Rz. 169
Wie bereits oben aufgezeigt, muss die Rechtsbeschwerde binnen eines Monats nach Ablauf der Einlegungsfrist bzw. nach Zustellung der Entscheidung gegenüber dem Ausgangsgericht begründet werden. Dies hat durch den Verteidiger nur noch elektronisch über das beA zu erfolgen, § 32d StPO i.V.m. §§ 110a Abs. 4, 110c OWiG – oder aber zu Protokoll der Geschäftsstelle, § 345 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG.[356]
Praxistipp
Die Begründung muss von dem Anwalt unterzeichnet werden, der sie auch verfasst hat. Daher ist es insbesondere tunlichst zu unterlassen, einen Kollegen "in Vertretung" unterschreiben zu lassen. Das ist zwar grundsätzlich auslegungsfähig.[357] Zweifel an der Eigenverantwortlichkeit des unterzeichnenden Rechtsanwalts führen jedoch zur Formunwirksamkeit der Rechtsbeschwerdebegründung und damit zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde.[358] Eine nachträgliche Übernahme der Verantwortlichkeit führt nicht zur Heilung.[359]
Inhaltlich kann die Rechtsbeschwerde auf mangelnde Verfahrensvoraussetzungen, Verfahrenshindernisse, Verfahrensrügen und Sachrügen gestützt werden. Hier gelten dieselben Regeln wie bei der Revision, weshalb nachfolgend lediglich die wesentlichen Aspekte hervorgehoben werden.[360]
a) Mangelnde Verfahrensvoraussetzungen und Verfahrenshindernisse
Rz. 170
Verfahrensvoraussetzungen und Verfahrenshindernisse sind stets von Amts wegen zu beachten,[361] weshalb es einer Rüge grundsätzlich nicht bedarf. Jedoch führen sie nach §§ 206a, 354 StPO zur direkten Verfahrenseinstellung;[362] diesbezügliche Fehler sollten daher immer vorgetragen werden. Das geläufigste Verfahrenshindernis in den hier thematisierten Bereichen ist die Verfolgungsverjährung.
b) Verfahrensrügen
Rz. 171
Von den Verfahrensvoraussetzungen und Verfahrenshindernissen sind die Regelungen i.S.d. § 344 Abs. 2 S. 1 StPO zu unterscheiden, welche den Verfahrensablauf und die Verfahrensgestaltung betreffen. Gem. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO müssen Verfahrensrügen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angeben.
Dies hat präzise, vollständig und ohne Verweise zu erfolgen. Allein anhand der Rechtsbeschwerdeschrift muss das OLG den Verfahrensfehler vollständig erkennen können.[363]
Beispielsweise gehört zu einer zulässigen Aufklärungsrüge, dass bestimmte konkrete Tatsachen, Zustände oder Vorgänge als aufklärungsbedürftig genannt werden sowie die Angabe eines bestimmten Beweismittels, des erwarteten Beweisergebnisses und der daraus zu folgernden Besserstellung des Betroffenen sowie die Darlegung der Umstände und Vorgänge, aus welchen Gründen sich das Gericht zu weiterer Aufklärung gedrängt sehen musste.[364]
Die Aufzählung der strengen Formerfordernisse in den einzelnen Konstellationen von Verfahrensrügen würde vorliegend den Rahmen sprengen. Insoweit sollte jedoch jeder Verteidiger bereits durch das als bekannt zu unterstellende Revisionsrecht sensibilisiert sein, und im konkreten Fall die aktuelle Rechtsprechung zu Rate ziehen.
c) Sachrügen
Rz. 172
Die Sachrügen betreffen wiederum das materielle Recht. Faustformelmäßig lässt sich zur Abgrenzung festhalten, dass es sich um eine Verfahrensrüge handelt, wenn die verletzte Norm bestimmt, "auf welchem Wege der Richter zur Urteilsfindung berufen" ist.[365] Ansonsten handelt es sich um eine Sachrüge.
Die Sachrüge ist bereits deshalb anzubringen, weil sie im Gegensatz zur Verfahrensrüge dem Beschwerdegericht die Überprüfung des Urteils selbst ermöglicht.[366] Dies kann wiederum der Verfahrensrüge weiteren Auftrieb verleihen oder diese gar retten, da das OLG wegen der zulässig erhobenen allgemeinen Sachrüge den Urteilsinhalt dann auch ergänzend für die Beurteilung der Verfahrensrüge berücksichtigen kann.[367]
Rz. 173
Einer gesonderten Begründung der Sachrüge bedarf es an sich nicht, jedoch ist dies anzuraten. Das Beschwerdegericht kann die pauschale Sachrüge knapp...
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