Prof. Dr. Peter Wollmert, Prof. Dr. Peter Oser
Bei Unternehmenskäufen i. R. e. sog. Asset Deals werden die dem Unternehmen gehörenden Vermögensgegenstände und Schulden einzeln vom Käufer erworben und übernommen (Einzelrechtsnachfolge bzw. Singularsukzession). Gleichwohl wird zwischen dem Verkäufer und dem Käufer regelmäßig ein Gesamtkaufpreis für das Unternehmen vereinbart.
Asset Deal
Bei einem Asset Deal wird eine Sachgesamtheit mit allen betriebsnotwendigen Grundlagen zur selbstständigen Teilnahme am Wirtschaftsverkehr erworben [z. B. ein ganzer Betrieb, Teilbetrieb, Geschäftsbereich oder eine Abteilung; nachfolgend kurz: "Unternehmen" (siehe Schubert/F. Huber, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 247 HGB Rz. 420)].
Nach dem Einzelbewertungsgrundsatz (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) hat der Käufer die erworbenen Vermögensgegenstände und übernommenen Schulden einzeln anzusetzen und zu bewerten. Die Vermögensgegenstände und Schulden sind mit ihrem Zeitwert im Erwerbszeitpunkt zu bewerten (siehe Schubert/Gadek, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 255 HGB Rz. 84). Übersteigt der vereinbarte Kaufpreis den Zeitwert der einzelnen Vermögensgegenstände abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme, ist der sich ergebende Unterschiedsbetrag gem. § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB als entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert zu aktivieren und auszuweisen (siehe Schmidt/Ries, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 246 HGB Rz. 82).
Fraglich ist, wie ein unterhalb der Zeitwerte der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden liegender Kaufpreis (negativer Geschäfts- oder Firmenwert) bilanziell zu behandeln ist. Ursache für einen negativen Geschäfts- oder Firmenwert können ein günstiger Gelegenheitskauf (lucky buy) oder negative Ertragsaussichten für die Sachgesamtheit sein.
Abstockung
In der Vergangenheit wurde – soweit ersichtlich – nur die sog. Abstockungslösung für zulässig erachtet. Danach sind die Zeitwerte der einzelnen nicht-monetären Vermögensgegenstände nach einer sachgerechten und willkürfreien Methode abzustocken (siehe Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995 – 2000, § 255 HGB Rz. 294; Schmidt/Ries, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 246 HGB Rz. 82; Noodt, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 12. Aufl. 2021, § 246 HGB Rz. 92). Denkbar ist eine proportionale Verteilung des Abstockungsbetrags im Verhältnis der Zeitwerte der nicht-monetären Vermögensgegenstände zueinander. Bei dieser Vorgehensweise bleibt allerdings die Risikoverteilung in Bezug auf die einzelnen Vermögensgegenstände unberücksichtigt. Daher kann es sachgerecht sein, vorrangig die Zeitwerte der mit höheren Risiken behafteten Vermögensgegenstände – z. B. die langlebigen Vermögensgegenstände, deren Wertentwicklung aufgrund ihrer Langlebigkeit schlechter einzuschätzen ist – abzustocken (siehe Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995 – 2000, § 255 HGB Rz. 107; Schmidt/Ries, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 246 HGB Rz. 82; IDW, WP Handbuch, 17. Aufl. 2021, Kap. F Rz. 319).
Sofern kein ausreichendes Abstockungspotenzial vorhanden ist und auch die übernommenen Passiva bereits mit den Zeitwerten angesetzt sind, ist der verbleibende Betrag auf der Passivseite der Bilanz nach dem Eigenkapital gesondert als negativer Geschäfts- oder Firmenwert oder als passiver Ausgleichsposten auszuweisen und nach Maßgabe der zukünftig eintretenden Verluste/Aufwendungen aufzulösen (siehe Schmidt/Ries, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 246 HGB Rz. 82; IDW, WP Handbuch, 17. Aufl. 2021, Kap. F Rz. 319, 750; Noodt, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 12. Aufl. 2021, § 246 HGB Rz. 92).
Bildung eines passiven Unterschiedsbetrags
Gegen die Abstockungslösung wird vereinzelt eingewendet, dass sie den "wirtschaftlichen Gehalt der Transaktion" (Deubert/Lewe, BB 2018, S. 2157) nicht ausreichend berücksichtige; dies gilt insbesondere bei im Erwerbszeitpunkt notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen des Erwerbsobjekts. Sind zum Erwerbszeitpunkt die Kriterien für die Passivierung einer Rückstellung noch nicht erfüllt, kann für die Restrukturierungsmaßnahme noch keine bilanzielle Vorsorge getroffen werden. Gleichwohl hat sich die zukünftig durchzuführende Restrukturierung aber schon mindernd auf den Kaufpreis ausgewirkt. Im Fall der Abstockungslösung käme es nun dazu, dass der auf die Restrukturierung entfallende Betrag über die Laufzeit der abnutzbaren Vermögensgegenstände in Form niedrigerer Abschreibungen pro Jahr verteilt wird. Gleichzeitig führt die spätere Passivierung der Restrukturierungsrückstellung zur Erfassung von Aufwand, obwohl der Käufer diesen Aufwand bereits in seinen Kaufpreisverhandlungen mit dem Verkäufer mindernd antizipiert hat. Durch die Abstockung der nicht-monetären Vermögensgegenstände wird keine verursachungsgerechte Neutralis...