Prof. Dr. Peter Wollmert, Prof. Dr. Peter Oser
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11.3.2016 (BGBl 2016 I S. 396) hat der Gesetzgeber für Altersversorgungsverpflichtungen (= Pensionsverpflichtungen) die Abzinsung mit einem 10-jährigen (zuvor: 7-jährigen) Durchschnittszinssatz angeordnet (§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB).
Aus der Abzinsung mit einem 10-jährigen Durchschnittszinssatz resultierende Bewertungsgewinne sind ausschüttungsgesperrt (§ 253 Abs. 6 Satz 2 HGB), nach Maßgabe des BMF (BMF, Schreiben v. 23.12.2016, IV C 2 – S 2770/16/10002, BStBl 2017 I S. 41) indes – bei Existenz eines EAV – nicht abführungsgesperrt, da § 301 AktG nur § 268 Abs. 8 HGB, nicht aber § 253 Abs. 6 HGB in Bezug nehme. Eine analoge Anwendung des § 301 AktG auf den (Unterschieds-)Betrag des § 253 Abs. 6 HGB scheide – so das BMF – mangels einer planwidrigen Unvollständigkeit des § 301 AktG aus.
Nach § 171 Abs. 1 HGB haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft (nur) bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. Nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB lebt indes die Außenhaftung des Kommanditisten (wieder) auf, soweit ihm die Einlage zurückbezahlt wird oder er Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Dabei sind für Zwecke der Berechnung des Kapitalanteils Beträge i. S. d. § 268 Abs. 8 HGB nicht zu berücksichtigen (§ 172 Abs. 4 Satz 3 HGB).
Auch § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB nimmt § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB nicht in Bezug. Mithin ist fraglich, ob § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB planwidrig unvollständig ist (Gesetzeslücke) oder ob der Gesetzgeber § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB bewusst ausgenommen hat. Eine planwidrige Unvollständigkeit liegt vor, wenn § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB unvollständig ist (hier: es fehlt die Bezugnahme auf § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB) und diese Unvollständigkeit nicht im Plan des Gesetzgebers ist (er also – hätte er diese Frage neuerlich vor seinem Gesichtskreis – die Unvollständigkeit beseitigen würde). Bei dieser Frage darf nicht allein der Wortlaut (so aber das BMF zu § 301 AktG und § 268 Abs. 8 HGB, s. o.), sondern muss der Normzweck des § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB entscheiden. Da das Telos beider Ausschüttungssperren identisch ist, ist eine planwidrige Unvollständigkeit des § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB anzunehmen.
Das belegen auch die aktuellen Entwicklungen zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts. So wird mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz, MoPeG, BGBl 2021 I S. 3436), das am 1.1.2024 in Kraft tritt, § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB um eine Bezugnahme auf § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB ergänzt. Die Gesetzesmaterialien führen hierzu aus: "Durch die Änderung werden nunmehr auch Beträge nach § 253 Abs. 6 Satz 2, die ebenfalls einer besonderen bilanzrechtlichen Ausschüttungssperre unterliegen, im Kontext des § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB wie Beträge nach § 268 Abs. 8 HGB behandelt" (BT-Drucks. 19/27635 S. 257). Der Gesetzgeber beseitigt damit die bestehende Unvollständigkeit.
Bei der Berechnung des Kapitalanteils nach § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB sollten deshalb bereits vor dem Inkrafttreten des § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB n. F. – neben den Beträgen nach § 268 Abs. 8 HGB – auch Beträge i. S. d. § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB berücksichtigt werden.