Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen eines zwischen nahen Familienangehörigen bestehenden Arbeitsverhältnisses sind Tantiemezahlungen, die rückwirkend vereinbart worden sind, steuerrechtlich nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen.
Orientierungssatz
Arbeitsverhältnisse unter nahen Angehörigen sind steuerlich nur anzuerkennen, wenn sie klar vereinbart und ernsthaft gewollt sind, tatsächlich durchgeführt werden und einem Fremdvergleich standhalten. Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des Arbeitsverhältnisses oder bei Änderungen während des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft getroffen werden. Es kommt auch nicht darauf an, ob Leistungen im Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht als Arbeitslohn angesehen werden (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt einen Einzelhandel mit kunstgewerblichen Gegenständen, Wachswaren und Antiquitäten. Sie beschäftigt vier Angestellte, darunter ihren Sohn (Beigeladener zu 1) und ihre Tochter (Beigeladene zu 2). Das laufende Gehalt des Beigeladenen zu 1 betrug in den Streitjahren 1975 und 1976 jeweils 16 500 DM, das der Beigeladenen zu 2 jeweils 13 300 DM.
Am 15.Februar 1974 sagte die Klägerin den Beigeladenen schriftlich eine zusätzliche Vergütung (Tantieme) in Höhe von 3 v.H. des erwirtschafteten Jahresumsatzes zu. Es wurde vereinbart, daß die Tantieme am 31.Dezember eines jeden Jahres zu zahlen sei und daß die Beigeladenen die Tantieme als mit 6 v.H. zu verzinsendes Darlehen im Betrieb stehen lassen können.
Unter dem 26.September 1974 vereinbarte die Klägerin mit den Beigeladenen: "Hiermit kündige ich den Vertrag vom 15.2.1974 per 31.12.1974. Eine Verpflichtung zur Gewährung der Umsatzvergütung besteht dann nicht mehr. Ich bin bereit, im Dezember eines jeden Jahres für das verflossene Kalenderjahr eine Vergütungsregelung neu zu treffen. Eine gewährte Vergütung verpflichtet nicht, im folgenden Jahr auch eine Vergütung zu gewähren."
Am 29.Dezember 1975 wurde vereinbart, daß aufgrund des Gewinnergebnisses für 1975 für jeden Beigeladenen eine Vergütung von 15 000 DM gewährt werde. Die Beträge sollten den Beigeladenen zum 31.Dezember 1975 zur Verfügung stehen, falls sie von diesen nicht gegen 6 v.H. Verzinsung als Darlehen im Geschäft der Klägerin stehen blieben. Für 1976 wurde am 27.Dezember 1976 eine entsprechende Vereinbarung getroffen.
Die Klägerin führte für die Tantiemezahlungen jeweils am Ende der Streitjahre Lohnsteuer und Versicherungsbeiträge ab. Die Klägerin verbuchte die Nettovergütungen auf besondere für die Beigeladenen geführte Darlehenskonten. Sie berücksichtigte die Tantiemezahlungen für die Jahre 1974 bis 1976 als Betriebsausgaben. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ dies nicht zu.
Das Finanzgericht (FG) gab nach erfolglosem Einspruch der Klage, die sich auch auf im Streitjahr 1974 erfolgte Tantiemezahlungen bezog, statt.
Mit seiner Revision, die sich lediglich gegen die Streitjahre 1975 und 1976 richtet, macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Tantiemevereinbarungen von 1975 und 1976 seien rückwirkend getroffen worden und dürften deshalb steuerrechtlich nicht anerkannt werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung hinsichtlich der Streitjahre 1975 und 1976 und insoweit zur Klageabweisung (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß Arbeitsverhältnisse unter nahen Angehörigen steuerlich nur anzuerkennen sind, wenn sie klar vereinbart und ernsthaft gewollt sind, tatsächlich durchgeführt werden und einem Fremdvergleich standhalten (Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.September 1972 IV R 197/68, BFHE 107, 35, BStBl II 1972, 944, und vom 8.November 1972 I R 209/70, BFHE 108, 20). Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des Arbeitsverhältnisses oder bei Änderungen während des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft getroffen werden (Entscheidung in BFHE 107, 35, BStBl II 1972, 944, und in BFHE 108, 20). Rückwirkende Vereinbarungen sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen.
Ist ein Arbeitsverhältnis zwischen Eltern und volljährigen Kindern nach diesen Grundsätzen steuerlich anzuerkennen, so können Tantiemezahlungen, die im Rahmen eines solchen Arbeitsverhältnisses von den Eltern als Arbeitgeber an die Kinder als Arbeitnehmer geleistet werden, von den Eltern nur dann als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn auch hinsichtlich der Tantiemezahlungen die genannten Voraussetzungen der Klarheit, Ernsthaftigkeit, tatsächlichen Durchführung und des Fremdvergleichs erfüllt sind und wenn beachtet wurde, daß rückwirkende Vereinbarungen steuerrechtlich nicht anerkannt werden.
Für die Abziehbarkeit der Tantiemezahlungen als Betriebsausgaben kommt es nicht entscheidend darauf an, ob diese Leistungen im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht als Arbeitslohn angesehen werden. Die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung hat für die steuerrechtliche Beurteilung nur Indizwirkung (vgl. BFH-Urteil vom 28.Juli 1983 IV R 103/82, BFHE 139, 376, 379, BStBl II 1984, 60 m.w.N.).
Hinsichtlich der Tantiemezahlungen, deren Abzug als Betriebsausgaben streitig ist, fehlt es an klaren in die Zukunft gerichteten Vereinbarungen.
Die Vereinbarungen vom 29.Dezember 1975 für 1975 und vom 27.Dezember 1976 für 1976 können als solche nicht herangezogen werden, weil sie erst am Ende des jeweiligen Vergütungszeitraums getroffen worden sind.
Die Vereinbarung vom 26.September 1974 enthält keine Tantiemezusage, sondern lediglich die Inaussichtstellung einer solchen. Insbesondere durch die in der Vereinbarung enthaltene Regelung, wonach eine gewährte Vergütung nicht verpflichtet, im Folgejahr auch eine Vergütung zu gewähren, hat die Klägerin zum Ausdruck gebracht, daß sie für die Zukunft keine Tantiemeverpflichtung gegenüber den Beigeladenen eingehen wollte, sondern jeweils erst am Ende eines Wirtschaftsjahres frei darüber entscheiden wollte, ob für dieses Jahr eine Sondervergütung zu zahlen sei.
Aus dem Urteil des I.Senats in BFHE 108, 20 kann nichts anderes entnommen werden. Der I.Senat hat in dieser Entscheidung das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, damit das FG Feststellungen darüber nachholen konnte, ob dem Grunde nach ausreichende Vereinbarungen im voraus getroffen worden waren.
Fundstellen
Haufe-Index 62207 |
BFH/NV 1989, 10 |
BStBl II 1989, 281 |
BFHE 155, 114 |
BFHE 1989, 114 |
BB 1989, 608-609 (LT1) |
DB 1989, 507 (LT) |
DStR 1989, 212 (KT) |
HFR 1989, 238 (LT) |