1. Einlegung der Rechtsbeschwerde

 

Rz. 167

Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 341 StPO innerhalb einer Woche beim iudex a quo einzulegen, also beim Ausgangsgericht. Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Urteilsverkündung, sofern zumindest der Verteidiger zugegen war – andernfalls die Zustellung der Entscheidung, § 79 Abs. 4 OWiG. In letzterem Fall läuft die Einlegungsfrist selbst dann an, wenn der Verteidiger eine Zustellungsvollmacht zu den Akten gereicht hat und das Urteil dennoch an den Betroffenen zugestellt wird.[348] Bei einer sog. Doppelzustellung sowohl an den Betroffenen als auch an den Verteidiger ist zwar die zuletzt bewirkte Zustellung maßgeblich – aber nur, wenn die erste Einlegungsfrist noch nicht abgelaufen war, § 37 Abs. 2 StPO.[349] Der Mandant sollte nicht zuletzt deswegen ausdrücklich angehalten werden, generell den Zugang von behördlichen und gerichtlichen Schriftstücken seinem Anwalt anzuzeigen.

 

Seit dem 1.1.2022: Einreichung per beA!

Sowohl die Rechtsbeschwerde, als auch deren Begründung sind vom Rechtsanwalt nunmehr exklusiv über das besondere elektronische Anwaltspostfach zu übermitteln, § 32d StPO i.V.m. §§ 110a Abs. 4, 110c OWiG – oder zu Protokoll der Geschäftsstelle.[350]

Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist der Revision nachgebildet; § 79 Abs. 3 OWiG verweist explizit auf die entsprechenden Normen der StPO. Im Gegensatz zur Einspruchseinlegung gibt es hier also keinen Auslegungsspielraum für eine Aufweichung der Formvorschrift. Jedoch ist bei drohender Unwirksamkeit wegen der falschen Übermittlung der Rechtsbeschwerde ebenfalls an eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu denken.[351]

Für den Betroffenen und andere Verfahrensbeteiligte gilt die bisherige Rechtslage fort.[352]

Zur Erhebung der Rechtsbeschwerde muss der Verteidiger gesondert bevollmächtigt werden, was auch mündlich erteilt werden kann. Eine Vollmachtsurkunde ist nicht zwingend erforderlich. Bis zum Ende der Begründungsfrist sollte die Bevollmächtigung jedoch zumindest anwaltlich versichert werden.[353]

[348] BVerfG, Beschl. v. 20.12.2001 – 2 BvR 1356/01 = NJW 2001, 2532; Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 51 Rn 44d m.w.N.
[350] Krenberger, BeckOK StVR, 14. Ed. 15.1.2022, OWiG § 110c Rn 13; Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 79 Rn 28; KG, Beschl. v. 25.3.2022 – 162 Ss 38/22, BeckRS 2022, 14453 Rn 14; OLG Koblenz, Beschl. v. 5.4.2022 – 2 OWi 31 SsBs 55/22, BeckRS 2022, 11005 Rn 4.
[351] Vgl. die Ausführungen zur Einspruchseinlegung Rdn 108 ff.
[352] BT-Drucks 18/9416, 51.
[353] OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.3.2020 – (1Z) 53 Ss-OWi 684/19 (64/20) = zfs 528, 529.

2. Begründungsfrist der Rechtsbeschwerde

 

Rz. 168

Von der Einlegungsfrist ist die Begründungsfrist zu unterscheiden. Gem. § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 345 Abs. 1 StPO ist die Rechtsbeschwerde binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels wiederum gegenüber dem Ausgangsgericht zu begründen. War das Urteil bis dahin noch nicht zugestellt, beginnt die Begründungsfrist für die Rechtsbeschwerde erst mit der Urteilszustellung.

In der Praxis werden die meisten Urteile erst nach mehr als einer Woche ausgefertigt und zugestellt. Die Fristberechnung ist dann eindeutig. Bei Beschlüssen gem. § 72 OWiG, bei Urteilen in Abwesenheit und in den wenigen Fällen der schnellen Urteilszustellung binnen einer Woche knüpft die Begründungsfrist nahtlos an die Einlegungsfrist an. Hier gibt es einen Meinungsstreit zur Berechnung des Fristendes:

Für die Fristberechnung verweist die Brückennorm des § 46 Abs. 1 OWiG auf § 43 StPO. Wie oben erläutert beginnt die Einlegungsfrist mit Zustellung der Entscheidung und endet gem. § 43 StPO am gleichnamigen Wochentag der Folgewoche. § 345 Abs. 1 S. 1 StPO besagt, dass die Begründungsfrist erst nach Ablauf der Einlegungsfrist anläuft. Folgt man nun dem Wortlaut und somit der herrschenden Meinung,[354] läuft die Begründungsfrist am Folgetag an. Einige Gerichte sehen hingegen den letzten Tag der Einlegungsfrist gleichzeitig als Beginn der Begründungsfrist an.[355]

 

Praxistipp

Sofern die Rechtsprechung des jeweils zuständigen Beschwerdegerichtes nicht eindeutig ist, sollte die Begründungsfrist rein vorsorglich nicht voll ausgeschöpft, sondern im Zweifel einen Tag früher übermittelt werden.

[354] OLG Bamberg, 3. Senat, Beschl. v. 10.5.2007 – 3 Ss OWi 1532/2006, Rn 6, juris; Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 79 Rn 31 m.w.N.

3. Begründung der Rechtsbeschwerde

 

Rz. 169

Wie bereits oben aufgezeigt, muss die Rechtsbeschwerde binnen eines Monats nach Ablauf der Einlegungsfrist bzw. nach Zustellung der Entscheidung gegenüber dem Ausgangsgericht begründet werden. Dies hat durch den Verteidiger nur noch elektronisch über das beA zu erfolgen, § 32d StPO i.V.m. §§ 110a Abs. 4, 110c OWiG – oder aber zu Protokoll der Geschäftsstelle, § 345 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?