Prof. Dr. Werner Gleißner
Zusammenfassung
Die Risikoaggregation dient dazu, mehrere Einzelrisiken zu einem Gesamtrisiko zusammenzufassen. Risikoaggregationsverfahren werden dabei insbesondere zur Bestimmung des Gesamtrisikoumfangs eines Unternehmens genutzt. Die Bestimmung des Gesamtrisikoumfangs (also des Umfangs möglicher Planabweichungen bei wichtigen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen) ist wiederum notwendig für die Ableitung des Eigenkapitalbedarfs, für die bessere Fundierung von Ratings und für den risikoadjustierten Kapitalkostensatz.
Die wichtigsten Verfahren der Risikoaggregation sind die
- Varianz-Ko-Varianz-Modelle,
- historische Simulation und insbesondere
- Monte-Carlo-Simulation.
1 Bestimmung des Gesamtrisikoumfangs
Eine der wesentlichsten Aufgaben des Risikomanagements ist die Feststellung, ob der Gesamtumfang der Risiken durch die vorhandenen Risikodeckungspotenziale (Eigenkapital bzw. Liquiditätsreserven) gedeckt ist. Notwendig ist es dabei, die Einzelrisiken zu "aggregieren". Eine derartige Risikoaggregation ist deswegen notwendig, weil alle Risiken sich letztlich gemeinsam auf das Ergebnis, das Eigenkapital oder den Wert des Unternehmens auswirken. Im Gegensatz zur Aggregation von Erlösen und Kosten, die einfach addierbar sind, ist die Aggregation von Risiken methodisch deutlich aufwändiger. Risiken lassen sich nicht einfach addieren, weil die Wechselwirkungen zwischen den jeweiligen Risiken (die Korrelationen) mit zu berücksichtigen sind. Eine einfache Addition der (z. B. maximalen) Schadenshöhen, die durch ein Risiko verursacht werden, führt zu einer massiven Überschätzung der Gesamtrisikoposition, weil dabei ein gemeinsames Eintreten sämtlicher Risiken unterstellt wird (Korrelation = 1).
Risikodeckungspotenzial
Das Eigenkapital (und die Liquiditätsreserven) sind das Risikodeckungspotenzial eines Unternehmens, weil sie sämtliche risikobedingten Verluste zu tragen haben. Um die Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung bestimmen zu können, sind mithin Risikoaggregationsverfahren erforderlich, die mehr leisten können, als identifizierte und bewertete Risiken einfach zu addieren. Mit Hilfe solcher Risikoaggregationsverfahren ist es möglich, auch die Angemessenheit der Rating-Einstufung durch die Hausbank gemäß Basel II, die letztlich auch auf einem Vergleich des Risikoumfangs und der Risikotragfähigkeit eines Unternehmens basiert, kritisch zu hinterfragen.
Risikoaggregationsverfahren für Unternehmen basieren im Grundsatz auf einer Integration der identifizierten und quantitativ bewerteten Risiken im Kontext der Unternehmensplanung. Risiken werden dabei als Ursachen für mögliche Abweichungen von den geplanten bzw. erwarteten Werten aufgefasst, was Chancen (positive Abweichungen) ebenso einschließt wie negative Abweichungen (Gefahren).
Risikomanagement in Unternehmensplanung integriert
Neben der Bestimmung des Eigenkapitalbedarfs eines Unternehmens und der besseren Fundierung der Ratings haben Risikoaggregationsverfahren mithin einen wesentlichen weiteren Vorteil: Sie führen das Risikomanagement aus seiner Isolation und integrieren es in die operativen oder auch strategischen Planungssysteme (bspw. Balanced Scorecard) des Unternehmens. Das Risikomanagement bekommt mit Hilfe der Risikoaggregationsverfahren seine Stellung als integraler Bestandteil der gesamten Unternehmensführung und unterstützt bei der besseren Fundierung unternehmerischer Entscheidungen, weil Chancen und Gefahren (Risiken) besser gegeneinander abgewogen werden können.
2 Risikoaggregationsverfahren mittels Monte-Carlo-Simulation
Ein geeignetes Verfahren zur Aggregation von Risiken stellt die Monte-Carlo-Simulation dar (vgl. Monte-Carlo-Simulation). Im Folgenden wird die Methodik der Risikoaggregation mit Hilfe der Monte-Carlo-Simulation erläutert, wobei an dieser Stelle bereits von der Existenz eines Risikoinventars ausgegangen wird.
Bei diesem Verfahren werden die Wirkungen der wichtigsten Einzelrisiken – unter Beachtung von Wechselwirkungen bzw. Korrelationen – in einem Planungsmodell des Unternehmens den entsprechenden Posten der GuV oder Bilanz zugeordnet (vgl. Abb. 1). Solche Risikowirkungen werden durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen (Verteilungs- oder Dichtefunktionen) beschrieben.
Abb. 1: Risikoaggregation in der Unternehmensplanung (Quelle: RMCE RiskCon GmbH & Co. KG)
In unabhängigen Simulationsläufen (S1 ... S n) werden viele Tausend mögliche Zukunftsszenarien durchgespielt und dabei jeweils eine Ausprägung der GuV oder Bilanz berechnet. Damit erhält man in jedem Simulationslauf einen Wert für die betrachtete Zielgröße (z. B. Gewinn oder Cashflow). Die Gesamtheit aller Simulationsläufe liefert eine "repräsentative Stichprobe" aller möglichen Risiko-Szenarien des Unternehmens. Aus den ermittelten Realisationen der Zielgrößen ergeben sich aggregierte Wahrscheinlichkeitsverteilungen (Dichtefunktionen, vgl. Abb. 2).
Abb. 2: Eigenkapitalbedarf (Quelle: RMCE RiskCon GmbH & Co. KG)
Ausgehend von der durch die Risikoaggregation ermittelten Verteilungsfunktion der Gewinne kann man unmittelbar auf den Eigenkapitalbedarf (Risk-Adjusted Capital, RAC) des Unternehmens schl...