1. Arten der Kapitalmaßnahmen
Rz. 45
Die AG kann sich Eigenkapital beschaffen durch Gewinnthesaurierung (Innenfinanzierung) oder durch Leistungen der Gesellschafter in das Eigenkapital. Letztere erfolgen regelmäßig durch Erhöhung des Grundkapitals, für die das Aktiengesetz drei Arten zur Verfügung stellt: (reguläre) Kapitalerhöhung gegen (Bar- oder Sach-)Einlagen (§§ 182 bis 191 AktG), bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192 bis 201 AktG) und genehmigtes Kapital (§§ 202 bis 206 AktG). Daneben steht die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 bis 220 AktG), bei der der Gesellschaft aber keine neuen Mittel zugeführt werden, sondern Rücklagen und/oder vorgetragener Bilanzgewinn in Grundkapital umgewandelt werden.
2. Ablauf der regulären Kapitalerhöhung
Rz. 46
Die Kapitalerhöhung vollzieht sich in folgenden Schritten:
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Beschluss der Hauptversammlung über die Kapitalerhöhung, § 182 AktG |
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Anmeldung des Kapitalerhöhungsbeschlusses zum Handelsregister (wird im Regelfall mit der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung verbunden), § 184 AktG |
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Zeichnung der Aktien, § 185 AktG |
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Leistung der Mindesteinlagen, § 188 Abs. 2 i.V.m. §§ 36 Abs. 2, 36a, 37 Abs. 1 AktG |
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Anmeldung und Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister, § 188 AktG |
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Ausgabe der neuen Aktien |
3. Beschlussfassung der Hauptversammlung
Rz. 47
Mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss bekundet die Hauptversammlung nur den Willen zur Kapitalerhöhung. Die Verpflichtung der (zukünftigen) Aktionäre zur Übernahme der jungen Aktien gegen Einlageleistung wird erst mit Annahme der Zeichnung durch die AG begründet (vgl. Rdn 58).
a) Satzungsänderung
Rz. 48
Der Kapitalerhöhungsbeschluss zielt auf eine Satzungsänderung (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 und 4 AktG); es ist deshalb zwingend die Mitwirkung der Hauptversammlung geboten. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals; die Satzung kann bis zur Grenze der einfachen Mehrheit eine geringere Mehrheit bestimmen, § 182 Abs. 1 S. 2 AktG (für Ausgabe stimmrechtloser Vorzugsaktien kann die erforderliche Kapitalmehrheit von 75 % jedoch nur herauf-, nicht herabgesetzt werden, § 182 Abs. 1 S. 2 AktG). Nach § 182 Abs. 4 S. 1 AktG soll keine Kapitalerhöhung erfolgen, solange noch Einlagen auf das bisherige Kapital ausstehen und erlangt werden können. Ein Verstoß begründet zwar keinen Beschlussmangel, doch muss das Registergericht die Eintragung der Kapitalerhöhung ablehnen.
Ist die Gesellschaft börsennotiert, so können sich im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung Mitteilungspflichten nach WpHG ergeben (vgl. § 49 (früher § 30b) WpHG), die es zu beachten gilt.
b) Bezugsrecht der Aktionäre
Rz. 49
Jedem Aktionär steht ein gesetzliches Bezugsrecht auf einen seiner bisherigen Beteiligungsquote entsprechenden Anteil an den neuen Aktien zu, das ihm die Aufrechterhaltung seiner bisherigen Beteiligungsquote sichert, § 186 Abs. 1 AktG. Werden Aktien unterschiedlicher Gattung ausgegeben, hat jeder Aktionär ein Bezugsrecht auf Aktien jeder dieser Gattungen. Das Bezugsrecht ist zwingend, es kann durch die Satzung weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden. Nur ein konkreter Beschluss der Hauptversammlung nach Maßgabe von § 186 Abs. 3, 4 AktG kann das Bezugsrecht ausschließen.
Der Bezugsrechtsausschluss kraft Hauptversammlungsbeschlusses bedarf nach § 186 Abs. 3 S. 2 AktG stets einer Kapitalmehrheit von mindestens drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals. Die Absicht des Bezugsrechtsausschlusses ist ausdrücklich und ordnungsgemäß bekannt zu machen, § 186 Abs. 4 S. 1 AktG. Darüber hinaus hat der Vorstand einen schriftlichen Bericht über die Gründe für den Bezugsrechtsausschluss zu erstatten, § 186 Abs. 4 S. 2 AktG, der in der Hauptversammlung und entsprechend § 175 Abs. 2 AktG von der Einberufung an in den Geschäftsräumen der AG zur Einsichtnahme ausliegen muss und jedem Aktionär auf Verlangen zu übersenden ist oder ab der Einberufung über das Internet zugänglich sein muss. Bei börsennotierten Gesellschaften gilt auch insoweit § 124a AktG mit der Folge, dass die Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft sogar verpflichtend ist und in der Praxis insoweit eine Auslegung in den Geschäftsräumen und die Übersendung an die Aktionäre regelmäßig entfällt. Der Bericht muss die Tatsachen enthalten, die den Bezugsrechtsausschluss materiell rechtfertigen; dazu gehört auch die Darlegung der konkreten Berechnungsgrundlagen und Bewertungskriterien für den für die neuen Aktien vorgesehenen Ausgabebetrag, § 186 Abs. 4 S. 2 AktG.
Der Ausschluss des Bezugsrechts steht nicht im freien Ermessen der mit Mehrheit entscheidenden Hauptversammlung. Die Rechtsprechung hat an die Zulässigkeit lange Zeit einen strengen Maßstab angelegt und die Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses von einer sachlichen Rechtfertigung abhängig gemacht: Danach musste er einem im Gesellschaftsinteresse liegenden Zweck dienen und zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich sein. Darüber hinaus musste er bei Abwägung des Gesellschaftsinteresses einerseits und der betroffenen Aktionärsinteressen anderer...