Rz. 65
Für Rechtsanwaltsgebühren, kann ein Klageverfahren nur eingeleitet werden, wenn
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zumindest teilweise die Titulierung von nicht nach § 11 RVG festsetzungsfähigen Kosten des gerichtlichen Verfahrens begehrt wird, |
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die Festsetzung nach § 11 RVG an der Erhebung nichtgebührenrechtlicher Einwendungen und Einreden scheiterte, |
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auch vor Festsetzungsantrag nach § 11 RVG vom Mandanten nachweisbar nichtgebührenrechtliche Einwendungen und Einreden erhoben wurden oder |
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nicht die gesetzlichen Gebühren, sondern die Gebühren einer Vergütungsvereinbarung nach § 4 RVG geltend gemacht werden. |
Es sollte dargelegt werden, weshalb der Vorrang des § 11 RVG entfällt. Andernfalls wäre kein Rechtsschutzinteresse für die klageweise Geltendmachung der Forderung gegeben. Die Klage wäre unzulässig.
Rz. 66
Für die Begründetheit ist in der Klageschrift grundsätzlich zum Vertragsabschluss vorzutragen. Außerdem ist die Entstehung der einzelnen Gebührentatbestände zu schildern.
Bei der Geltendmachung von Rahmengebühren ist das Gericht auch über die Umstände zu informieren, die die Einordnung der konkreten Gebühr in den Gebührenrahmen rechtfertigen. Sofern eine Überschreitung der Regelgebühr geltend gemacht wird, trägt der klagende Rechtsanwalt in jedem Fall die Darlegungs- und Beweislast für die die Überschreitung rechtfertigenden Gründe nach § 14 RVG (siehe § 2 Rdn 9).
Uneins ist sich die Rechtsprechung jedoch bei der Frage, ob die Gründe für die Einordnung in den Gebührenrahmen bei der Geltendmachung einer Regelgebühr vorzutragen sind. Teilweise wird angenommen, dass Anhaltspunkte für einen unterdurchschnittlichen Umfang und unterdurchschnittliche Schwierigkeit vom Gegner vorzutragen sind. Andere Entscheidungen sehen die Vortragslast für das Erreichen der Regelgebühr beim Rechtsanwalt. Es empfiehlt sich hier also in jedem Fall zu Umfang und Schwierigkeit der Angelegenheit vorzutragen.
Rz. 67
Der Rechtsanwalt ist berechtigt, bei der Festlegung einer Regelgebühr die gerechtfertigte Gebühr um bis zu 20 % zu überschreiten. Diese Toleranzgrenze soll für das Überschreiten einer Regelgebühr wie z.B. der 1,3 Geschäftsgebühr nur dann gelten, wenn der Nachweis gelingt, dass die Angelegenheit einen überdurchschnittlichen Umfang oder eine überdurchschnittlicher Schwierigkeit aufweist. Andere Entscheidungen gehen davon aus, dass das Ermessen eines Anwaltes bei der Bestimmung der Gebühr innerhalb des Rahmens bis zu einer Erhöhung von bis zu 20 % der gerichtlichen Nachprüfung entzogen ist. Dabei wurde selbst bei durchschnittlichen Angelegenheiten ein Überschreiten der Regelgebühr um 20 % als gerechtfertigt angesehen. Die Rechtsprechung des BGH ist hier sehr widersprüchlich. Die jüngere Rechtsprechung weist aber eine Tendenz zur Begrenzung auf die Regelgebühr und gegen die Toleranzgrenze auf.
Rz. 68
Beispiel:
In einer Mietsache setzt der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr auf 1,5 Gebühren fest. Das Gericht erkennt an, dass es sich um eine durchschnittlich schwierige und umfangreiche Sache gehandelt hat.
Teilweise wird nun vom BGH die Meinung vertreten, dass wegen der Anmerkung zu Nr. 2300 VV RVG keinesfalls eine Überschreitung der 1,3 Geschäftsgebühr erfolgen kann, solange der Rechtsanwalt nicht überdurchschnittliche Schwierigkeit und/oder Umfang nachweisen kann.
Andere Entscheidungen konstatieren, dass die 1,5 Geschäftsgebühr auch bei durchschnittlichen Angelegenheiten innerhalb der 20-%-Toleranzgrenze liegt und damit der richterlichen Überprüfung entzogen ist.
Mit der Geltendmachung der Regelgebühr ist der Rechtsanwalt also auf der sicheren Seite. Aber auch mit einer Erhöhung um bis zu 20 % kann er durchaus Erfolg im Prozess haben.
Rz. 69
Die richtige Einordnung der Tätigkeit innerhalb des Gebührenrahmens erfolgt durch Ermessensentscheidung des Rechtsanwaltes. Die Festsetzung erfolgt durch einseitige Entscheidung i.S.v. § 315 BGB. Die Ausübung dieses Wahlrechtes setzt die Verbindlichkeit für beide Seiten verbindlich fest. Zu den Kriterien siehe "Bestimmung des Gebührenrahmens" § 2 Rdn 9.
Kommt es zu Streitigkeiten über die Einordnung in den gesetzlichen Gebührenrahmen, ist durch das Gericht ein Gutachten durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer einzuholen; § 14 Abs. 2 RVG. Dieses Gutachten stellt fest, in welcher Höhe die geforderte Gebühr berechtigt gewesen wäre. Bei der Beurteilung des letztendlich zu zahlenden Honorars wird wieder die 20 %-Toleranzgrenze herangezogen. Lediglich bei der Kappungsgrenze zur Regelgebühr wird diese Toleranzgrenze ausgehebelt. So wird selbst bei maßvollem Zurückbleiben des Gutachterergebnisses hinter den geforderten Gebühren regelmäßig die vom Anwalt festgesetzte Gebühr auszuurteilen sein.
Die Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer erfolgt im Übrigen nicht, wenn die Streitigkeit nicht um die Gebührenhöhe, sondern um den zugrunde liegenden Gegenstandswert geht. Eine Verpflichtung zur Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer aus § 14 Abs. 2 RVG ist nicht auf die Bemessung des Geg...