1 Der Fall
Ein Verein hatte für seine Zwecke mit dem Kläger einen Mietvertrag für die Vereinsräume abgeschlossen und konnte schon bald nicht mehr den fälligen Mietzins bedienen. Die Vertragsparteien schlossen sodann einen Aufhebungsvertrag. Der Verein ging in die Insolvenz und der Vermieter, der Kläger in diesem Verfahren, konnten die Räume nicht mehr weiter vermieten und klagte diesen Schaden gestützt auf § 42 Abs. 2 BGB gegen die 1. Vorsitzende des Vereins ein.
Das OLG kam in der 2. Instanz – entgegen dem Landgericht – zu dem Ergebnis, dass die 1. Vorsitzende nicht persönlich nach § 42 Abs. 2 BGB zur Leistung des geforderten Schadensersatzes verpflichtet war.
2 Das Urteil und Hinweise für den Vorstand
2.1 Grundsätze der Haftung des Vorstands nach § 42 Abs. 2 BGB
Gem. § 42 Abs. 2 BGB haftet ein Vorstandsmitglied eines e. V. für den Schaden, der einem Gläubiger daraus entsteht, dass der Insolvenzantrag durch den Vorstand schuldhaft verzögert gestellt wurde und dem Gläubiger dadurch ein Schaden entsteht.
Bei der Beurteilung dieser Frage wendet die Rechtsprechung die vom BGH entwickelten Grundsätze über die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft nach §§ 64 Abs.1 GmbHG i. V. m. 823 Abs.2 BGB wegen der gleich gelagerten Interessenlage der Vertragspartner einer insolvenzreifen GmbH und eines insolvenzreifen e. V. an.
2.2 Altgläubiger und Neugläubiger
Dabei gibt es aber einen entscheidenden Unterschied zwischen den so genannten Alt- und Neugläubigern eines Vereins:
- Altgläubiger sind die Vertragspartner des Vereins, die ihre Forderung gegen den Verein bereits vor dem Zeitpunkt erworben haben, in denen der Insolvenzantrag durch den Vorstand hätte gestellt werden müssen. Diese Gläubiger sind mit ihrem Anspruch auf den Betrag beschränkt, um den sich die Konkursquote, die sie bei rechtzeitiger Insolvenzanmeldung erhalten hätten, durch Verzögerung der Antragstellung verringert (sog. Quotenschaden).
- Neugläubiger sind diejenigen Vertragspartner des Vereins, die nach dem Entstehen der Insolvenzantragspflicht in Geschäftsbeziehung mit dem Verein getreten sind. Diesen Gläubigern ist das sog. negative Interesse zu ersetzen, damit der Schaden, der dadurch entsteht, dass der Neugläubiger mit dem insolvenzreifen e. V. einen Vertrag schließt und Leistungen erbringt. Solche Gläubiger müssen also so gestellt werden, als ob sie nie in Geschäftsbeziehung mit dem e. V. getreten wären.
3 Besonderheit des Falles
Der Vermieter hatte als Schaden nicht den entgangenen Mietzins gegenüber der Vorsitzenden geltend gemacht, sondern er forderte als Schaden die entgangene Miete, die er hätte erzielen können, wenn der Verein die Räume herausgegeben hätte. Diesen Anspruch verneinte das OLG.
Denn Schutzzweck des § 42 Abs. 2 BGB ist es, insolvenzreife Vereine vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch deren weiteres Auftreten keine Gläubiger dadurch geschädigt werden, dass sie infolge des Unterbleibens des Insolvenzantrages Leistungen für den überschuldeten Verein erbringen.
Gerade dies war in diesem Verfahren nicht der Fall, da dem Vermieter die schwierge finanzielle Situation sehr früh bekannt war und – anstatt Konsequenzen zu ziehen – er weiter verhandelte.
Wer in Kenntnis der schwierigen finanziellen Verhältnisse eines Vereins dennoch vertragliche Leistungen für diesen erbringt und damit bewusst das Risiko eingeht, seine eigenen wirtschaftlichen Interessen zu gefährden, fällt nicht in den Schutzbereich des § 42 Abs. 2 BGB und kann keine Schadensersatzansprüche geltend machen.
Einschlägige Hinweise in Rechtsvorschriften
Fundstellen
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OLG Köln, Urteil v. 27.1.2006, Az.: 1 U 45/05 |