Prof. Dr. Martin Tschandl, Prof. Dr. Paul Hofmann
Die Verwendung von AI und ML im Bereich Prognose bzw. Forecasting revolutioniert die Art und Weise, wie Unternehmen und Organisationen zukünftige Trends und Ereignisse vorhersagen. Diese Technologien können in verschiedenen Planungsprozessen eingesetzt werden, um genauere und zeitnahe Vorhersagen zu ermöglichen, beispielsweise für:
Nachfrageprognosen in der Lieferkette:
ML-Modelle werden verwendet, um die zukünftige Nachfrage nach Produkten vorherzusagen. Durch die Analyse historischer Verkaufsdaten, saisonaler Trends, Wetterbedingungen und anderer relevanter Faktoren können diese Modelle Unternehmen helfen, ihre Lagerbestände besser zu verwalten, Engpässe zu vermeiden, im Falle von Just-in-Time die Planung dem Bedarf anzupassen und mit der Routenplanung zu optimieren, also die Lieferketteneffizienz zu verbessern.
Marketing und Vertriebsplanung:
Durch die Analyse von Kundendaten, Kaufverhalten und Markttrends unterstützen ML-Modelle die Entwicklung effektiver Marketingstrategien. Sie können vorhersagen, welche Produkte bei bestimmten Kundengruppen beliebt sein werden, welche Marketingkanäle am effektivsten sind oder wie sich saisonale Ereignisse auf den Verkauf auswirken.
Finanzplanung und -analyse:
Darauf aufbauend unterstützen AI und ML die Unternehmensplanung, indem Finanzdaten analysiert werden, um zukünftige Einnahmen und Ausgaben vorherzusagen. Diese Technologien sind aber auch für Risikobewertungen und zur Optimierung von Investitionsstrategien verwendbar, indem beispielsweise ML-Algorithmen Muster in Marktdaten erkennen und vorhersagen, wie sich bestimmte Ereignisse auf Marktbedingungen auswirken könnten.
Diese Beispiele zeigen, dass die Integration von AI und ML in den Forecasting-Prozess es Organisationen ermöglicht, datengestützte Entscheidungen zu treffen, die nicht nur reaktiver, sondern auch proaktiver Natur sind.
Speziell in der Umsatzplanung im Budgetprozess sind präzise Umsatzprognosen entscheidend, nicht nur um Fehleinschätzungen der Nachfrage zu vermeiden, sondern auch, um Trends und den Einfluss sich ändernder makroökonomischer Parameter frühzeitig zu erkennen. Die Prognose des zukünftigen Bedarfs stellt in vielen unternehmerischen Bereichen einen potenziellen Wettbewerbsvorteil dar: Beispielsweise können über die prognostizierten Verkaufszahlen im Bereich Logistik und Supply Chain zeit- und bedarfsgerecht Planungen für Bestellungen errechnet, oder in allen mengenabhängigen Funktionen die Personalplanung optimiert werden.
Oft beschränkt sich die Umsatzprognose auf klassische statistische Methoden, die jedoch Limitationen aufweisen und spezifisches Fachwissen erfordern. Da letzteres nicht in jedem Unternehmen ausreichend vorhanden ist, gewinnen ML-Prognosemethoden an Bedeutung. Statistische Prognosemethoden erfordern die Erfüllung zahlreicher spezifischer Bedingungen, damit sie effektiv eingesetzt werden können. Sollten diese Voraussetzungen nicht gegeben sein, ist oft eine Daten-Transformation notwendig. Im Gegensatz dazu sind Prognosemethoden, die auf maschinellem Lernen basieren, flexibler in Bezug auf Anforderungen wie Linearität und Stationarität der Daten. Diese ML-Algorithmen – zum Beispiel Support Vector Regression (SVR), Entscheidungsbaum-basierte Ansätze wie Gradient Boosting Machines (GBM) und Random Forest (RF), Fuzzy Time Series (FTS) – sind jedoch nicht ohne Adaptierungen für die Vorhersage von Zeitreihen geeignet und können nur nach umfassender Datenvorbereitung und Feature Engineering angewandt werden.
- Zunächst ist ein geeigneter historischer Zeitraum zu definieren, um abgeleitete Features auf Basis der Ziel- und Kovariablen zu bilden. Dazu zählen die Bildung von Lags, gleitender Mittelwert, aber auch Minima und Maxima.
- Darüber hinaus müssen häufig Transformationen der Variablen und Tests auf Stationarität, Periodizität oder Trends durchgeführt werden, um die Performance der Modelle zu gewährleisten.
- Um Zeitreihen effektiv zu modellieren, werden oft Features wie der Zeitpunkt (saisonal, zyklisch), vorherige Werte (Lags) und gleitende Durchschnitte hinzugefügt, um die zeitliche Struktur in den Daten abzubilden.
Ein "Lag" in der Zeitreihenmodellierung bezeichnet die Verschiebung einer Zeitreihe um eine oder mehrere Zeitperioden (siehe Abb. 9). Dieses Konzept ist besonders wichtig, um zeitliche Abhängigkeiten in den Daten zu erkennen und zu modellieren. Ein Lag ist also eine zeitlich zurückliegende Beobachtung, die als Eingangsvariable (Feature) in Modellen zur Vorhersage zukünftiger Werte verwendet wird. Lag-Variablen helfen, die Dynamik in den Daten zu erfassen und verbessern die Vorhersagegenauigkeit von Zeitreihenmodellen, indem sie Informationen über frühere Zustände bereitstellen. Sie sind besonders nützlich in dynamischen Systemen, wo aktuelle Werte stark von vergangenen Werten beeinflusst werden.
Abb. 9: Visualisierung von Lags in der Zeitreihenmodellierung
Nehmen wir als Beispiel eine Zeitreihe, die tägliche Verkaufszahlen eines Produkts enthält. Wenn man ein Modell entwi...