Rz. 131
Die Geschäftsgebühr in der Beratungshilfe ist das Pendant der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Die Gebühr beträgt nunmehr 93,50 EUR. Die Gebühr entsteht für die Vertretung eines Mandanten gegenüber Dritten und auch für die Mitwirkung des Rechtsanwaltes bei der Gestaltung eines Vertrages.
Die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages setzt voraus, dass der Rechtsanwalt so in den Vertrag eingreift, dass seine Tätigkeit Außenwirkung erlangt. Die bloße Prüfung eines Vertrages erfüllt die Voraussetzung nicht. Erteilt der Rechtsanwalt aber Ratschläge zur Änderung des Vertragsentwurfes fällt die Geschäftsgebühr an, auch wenn die Vorschläge in den Verhandlungen nicht durchgesetzt werden können. Bei der Gestaltung einseitiger Erklärungen, wie Kündigungen, Abmahnungen oder Testamenten, entsteht die Geschäftsgebühr hingegen nicht.
Rz. 132
Bei der Durchführung einer Akteneinsicht ist nach dem erteilten Auftrag zu unterscheiden. Die Geschäftsgebühr fällt an, wenn ein Auftrag für die Vertretung bestanden hat. Wurde Akteneinsicht genommen, um erst dann die Beratung durchzuführen, beschränkt sich die zu erstattende Gebühr auf die Beratungsgebühr nach Nr. 2501 VV RVG.
Rz. 133
Voraussetzung für die Geltendmachung der Geschäftsgebühr ist – anders als bei der Beratungsgebühr –, dass die Vertretung erforderlich gewesen ist. Die Gewährung der Geschäftsgebühr wird erst im Rahmen der Festsetzung der Vergütung geprüft. Die Erforderlichkeit der Vertretung entsteht erst, wenn im Ergebnis der Beratung ersichtlich wird, dass der Rechtssuchende seine Rechte nicht allein wahrnehmen kann. Kriterien sind hier der Umfang, die Schwierigkeit der Sache oder die Bedeutung der Sache für den Mandanten.
Dabei ist auf die individuellen Fähigkeiten des Rechtssuchenden abzustellen. Mandanten mit höherem Bildungsniveau kann eher zugemutet werden, einfachere Anschreiben selbst zu fertigen und darauf zu reagieren. Ist nur ein einfaches Schreiben, wie etwa eine einfache Mahnung oder eine Kündigung zu verfassen, soll die Tätigkeit des Rechtsanwaltes nicht erforderlich sein. Ist auf dieses Schreiben allerdings mit Widerstand oder rechtlichen Argumenten zu rechnen, entsteht die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung auch für einfache Schreiben.
Diese Abänderung der Rechtslage schafft einen erhöhten Arbeitsaufwand und wird wahrscheinlich ein effektives Mittel zur Senkung der Ausgaben für Beratungshilfe sein. Der Aufwand der Darlegung der Entstehung und Erforderlichkeit der einzelnen Gebühren sowie deren Durchsetzung im Beschwerdeverfahren, wird Abschreckung genug für Rechtsanwälte sein, überhaupt Beratungshilfemandate über die eigentliche Beratung hinaus anzunehmen. Das wirtschaftliche Risiko der Geltendmachung der Vertretungsgebühr trägt der Rechtsanwalt.
Praxistipp:
Sofern ein Beratungshilfemandat in die Vertretung übergeht, empfiehlt es sich, entweder die rechtlichen und sonstigen Schwierigkeiten in einer Aktennotiz zu dokumentieren oder diese durch entsprechende Ausführungen gleich im ersten Anschreiben zu thematisieren.
Bei der Abrechnung der Beratungshilfe sind entsprechende Angaben zu machen, sodass die Aufzeichnungen hier dienlich sind.
Das OLG Köln allerdings lässt die Frage der Erforderlichkeit außer Acht, sofern der Beratungshilfeschein keinen Anhaltspunkt enthält, dass die Tätigkeit auf die Beratung beschränkt bliebe. Diese Rechtsprechung verlagert die Erforderlichkeitsprüfung auf das den Beratungshilfeschein ausstellende Amtsgericht und entlastet die Anwaltschaft.
Rz. 134
Die Geschäftsgebühr ist auf die Gebühren eines sich anschließenden gerichtlichen Verfahrens hälftig anzurechnen; Nr. 2503 Anm (2) S. 1 VV RVG. Auf welche Gebühren die Anrechnung erfolgt, ist wegen § 15a RVG unerheblich. Allerdings muss die Anrechnung zunächst auf die Wahlanwaltsgebühren erfolgen; § 58 Abs. 2 RVG.
Beispiel:
Der Rechtsanwalt vertritt den Mandanten im Rahmen der Beratungshilfe und rechnet 93,50 EUR Vertretungsgebühr gegenüber der Staatskasse ab. Für den anschließenden Prozess wird Prozesskostenhilfe gewährt.
Bis zu einem Gegenstandswert von 4.000,00 EUR entsprechen die PKH-Gebühren denen des Wahlanwaltes. Hier erfolgt die Anrechnung der 46,75 EUR ohne Abzüge.
Schon bei einem Gegenstandswert von 6.000,00 EUR gestaltet sich die Rechnung bei einem Urteil wie folgt:
PKH-Gebühren |
|
1,3 Verfahrensgebühr §§ 13, 49 Abs. 1 RVG, Nr. 3100 VV |
383,50 EUR |
1,2 Terminsgebühr §§ 13, 49 Abs. 1 RVG, Nr. 3104 VV |
354,00 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale gem. Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
757,50 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
143,93 EUR |
PKH-Gebühren |
901,43 EUR |
Wahlanwaltsgebühren |
|
1,3 Verfahrensgebühr § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 3100 VV |
507,00 EUR |
1,2 Terminsgebühr § 13 Abs. 1 RVG, Nr. 3104 VV |
468,00 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale gem. 7002 VV |
20,00 EUR |
|
995,00 EUR |
./. Anrechnung hälftige Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV RVG, § 58 Abs. 2 RVG |
–46,75 EUR |
Zwischensumme |
948,25 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
180,17 EUR |
Wahlan... |