstellen
Haufe-Index 411904 |
BStBl III 1966, 202 |
BFHE 1966, 557 |
BFHE 84, 557 |
BB 1966, 440 |
DB 1966, 645 |
DStR 1966, 315 |