I. Entstehung des Gebührenrechts

 

Rz. 1

Bereits im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren zur Gründung des deutschen Reiches wurde im Jahr 1879 mit der Gebührenordnung für Rechtsanwälte eine Normierung der Rechtsanwaltsgebühren vorgenommen. Die damalige Gebührenordnung kannte bereits die gegenstandswertabhängige Berechnung der Gebühren,[1] die Unterteilung von Prozess-, Verhandlungs- und Vergleichsgebühren und die Abstufung der Gebühren bei bestimmten Handlungen. Sie galt jedoch nur für Verfahren im Zivilprozess, in Verfahren nach der Konkursordnung und in Strafverfahren.

Die Gebührenordnung wurde am 26.7.1957 durch die BRAGO abgelöst. Dies erstreckte sich auf weitere Rechtsgebiete und nahm auch die Regelung der vorgerichtlichen Kosten in den Gebührenkatalog auf.

 

Rz. 2

Mit der Einführung des RVG am 1.1.2004 wurde das Gebührenrecht neu aufbereitet. Die vormals in Zehnteln angegebenen Gebühren wurden zu Dezimalzahlen und die Höhe der einzelnen Gebühren wurde neu strukturiert. Die in der BRAGO geregelte Gebühr für die Beratung wurde ab 2007 gestrichen und dem Anwalt die Pflicht zur Verhandlung auferlegt. Die Beweisgebühr, die seit der Gebührenordnung für Rechtsanwälte bekannt war,[2] wurde nahezu abgeschafft. Die Pflicht zur Aufklärung des Mandanten über die Abrechnung nach Gegenstandswerten wurde eingeführt.

Allen Gebührenordnungen gemeinsam ist stets der Gedanke der Mischkalkulation. Mit Streitigkeiten über hohe Gegenstandswerte sollen Streitigkeiten zu geringeren Gegenstandswerten querfinanziert werden. Dass dabei Rechtsgebiete auftreten, bei denen geringe Gegenstandswerte bei hohem Arbeitsaufwand die Regel sind, blieb leider unberücksichtigt, sodass eine Spezialisierung auf diese Rechtsgebiete regelmäßig unlukrativ ist. Bei zukünftigen Änderungen besteht noch Nachbesserungsbedarf.

[1] Vgl. § 9 Vergütungsordnung der Rechtsanwälte, (https://de.wikisource.org/wiki/Gebürenordnung_für_Rechtsanwälte).
[2] Vgl. § 13 Vergütungsordnung der Rechtsanwälte (https://de.wikisource.org/wiki/Gebürenordnung_für_Rechtsanwälte).

II. Der Vergütungsanspruch

 

Rz. 3

Das RVG regelt im Wesentlichen den Umfang der anwaltlichen Vergütung. Nicht geregelt ist die Anspruchsgrundlage. Sie wird schlicht vorausgesetzt und muss sich aus anderen Regeln ergeben. Rechtsgrundlagen sind hier der Anwaltsvertrag und die Beiordnung.

1. Anwaltsvertrag

 

Rz. 4

Der Anwaltsvertrag kommt nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln über den Vertragsschluss zustande. Vertragspartner sind in der Regel der Mandant und der Rechtsanwalt bzw. die von ihm vertretenen Rechtspersonen. Auch ein Vertrag zugunsten Dritter ist denkbar.

Es handelt sich in den meisten Fällen um einen Dienstvertrag nach § 611 BGB. Gerade bei der Prozessvertretung haftet der Rechtsanwalt nicht für den Erfolg, sondern hat nur Pflichtverletzungen im Rahmen der Prozessführung zu vertreten. Aber auch ein Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB ist denkbar, wenn der Anwalt einen bestimmten Erfolg, wie etwa die Erstellung eines Gutachtens, schuldet.[3]

Der Anwaltsvertrag ist nicht formbedürftig. Er kann auch konkludent geschlossen werden. So ist stets bei der Annahme einer Beratungsanfrage bereits der Vertragsabschluss erfolgt. Zu beachten ist aber, dass eine Gebührenvereinbarung nach § 3a RVG der Textform bedarf und nicht in der Vollmacht enthalten sein darf.

 

Rz. 5

Der Rechtsanwalt ist bei der Annahme des Vertragsangebotes frei. Es ist also durchaus zulässig, die Annahme unangenehmer Mandate von der Zahlung einer überdurchschnittlich hohen Vergütung abhängig zu machen. Die Gefahr einer Gebührenüberhebung nach § 352 StGB liegt nicht vor, wenn der Rechtsanwalt auf Grundlage einer Honorarvereinbarung abrechnet, selbst wenn diese deutlich über den gesetzlichen Gebühren liegt. Dies gilt sogar dann, wenn die Gebührenforderung dermaßen überhöht ist, dass sie nach § 138 BGB sittenwidrig ist.[4] Bis zum fünf- bis sechsfachen der gesetzlichen Gebühren ist nicht von einer Sittenwidrigkeit auszugehen.[5] Es kommt dabei darauf an, ob sich aus Arbeitsaufwand und Stundenhonorar ein angemessenes Honorar ergibt. So ist bei kleineren und mittleren Streitwerten auch bei Überschreiten der gesetzlichen Gebühren um ein Vielfaches bei entsprechendem Aufwand noch keine Sittenwidrigkeit gegeben. Andererseits kann schon ein leichtes Überschreiten der gesetzlichen Gebühren bei hohem Streitwert eine Sittenwidrigkeit ergeben, wenn die gesetzlichen Gebühren den Aufwand angemessen abdecken.[6] Daraus folgt, dass der Maßstab der gesetzlichen Gebühren kein taugliches Mittel für die Bewertung der Angemessenheit der Vergütung ist.

Auch das Anbieten einer Erstberatung zum Nulltarif ist zulässig.[7]

[3] Palandt/Sprau, Einf. v. 631 Rn 24.
[4] BGH, Urt. v. 6.9.2006 – 5 StR 64/06.
[5] Beschl. der 51. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern v. 24.9.2005 (http://www.brak.de/fuer-anwaelte/gebuehren-und-honorare/).
[6] BGH, Urt. v. 10.11.2006 – IX ZR 119/14, www.bundesgerichtshof.de.
[7] BGH, Urt. v. 3.7.2017 – AnwZ(Brfg)42/16, www.bundesgerichtshof.de.

2. Hinweispflichten

 

Rz. 6

Seit 2010 bestehen für den Rechtsanwalt diverse Hinweispflichten. V...

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